Auch der Corona-Virus mit all seinen Implikationen hindert Matteo Salvini nicht daran, seine eigenen Interessen in den Vordergrund zu rücken: "Tutto quello che può portare alle elezioni il prima possibile, mi interessa." Dass zwischen dem 19. April und dem 31.Mai Wahlen in sieben Regionen und 1134 Gemeinden (am 3. Mai auch in Südtirol und im Trentino) anstehen, ist für Salvini offenbar kein Hindernis, auch neue Parlamentswahlen anzupeilen – obwohl die letzten gerade mal zwei Jahre zurückliegen und eine Legislaturperiode in Italien fünf Jahre dauert. Das Wahlrecht, das in anderen europäischen Ländern nur äusserst selten und auch dann nur mit grosser Mehrheit abgeändert wird, ist zu einer Art Fetisch der italienischen Politik mit entsprechend surrealen Bezeichnungen verkommen: Mattarellum, Italicum, Rosatellum, Porcellum...
Elf Mal wurde das Wahlrecht bereits vom Parlament geändert – ein Weltrekord. Gelöst hat das keines der Probleme. Das von Renzi favorisierte Italicum wurde vom Höchstgericht sogar für verfassungswidrig erklärt, bevor es jemals angewandt wurde. Verwundern kann das freilich nicht. Der Verfassungsrechtler Michele Ainis analysiert den Italienischen Wahl-Wahn mit bissiger Ironie: "È questo sguardo corto, questo pensiero rivolto da ciascuno al proprio tornaconto più immediato, che rende ogni legge elettorale come una farfalla. La miopia alleva gli errori, e l'errore precedente giustifica quello successivo. Alla prova del voto ti accorgi che la nuova legge è un colabrodo, sicché per rimediarvi fabbrichi un altro colabrodo. Di conseguenza le nostre istituzioni diventano instabili e sbilenche, s'incrudeliscono i rapporti fra maggioranza e e minoranza, la dialettica politica degenera inuna zuffa. Diciamolo: non se ne può più."
Jüngstes Streitthema ist nun die Volksabstimmung über die Kürzung der Parlamentarier am 29. März.
Was gerade im rechten Lager passiert, stützt diese These: In Kalabrien droht die Lega mit Bruch, falls die Kandidatur des scheidenden Präsidenten Stefano Caldoro aufrecht bleibt, die Forza Italia für "irrinunciabile" hält. Dasselbe wiederholt sich in Apulien, wo Melonis Fratelli d'Italia Berlusconis Kandidaten Raffaele Fitto für "absolut inakzeptabel" halten. Der Partito Democratico dagegen macht sich für ein Wahlrecht mit Fünf-Prozent-Sperrklausel stark, um Renzis Italia viva an einem Wiedereinzug ins Parlament zu hindern.
Was die Bürger von Neuwahlen halten, zeigte sich konkret am letzten Sonntag bei den Nachwahlen für einen Senatssitz im Zentrum Roms. Die Beteiligung sank auf einen bisher einmaligen Tiefpunkt von 17,5 Prozent. Die Fünf-Sterne-Bewegung, deren Bürgermeisterin Virginia Raggi ihre erneute Kandidatur anpeilt, kam auf desaströse 4,3 Prozent. Die Koalition aus Forza Italia, Lega, Christdemokraten und Fratelli d'Italia musste sich mit 26 Prozent begnügen - der Hälfte des aktuellen Umfragewerts.
Das Rennen gewann der amtierende Wirtschaftsminister Robert Gualtieri vom Partito Democratico mit 62,2 Prozent. Gewiss – ein durchaus beschränkter Test. Doch die desaströse Wahlbeteiligung spricht Bände.
Jüngstes Streitthema ist nun die
Volksabstimmung über die Kürzung der Parlamentarier am 29. März. Ob dieses Referendum zum geplanten Termin stattfinden wird, ist mehr als fraglich. Denn, so Premier Giuseppe Conte, eine Volksabstimmung ohne Wahlwerbung sei nicht vorstellbar - und die ist angesichts der Corona-Epidemie ebenfalls nicht vorstellbar. Die Senatorin Emma Bonino hat bereits einen
Antrag auf Verschiebung eingebracht. Als wahrscheinlich gilt die Zusammenlegung des Referendums mit den Regionalratswahlen Anfang Juni.