Ritmo, ritmo, ritmo
Ein (über)volles Haus in Steinegg für das Startkonzert der Tour 2020: Herbert Pixner’s Italo Connection gab wieder mal ihr Bestes vor einem jubelnden Publikum am Abend des 29. Januar im dortigen Kulturhaus, wo im Lauf der Jahre (seit 1997) Musiklegenden verschiedener Art von Rock (klassisch, progressive, electric) bis Jazz (free und klassisch), italienischen cantautori und deutschen sowie amerikanischen Liedermachern, wie z.B. Chuck Berry und Cannet Heat, Johnny Winter und Barclay James Harvest, aber auch Suzi Quatro oder Gianna Nannini, zu Gast waren. Steinegg Live „ist“ ein ideales Startpult: hier hat die wild zusammengewürfelte 7-köpfige Südtiroler Band, ihre neue Playlist zwischen Soul/Bossanova, Rock und Free Jazz, sowie melodischen Filmmusikanspielungen à la Tarantino und Sergio Leone vorgestellt, wobei ein jeder sehr feinfühlig und genau sein persönliches Musikinstrument spielt.
Pünktlich um 20.30 Uhr kamen sie einer nach dem anderen aus dem seitlichen Vorhangeingang auf die schon mit Instrumenten voll bepackte Bühne, alle mit der unvermeidlichen schwarzen Sonnenbrille versehen, um gleich mit einem schnell-rhythmischen Rock-Blues die Saalatmosphäre anzuheizen. Herbert Pixner selbst begrüßt dann das Publikum, indem er das abendliche Programm als „musikalisches Querbeet“ mit teils unvorhersehbaren Ausschweifungen ankündigt. In der darauffolgenden Summer Bossa liefern uns, er und der Erste-Klasse-Gitarrist Manuel Randi, ein längeres Duett, das grafisch im Gegenlicht des teilweise fast psychedelisch gestalteten Lichtermeeres (von Alexander Keil) an visuelle Highlight-Szenen in Italo-Western erinnert.
Luft und Stimmung im Saal sind heiß, sehr heiß, alle tanzen in „einem Ritmo“ mit, wiegen sich in den lauten aber nicht unangenehm dröhnenden Tönen...
Er kann anheizen, Pixner beweist hier einmal mehr seine musikalische Tiefe und Feinheit, aber auch dass er Pfeffer in der Seele hat. Er kann sich aber auch als aufmerksamer Zuhörer im wahrsten Sinne des Wortes klein machen, er kniet - oder setzt – sich, eher im Hintergrund der Bühne, hin, um dem einen oder anderen Solo seiner Mitspieler zu folgen. Bühnenpräsenz hat er genug, um auch dann, wenn er mal gerade nicht mit seiner Diatonischen Ziehharmonika oder einer der Trompeten, der Klarinette oder einigen Perkussionen mitmusiziert, einfach „da“ zu sein. Aber – und hier zeichnet sich der riesengroße Unterschied zu anderen Bands ab: der Star auf der Bühne ist nicht nur er, der seinen Namen von Anfang an auf alle(s) gesetzt hat, samt der Idee, diese Band zu gründen, und damit auf Tour zu gehen, sondern die „Familia“. Beginnend beim (von der Saalseite aus gesehen) außen links angeordneten Keyboarder und Pianisten Alex Trebo, der „ein Leichenbestatter in Varese sei und aufgrund seiner beruflichen Ge- und Verbundenheit den winterlichen Zeitraum der musikalischen Tournee bestimme“: die Tour 2020 geht nämlich, nach einer ersten Tranche in Bruneck, Innsbruck und Wörgl, ab Dienstag den 4. Februar mit dem Team-Bus wieder kreuz und quer durch Deutschland und Österreich, von Berlin nach Leipzig, Köln und Salzburg, über München nach Linz, um dann am 15.2. mit dem schon ausverkauften Konzert in der Ottakringer Brauerei in Wien vorerst mal zu enden.
Wir sagten „wieder“, denn schon 2019 lief die Tour kreuz und quer durch eben diese und andere Städte und wurde von Christoph Franceschini und seinen beiden Kameraleuten Mario Podini sowie Silvie Laubscher mitgefilmt, und ebenso vom Tonmeister Wolfgang Spannberger mitgeschnitten. Während der Film schon seit Mitte Dezember seinen eigenen erfolgreichen Weg geht (laut letzten Infos wird er auch auf Rai Südtirol ausgestrahlt werden, und es kommen immer mehr Anfragen von Kinosälen, die ihn in ihr Programm aufnehmen wollen, allein in Salzburg in drei Sälen!, aber auch von italienischer Seite), was bedeutet, dass gute Bilder, gute Musik, guter Schnitt und gute Regie immer (!) beim Publikum gut ankommen. Wobei noch zu sagen bleibt, dass dieser auf total unabhängige Weise produzierte Film nun auch auf Dvd mit 2 Cds in einem Coffret auf der Webseite der Italo Connection erhältlich ist.
Zurück zur „Familia“: die Bassgitarre, stets eher im Bühnenhintergrund zu finden, aber nicht unbedingt im musikalischen, wird vom „extravaganten Kleiderschneider“ Marco Stagni gespielt, der auch die gesamte Band stylisch beraten bzw. eingekleidet haben soll... Ganz hinten zentral steht das Schlagzeug vom „Professore“ Mario Punzi, während im Vordergrund links neben dem Piano der Gitarrist Manuel Randi (s)eine tolle Figur abgibt, anscheinend ein renommierter Inhaber eines Nagelstudios, laut dem Familia-Oberhaupt Pixner, der dann gleich zu einer anderen „hinteren“ Figur, die genauso zentral wie der rhythmische Schlagzeuger in den generellen Sound reinhaut, überwechselt: die Perkussionsecke, geführt vom bekannten „Rotlicht-Lokal-Inhaber“ Max Castlunger. Ein wahres Genie auf seinem Gebiet, der in vergangenen Jahren die gesamte Welt bereist hat, um mit und bei verschiedenen Völkern und Meistern die verschiedensten Trommeln und Perkussionsinstrumente zu sammeln und deren Klänge und Klangproduktion zu erlernen. Ein Sound-System, das Herbert Pixners Interesse stark angezogen haben muss, stellt er sich beim letzten Song doch selbst in diese Ecke, um fleißig und engagiert mitzutrommeln. Last but not least kommt noch Martin Resch zum Zug, ein Vollknaller, Energie Pur, ein 24-Stunden-Musiker-Talent, der laut Familia-Chef einer 100%-ig geladenen Duracell-Batterie ähnlich stets guter Laune ist, voller effektvollen Ideen im Kopf und auch hier immer wieder das Publikum kräftig zum Mitmachen aufruft. So bei einer der vielen neuen Kompositionen, Fiat-Ritmo, oder bei der letzten Zugabe, dem allbekannten Volare von Domenico Modugno, natürlich auf Italo-Connection-UpLoad-Sound gebracht, samt (wahrscheinlich immer) neuen Wortkonstruktionen im Text, der mit tief- und seelengründiger Stimme vom sogenannten „Sax-Martl“ ins Mikrophon gehaucht wird.
Er selbst nimmt sich nicht so wichtig, unser Herbert Pixner, sagt erst auf ausdrückliche Publikumsanfrage seinen Namen, um den wohlverdienten lautstarken Applaus mit tiefer Verneigung entgegen zu nehmen, bevor er schon den nächsten Song ankündigt, entstanden an einem heißen Sommertag im südlichen Kalabrien...
Luft und Stimmung im Saal sind heiß, sehr heiß, alle tanzen in „einem Ritmo“ mit, wiegen sich in den lauten aber nicht unangenehm dröhnenden Tönen, winken mit erhobenen Händen in typischem Großkonzertstil – ja, teils droht das Kulturhaus sogar aus seinen Nähten bzw. Wänden zu platzen.
„Der“ Konzertstar, hier, am ersten Abend in Steinegg, ist jedoch unzweifelhaft der Saxofonist: denn Martin Resch befindet sich auf „seiner“ Bühne in „seinem“ Kulturhaus. Hier habe er – erzählt er uns vor Konzertbeginn – in einem kleinen Saal, im oberen Stockwerk, Musik gelernt, als kleiner Bub, denn hier ist er geboren und aufgewachsen, um dann in die große weite (Musik)Welt hinauszuwandern. Bei der Premiere von Fiat Ritmo blüht er total auf: er lernt dem Publikum den Refrain, „Francesca“, „ein Ritmo“, „ein Ritmo“, „Fiat Ritmo“, auf dass es auf sein Zeichen prompt und gehorsam mitsingen kann. So fließt auch dieses heiß rhythmische Stück unaufhaltsam dahin, bis gerade im richtigen Moment Herbert Pixner interveniert, mit seinem kuhglockenartigen Perkussionsstück in der Hand, auf das er heftig klopft, um dann, sobald das Publikum lautstark „Ritmo“ johlt, mit voll vergnügtem Gesichtsausdruck zum Mikro vorzugehen und ebenso laut und deutlich „Fiat Ritmo“ hinein zu hupen... woraufhin die große Überraschung folgt: alle Musiker rücken beiseite, stellen sich publikumsartig an den Bühnenrand, während nach und nach die Schlagzeugrhythmen lauter und klangstärker werden und Mario Punzi ein beeindruckendes, fast 5-minütiges Solo darbietet. Super! Sogar seine Mitspieler applaudieren heftig mit, bevor sie sich dann gemeinsam wieder in die Mitte der Bühne begeben. Nein, noch ist das Konzert nicht zu Ende, die „Familia“ ist großzügig zu ihren Fans: sie spielen über zwei Stunden lang, ohne Pause, ohne sich zu schonen, munter und leidenschaftlich drauf los.
Es ist der rare Moment des „Padrone“ gekommen, als „Alberto Amore“ vorgestellt, tritt Albert Rieder auf die Bühne, um nach kurzer fast demütiger Verneigung mit seiner Trompete gleich einen rollenden Rock’n’Roll loszulegen. Auch aus Steinegg stammend, ist Rieder der stellvertretende Vorsitzende von Steinegg Live und spielt - unter anderem - bei der St. Pauls Jazzband sowie bei der Südtiroler Tanzelmusik. Für die Italo Connection ist er wirklich der „Patron“, denn er ist – wie schon 2019 und im Film Herbert Pixner & The Italo Connection zu sehen – eine sehr wichtige Figur hinter den Kulissen: der Tourmanager!
Minutenlanger Applaus verabschiedet die „Familia“, freudenvolle Gesichter erscheinen im vollen Saallicht, ein gelungener Abend mit viel Emotion. Ja, solcher Art „Familias“ könnten wir mehr gebrauchen, in unserem Land, auf vielen Ebenen: mit viel Elan, gegenseitigem Respekt, voller Leidenschaft für ihr Tun und dieser Riesendosis an spielerischer Energie. Denn hier wird nicht nur Musik gespielt, es wird im wahrsten Sinne des Wortes „gespielt“, mit der eigenen Männlichkeit, die sich in all ihrer Schönheit und Vielfalt zeigen kann – kraftvoll, feinfühlig, herb, muskelprotzig und butterweich, ironisch und ernst, seriös und federleicht.
Nur eine kleine Korrektur:
Nur eine kleine Korrektur: der wunderbare Albert Rieder ist und tut alles wie hier im Beitrag beschrieben ... nur Vizepräsident des Kulturverein Steinegg Live ist er nicht. Auch nicht Mitglied des Vereins. Vorstandsmitglied ist hingegen Armin Rieder - Sohn eines anderen Albert Rieder.