Culture | Salto Weekend

Alles Schöne wie geborgt

Mit „Eine Liebe, in Gedanken“ gelingt Franz-Tumler-Preisträgerin Kristine Bilkau ein Roman von beklemmender Intensität.
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Foto: Autorinnenporträt

Eine Tochter spürt der gescheiterten Liebe ihrer verstorbenen Mutter nach. Sie dürfen, ja sollten weiterlesen, denn was ein hohes Potential für Kitsch und Sentimentalität zu haben mag, verpackt Bilkau wie schon ihr Debüt „Die Glücklichen“ in leise Töne und eine berückend schlichte Sprache.

Leise ist die Trauer der Tochter, plagend die Fragen, die unbeantwortet bleiben, lose Fäden, die sich nicht mehr verknüpfen lassen, Hypothesen.

Aus den Erzählungen, Fotos, Notizen der Mutter rekonstruiert die Tochter in märchenhaft zarten Rückblenden, wie ihre Mutter Antonia Anfang der 60er-Jahre Edgar kennenlernt. Sie – eine selbstbewusste, unbeschwerte Frau, die sich gegen Enge und Bevormundung wehrt, er – ein höflicher, liebevoller Mann, der noch in der Wartehalle des Lebens sitzt. Der Zauber ihrer Beziehung entfaltet sich in kleinen Details, Momenten, Briefen, in ersten – auch finanziellen – Freiheiten, während sie von der gemeinsamen Zukunft träumen. Eine Weile verharren sie in diesem Schwebezustand. Edgar meint: „Du bist das Fräulein Sonntag und ich der Herr mit den Problemen.“, bezeichnet sich als eine schlechte Partie wegen seines mangelnden beruflichen Erfolgs. Antonia akzeptiert das, will keine Frau sein, die geheiratet werden muss. Dann erhält Edgar das Angebot, in Hongkong einen neuen Sitz für seine Firma aufzubauen. Er vernimmt seine große Chance, Antonia soll nachkommen, sobald er Fuß gefasst hat. Nach einem Jahr der Vertröstungen löst sie schließlich die Verlobung, sie will nicht mehr warten und hoffen, sondern weiterleben.

Nach Antonias Tod will ihre Tochter nun Edgar treffen, will, dass er sich an die Liebe zu ihrer Mutter („eine Frau, die sich nicht vor Intensität gefürchtet hat“) erinnert, als könne sie ihr diese dadurch zurückgeben und die Mutter nachträglich vor dem Kummer schützen. Leise ist die Trauer der Tochter, plagend die Fragen, die unbeantwortet bleiben, lose Fäden, die sich nicht mehr verknüpfen lassen, Hypothesen. Da ist kein übermächtiger, allwissender Erzähler, der alles erklärt und jedem Verhalten am Ende einen Sinn gibt. Vielmehr bietet „Eine Liebe, in Gedanken“ nur eine bruchstückhafte Annäherung an die Figuren und ihre Geschichte, der Rest bleibt im Nebel, unvollständig, ungeklärt, geheimnisvoll. Der Wunsch nach Aufklärung und einem Abschluss bleibt eine Illusion. Darin liegt diese für Bilkau typische sanfte Schwere, in der aber immer auch ein feiner Trost mitschwingt, und sei es nur in der schmerzhaften Schönheit ihrer Sätze, etwa wenn sich Antonia fragt: „Warum nur wirkt alles Schöne wie etwas Geborgtes?“