Society | Mitbestinmung

"Das war nie mein Ansinnen"

Soll die Mitbestimmung von Südtirols Schülern und Eltern mit der aktuellen Gesetzesreform geschmälert werden? Antworten von Bildungslandesrat Philipp Achammer.
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Foto: web

Salto.bz: Herr Achammer, Schüler- und Elternvertreter kritisieren, dass sie ausgerechnet bei der Reform des Mitbestimmungsgesetzes nicht ausreichend Mitsprache erhalten. Wollen Sie Schüler und Eltern aus der Schulwelt zurückdrängen?
Philipp Achammer:
Selbstverständlich nicht. Mir liegt es sogar sehr am Herzen, dass wir bei diesem Gesetz mit allen Interessensvertretungen - und dazu gehören auch Schüler- und Elternvertreter - zu einer Übereinstimmung kommen. Doch der Prozess steht noch am Anfang oder maximal in der Mitte. Das heißt, der Vorschlag, den wir nun präsentiert haben, war einfach eine erste Grundlage, auf deren Basis nun weitergearbeitet wird. Und um es mit der Aussage einer Elternvertreterin bei der Vorstellung auf den Punkt zu bringen. Das Feedback darauf lautete: Gut gemeint, aber schlecht getroffen.

Was ist schlecht getroffen?
Der größte Knackpunkt ist sicherlich die Schulautonomie. Das alte Mitbestimmungsgesetz stammt ja noch aus dem Jahr 1995, also aus Zeiten vor der Schulautonomie. Deshalb war unsere Idee, nur mehr ein Rahmengesetz zu machen, um dann der autonomen Schule Spielraum zu lassen, in Subsidiarität und Eigenverantwortung darüber zu diskutieren, wie Mitbestimmung vor Ort funktionieren kann. Das war die Zielsetzung. Also in das Gesetz nur mehr reinzuschreiben, was absolut notwendig ist, auch vom staatlichen Rahmengesetz her, das zum Beispiel den Schul- und Klassenrat verpflichtend vorsieht. Alles andere sollte dann in gutem Einvernehmen zwischen den Beteiligten, also klarerweise auch Eltern und Schülerinnen und Schülern, miteinander selbst in den jeweiligen Schulen ausdiskutiert werden. Denn ich bin der Überzeugung, dass die Identifikation größer ist und Mitbestimmung besser läuft, wenn man selbst bestimmen kann wie sie funktionieren soll. Ich bin also von den Prinzipien der Autonomie, der Subsidiarität und Eigenverantwortung ausgegangen.

Das klingt zwar schön, doch wie die Eltern- und Schülervertreter meinen, riskiert man damit nicht nur ein Chaos zwischen unzähligen verschiedenen Systemen. Da Eltern und Schüler generell am kürzeren Hebel sitzen, würden sie noch weiter geschwächt, wenn die demokratischen Regeln nicht von oben vorgegeben werden. 
Das wurde auch mir rückgemeldet: Das Vertrauensprinzip sei zwar gut gemeint, aber sie seien in diesem System zu schwach, um sich behaupten zu können. Genau deshalb haben wir in dem Entwurf auch eine verpflichtende Zwei-Drittel-Mehrheit für die Mitbestimmungsstatute der Schule vorgeschrieben. Denn so müssten Lösungen immer im Einvernehmen gefunden werden. Genauso wie darin auch Mitbestimmungsformen von Eltern und Schülern zwingend vorgesehen waren. Doch darüber hinaus hätten wir einfach mehr Eigenverantwortung gelassen. Denn was in einer Schule in einer Form funktioniert, kann in einer anderen vielleicht ganz anders laufen.

Doch damit sind Sie abgeblitzt.
Ja, und ich kann nur sagen: Schade, denn das wäre meine Idealvorstellung gewesen und ich bin auch der festen Überzeugung, dass niemand das Interesse hat, jemand anderen aus dem Mitbestimmungszyklus auszuschließen. Doch ich bin kein Landesrat, der dann sagt: Egal, ich ziehe das jetzt ohne Rücksicht auf Verluste weiter durch. Man muss auch reagieren auf Rückmeldungen, sonst brauchen wir keinen Bildungsdialog zu machen. Deshalb habe ich auch schon zugesichert, dass wir jetzt eine Form der Beratung finden, bei der Vertreter aller Beteiligten an einem Tisch an dem Gesetzesvorschlag weiterarbeiten – von den Lehrpersonen und Führungskräften bis hin zu Schüler und Eltern. Ein Mitbestimmungsgesetz ist eben eine besonders delikate und sensible Materie, das war mir von vorneherein klar.

"Man muss auch reagieren auf Rückmeldungen, sonst brauchen wir keinen Bildungsdialog zu machen."

Warum haben sie Schüler- und Elternvertreter dann aber nicht gleich miteinbezogen?
Wir haben bereits im November einen Bildungsdialog dazu gemacht, dann gab es noch eine Konsultation vor diesem ersten Gesetzesentwurf. Und dabei waren sich eigentlich alle über die Grundprinzipien einig, also dass es ein  Rahmengesetz sein soll, das nicht alles bis auf den letzten Buchstaben regelt und möglichst viel Autonomie zulässt. Doch nun hat sich gezeigt, dass die Vorstellung über die Umsetzung dieser Prinzipien doch auseinandergehen.

Sie haben die Vorstellung aller Schüler- und Elternvertreter im Land aber bereits Ende Jänner übermittelt bekommen – und keine davon übernommen, kritisieren die Landesbeiräte. Warum nicht?
Das würde ich in der Form nicht so sagen. Wie gesagt, unser Vorschlag war jetzt erst einmal eine Grundstruktur vorzulegen. Außerdem habe ich zu einigen der Forderungen bereits vorab volle Zustimmung geäußert, wie zum Beispiel der besseren Unterstützung der Schüler- und Elternvertreter. Wenn also auch nicht alles in diesem ersten Entwurf zu finden war, haben ich den Beiräten bereits signalisiert, dass auch ich dazu stehe und es reinkommen soll. Die wirklichen Unterschiede in den Sichtweisen gibt es wirklich nur bei der Autonomie – bzw. der Forderung der Beiräte, alle Gremien bereits im Landesgesetz zu definieren. Doch auch diesbezüglich habe ich von ihnen die Rückmeldung bekommen: Vielleicht kann so etwas in 15 Jahren funktionieren, aber jetzt sind wir noch nicht so weit.  Unterstützt uns deshalb zuerst strukturell, dann könnte es danach auch autonom funktionieren.

Sind Sie bereit diese Position anzunehmen oder gibt es nun eine Gegenlobby, zum Beispiel von Vertretern der Lehrer oder Direktoren?
Es gibt natürlich auch andere Positionen, das ist ganz klar. Aber habe absolut nicht vor, einer Position, die den aktuellen Entwurf jetzt vielleicht einen guten Rahmen findet, nachzugeben. Denn es ist meine tiefe persönliche Überzeugung, dass dieses Gesetz gemeinsam erarbeitet werden muss. Eine absolute Übereinstimmung wird es zwar bei solch einer schwierigen Materie nie geben. Aber ich hoffe, dass man nun gemeinsam daran arbeitet, zu einer von allen getragenen Grundstruktur zu finden.

Der Gesetzesentwurf hat nicht nur die Landebeiräte von Eltern und Schülern, sondern auch aller drei Sprachgruppen näher zueinander gebracht. Ist Ihnen das recht oder ist nun schon fast zu viel Verhandlungsstärke von Eltern- und Schülervertretern entstanden?
Dass man auch sprachgruppenübergreifend stärker miteinander arbeitet, kann ich nur begrüßen. Das finde ich absolut positiv. Und die Beiratsvertreter haben ja auch selbst deutlich gemacht, dass es sprachgrupenspezifische und gemeinsame Anliegen gibt. Bei letzteren verstärkt zusammenzuarbeiten, ist sicherlich sehr sinnvoll. Das machen wir auch auf politischer Ebene so. Also keine Zusammenarbeit im Sinne der Gleichmacherei, sondern um gemeinsame Anliegen auch gemeinsam niederzuschreiben oder anzugehen.

Klar ist: Mitbestimmung bleibt ein schwieriges Thema...
Das sicher. Auch wenn ich die aktuelle Diskussion keineswegs als negativ empfinde. Ich fühle mich also nicht als Durchfaller, sondern finde, man muss sich bei einer solchen Diskussion im ersten Moment auch einmal etwas trauen. Natürlich kann das dann vielleicht auch Irritation hervorrufen. Wichtig ist, dass man dann nicht stur weitergeht und sagt, nur meine Vorstellung wird umgesetzt. Doch das war nie mein Ansinnen.