Society | Kommentar

Die neue FFeigheit?

FF-Chefredakteurin Alexandra Aschbacher kanzelt die Überheblichkeit und Anmaßung mancher Medien ab. Ihr Kommentar offenbart eine beängstigende Auffassung von Journalismus

Ich weiß immer noch nicht, ob ich die richtige Zeitung in der Hand halte. Das Goldene Blatt? Oder vielleicht den reaktionären Beobachter? Aber doch nicht die FF?
Alexandra Aschbacher echauffiert sich in ihrem Leitartikel „Hysterie schadet der Demokratie“ über die „neue Giftigkeit“, „den absoluten Willen zum Skandal“, „aufgebauschte Affären“ „journalistische Selbstbefriedigung“ und „die Anmaßung mancher Journalisten, Personalpolitik machen zu wollen“.
Anlass für den Nachhilfeunterricht in Sachen Journalismus sind die sogenannten „Skandale“ um die Meraner Bürgermeisterkandidaten Paul Rösch und Gerhard Gruber. Obwohl Namen explizit nicht genannt werden, ist eindeutig, wer gemeint ist: Artur Oberhofer und die Tageszeitung, so wie salto.bz und meine Wenigkeit.
Die FF-Chefredakteurin schwadroniert von der „Präpotenz und Überheblichkeit“, einer „aus der Kontrolle geratenen Erregungsmaschinerie“, von „Hysterie und Medienhetze“ und darüber, dass einige Medien „besoffen waren von der eigenen Macht“; „im Rausch“ hätte man gehandelt. „Pressefreiheit ist nicht Freiheit zur Überheblichkeit“ dekretiert Alexandra Aschbacher.
Meines Erachtens offenbart sich in diesem Kommentar eine beängstigende Auffassung von Journalismus und Pressefreiheit.

Den Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen sollte man kennen. Man kann – so wie es Alexandra Aschbacher tut - die Meraner Affären weder miteinander vergleichen noch über einen Kamm scheren.
Auf der einen Seite steht die Tageszeitung, die drei Tage vor den Wahlen mit einer 15 Jahre alten Geschichte und viel Getöse einen Blattschuss auf Paul Rösch abgefeuert hat, der wohl effektiv als Rohrkrepierer enden wird. Ich möchte mich hier nicht über diese Art von Journalismus äußern. Die Schlussfolgerungen und Vorwürfe hingegen, die Alexandra Aschbacher meiner Arbeit widmet, kann ich so nicht stehen lassen.
Die sogenannte „Affäre Gruber“ hat nur in einem einzigen Südtiroler Medium stattgefunden - auf salto.bz und durch genau einen Artikel aus meiner Feder. Der Artikel ist am 28. April – zwei Wochen vor den Gemeinderatswahlen und vier Wochen vor den Stichwahlen – online gegangen. Keine reißerische Aufmachung, sondern – wie mir scheint – eine unaufgeregte, sachliche Recherche.
Der konkrete Anlass für den Artikel ist die Tatsache, dass Gerhard Gruber am 7. April 2015 im Meldeamt der Gemeinde Meran vorstellig wurde, um seinen Wohnsitz zu ändern. Damit begann es; herausgekommen ist dann weit mehr. Ich habe Gruber in einem sehr offenen Gespräch mit dem Sachverhalt konfrontiert und der SVP-Bürgermeisterkandidat hat „einen Fehler“ zugegeben.
Es stimmt, die Meldung hat bei den Menschen so eingeschlagen, wie es die FF vielleicht nicht mehr gewohnt ist. Gerhard Gruber begann deshalb im Wahlkampf plötzlich, von einer „Schlammschlacht gegen seine Person“ zu sprechen. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, auf diese Untergriffe zu reagieren.
Ich habe meine Zurückhaltung erst abgelegt, als Gruber dann seine Steuererklärung vorlegte und sich die FF drei Tage vor den Stichwahlen eine Halbwahrheit auftischen ließ. Grubers Steuerberater hatte am 30. April 2015, zwei Tage nach Erscheinen des Salto-Artikels, eine nachträgliche Ergänzung zur längst abgegebenen Steuererklärung für das Jahr 2013 beim Steueramt vorgelegt und somit die Mieteinnahmen und die Nutzung der Wohnung deklariert – nur für dieses Jahr, wohlgemerkt. Von 2009 bis 2012 gibt es diese Erklärung aber nicht.

Dass sich die FF-Chefredakteurin jetzt aber so wortgewaltige Sorgen um die Pressefreiheit und die Demokratie macht, ist - um ihren Kommentar zu zitieren - wirklich „eine grausam-lächerliche Veranstaltung“.

Ist das Hetze? Rausch? Oder Hysterie?
Wohl kaum. Sondern ganz normale und alltägliche, journalistische Arbeit. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe weder – wie andere Kollegen - von „strafrechtlicher Relevanz“ noch von einem „Fall für den Rechnungshof“ gesprochen, sondern Fakten aufgezeigt, die allesamt bestätigt wurden. Das verstehe ich unter „kritischem“ Journalismus, und das war bislang auch das Selbstverständnis der FF – zumindest dachte ich das.
Dass sich die FF-Chefredakteurin jetzt aber so wortgewaltige Sorgen um die Pressefreiheit und die Demokratie macht, ist – um ihren Kommentar zu zitieren – wirklich „eine grausam-lächerliche Veranstaltung“.
Demokratie und Journalismus leben von Zivilcourage und Standfestigkeit.
Genau die braucht es aber auch, Frau Aschbacher, wenn man von der Kanzel herab Moralpredigten halten will.

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Germana Nitz Thu, 06/04/2015 - 09:37

In der Tat: Ich musste mich auch mehrmals vergewissern, welches Blatt ich da las. Bei "Blindverkostung" hätte ich diesen Erguss niemals weder dem Blatt noch der Autorin zugeordnet.

Thu, 06/04/2015 - 09:37 Permalink
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Kuno Karsai Thu, 06/04/2015 - 09:55

Schon vor dem Sparkassen/Brandstätter Kniefall ist die FF zu einem reinem Boulevardblatt verkommen. Die Bunte auf Südtirolerisch eben. Der Biss ist schon lange weg. Sich zu echauffieren wenn andere ihre Arbeit gut machen und seine eigenen Unzulänglichkeiten nicht einzusehen oder zu ändern, wird keine neuen Leser bringen. Für mich war es sowieso unverständlich wie man ein FF ABO abschliessen kann, nach diesen Vorkommnissen mehr denn je...

Thu, 06/04/2015 - 09:55 Permalink
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Stereo Typ Thu, 06/04/2015 - 10:25

Ich sehe das so wie Franceschini. Aschbacher hat sich in schöner, belehrender Rhetorik verstiegen - dabei kann man nur froh sein, dass es noch Journalisten gibt, die sich trauen, heiße Eisen anzufassen.

Thu, 06/04/2015 - 10:25 Permalink
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Oskar Egger Thu, 06/04/2015 - 13:47

Genau, Herr Franceschini und bei aller abstrusen, zitierten Schreibeakrobatik habe ich besonders schlimm gefunden, daß Paul Rösch hintenrum mit manipulativen "Fragen" geschwächt werden sollte. Hat man je einem SVP Greenhorn an der Regierung diese Schwächen unterstellt??

Thu, 06/04/2015 - 13:47 Permalink
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Martin Daniel Thu, 06/04/2015 - 16:50

Einem Brandstätter gewährt man die Richtigstellung per Titelstory, einem kritischen Kollegen nicht mal eine im Kleinformat. Wenn die FF nun dem Establishment hörig ist, sollte sie dann nicht dem Zeitgeist folgend mit dem Tagblatt der Südtiroler fusionieren? Wie weit ist die einst streitbare Zeitschrift entfernt von jener FF, in der Chefredakteur Hans Karl Peterlini wegen seiner Berichterstattung über den Altlandeshauptmann seinen Hut nehmen musste?
Weiter so, Christoph! Ohne freie Presse kann Demokratie nicht funktionieren.

Thu, 06/04/2015 - 16:50 Permalink
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Martin Daniel Thu, 06/04/2015 - 16:53

Und die Gleichsetzung der Berichterstattung mit der Tageszeitung ist vollkommen untragbar - eine montierte Story, um einen Kandidaten zu leimen gegen eine klar recherchierte Sache.

Thu, 06/04/2015 - 16:53 Permalink