Fragmente und Fotografie
Davide Grotta, Jahrgang 1983, aus Palermo ist eigentlich gelernter Schiffsarchäologe und entdeckte das Medium Fotografie bei Ausgrabungen im Mittelmeer für sich. Ob die kleine Gemeinde Pfatten, in frühesten Zeiten auch beliebter Hafenort mit Anlegestelle für Schiffe, an der wild durch das Unterland fließenden Etsch gewesen war? Grotta, er ist einer der ausstellenden Künstler und Künstlerinnen, könnte das Wo und Weshalb vielleicht herausfinden, aber um Archäologie, ein Themenfeld bei welchem Pfatten reichlich zu bieten hat, geht es in der zeitgenössischen Fotoschau nicht, auch nicht um Schiffsarchäologie zum biblischen Boot Arche Noa. Es geht um Architektur. Und um Fragmente, die sich (mit Fotografie) herausarbeiten lassen.
„Zwischen dem Anblick einer Sternexplosion und dem des Lichts, das als ihre Erinnerung schimmert, liegt das Leitmotiv der Kollektivausstellung Architecture of Fragments“ heißt es zur Ausstellung, die vom Kulturverein lasecondaluna getragen und von Michele Fucich kuratiert wurde. Sie zeigt Fotoarbeiten von Valentina Casalini, Davide Grotta, Novella Oliana und Davide Perbellini.
Das bei der Eröffnung vor wenigen Tagen zahlreich erschienene Publikum erlebte am Rande der obligaten Reden außerdem eine last minute Live-Performance. Kurator Fucich (er)öffnete im Beisein der Besucherinnen und Besucher eine frisch eingetroffene Arbeit der Künstlerin Novella Oliana und installierte sie mit ihr, indem sie die Arbeit behutsam zelebrierend auf den vorgesehenen Platz brachten.
Novella Oliana beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit dem Zerlegen und Neugestalten von Bildern, sie „wirft Fragen auf und erzeugt semantische Verschiebungen rund um ihr langjähriges Forschungsthema“: das Mittelmeer. Also eine fotografische Herangehensweise, die zu jener von Grotta nicht unähnlich erscheint. Auch wenn beide völlig andere fotografische Wege einschlagen. In der Arbeit La natura delle cose nimmt Oliana Bezug zu alten Mythen und stellt mittels fragmentarischer Fotografie die Komplexität des Sehens in Frage. Sie öffnet gleichzeitig die Tür zur Fantasie.
Davide Perbellini stellt Arbeiten aus, die in Richtung Abstraktion gehen und „setzt den Fokus auf geschlossene Einheiten, die Bedeutung generieren.“ Sowie auf Fragmente im kulturellen und sozialen Ambiente.
Valentina Casalini zeigt mit ihren "Fragmenten" vielleicht am deutlichsten Architektur (im herkömmlichen Sinn) als wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit. Ihre Fotos von Winkeln in urbanen Zentren oder in Privaträumen „wirken wie ein Filter, sie verhüllen und reduzieren Ausschnitte des Umfeldes auf ein optisches Minimum, sodass deren Bedeutung vergrößert wird.“
Um fragmentarische Bruchstücke geht es auch in einer Arbeit, die sich auf "Teile" von Fußballfeldern reduziert und mit einer wackeligen Bildschirm-Ästhetik, sowie dem plötzlich zum Stillstand gelangten Spiel spielt. Auf Grottas Bildern zeigt sich eine visuell gestoppte Verzerrung, sie bleibt aber untrennbar mit der Bewegung verbunden, führt zum Vergangenen, zu einer Bildquelle, die bereits gefilmt und übertragen wurde. Und nun Erinnerungsbruchstück in Pfatten als hängende (Fan)-Fahnen daherkommt. Was wir daraus zusammensetzen? Neue Architekturen, aus übriggebliebenen Fragmenten.
Fragmente können fragil sein, können mobil sein. Sie sind mitunter ein guter Schlüssel für Erinnerung und Erfahrung „Es geht um das Fragment, das übrigbleibt, wenn ein Gegenstand zerbricht und somit nicht mehr direkt erfahrbar ist“, meint Fucich. „Das Fragment kann nicht anders, als eine erneute Verbindung mit dem Ganzen einzugehen.“ Der Ursprung des Fragments liegt „in einer Forcierung der Imagination, des Fantastischen gegenüber der Realität".