Kunst oder heiße Luft?
salto.bz: Im Titel der diesjährigen Academiae beziehst du dich auf die antike platonische Akademie. Dies war ein Ort der Lehre, aber auch des Zusammenlebens, der Gleichberechtigung und freien Rede. Inwiefern sind die Kunstakademien heute solche Orte?
Christian Jankowski: Der Begriff Akademie wird heute in ganz unterschiedlichen Kontexten gebraucht. Es gibt auch amerikanische Fernsehformate wie die Police Academy zum Beispiel. Ich bin selbst Professor an einer Akademie und ich fand es sehr spannend mich umzuschauen und mich mit anderen tollen Künstlern, die auch unterrichten auszutauschen, zu erfahren, wie sie unterrichten.
Joseph Beuys hat gesagt, dass die Lehre selbst für ihn ein Kunstwerk ist. Ich denke, es gibt immer einen Aspekt der Lehre der Kunst sein muss, damit er glückt. Der vollständige Titel der Biennale ist ja: „Where Plato taught – Is it art or is it fart“. Damit ist die Gegenseite gemeint: der Gegenpol zur Lehre als große Kunst - die Lehre als Furz, als heiße Luft. Wenn Studenten zu begabt sind, Genies sind, ist der Professor überflüssig. Und darum geht es auch an der Akademie: Irgendwann muss der Professor sich überflüssig machen oder überflüssig sein.
Könnte die Academiae Art Students Biennial hier in der Franzensfeste ein solcher Ort sein?
Wir machen hier einen Versuch. Es gibt hier eine Festung, mit Mauern die schützen, einen Elfenbeinturm. Der Tunnel, der in die mittlere Festung führt, wenn man mit dem Fahrstuhl hier herauffährt, das ist sehr inspirierend. Ich musste gleich an Platos Höhlengleichnis denken. Die Festung ist wie ein Schiff, wie ein eigenes Universum und man geht von einer Akademie zur anderen. 15 Akademien sind auf dem Gelände verteilt und die jungen Künstler haben hier für einige Tage zusammen gelebt und gearbeitet.
So eine Biennale ist für mich ein Gesamtkunstwerk und gleichzeitig eine große Ausstellung in der man aufpassen muss, dass die Werke gut zusammenpassen und wirken. Die Haupterzählung hier ist für mich die Art und Weise wie Kunst und Lehre zusammenspielen. Wir sehen hier ja nicht nur ein „best of“ was es an Akademien gerade so gibt. Sondern es wird auch jeweils thematisiert was es für Dynamiken in den unterschiedlichen Klassen gibt. Die Entscheidung, dass ein Professor der eingeladen ist, gar keine Studenten mitbringt, wie es Valentin Carron gemacht hat, ist eine extreme Äußerung. Also: ich stelle nur mich alleine aus und lasse euch zurück, ist auch eine Lehre. Andere Professoren haben ihre ganze Klasse eingeladen. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Ausstellung. Manchmal haben die Dozenten eine kleinere Gruppe ausgewählt, die etwas Spezielles für die Biennale ausgearbeitet haben. Andere wiederum haben bestehende Werke mitgebracht, die hier arrangiert werden.
Die Ausstellung „Academiae Art Students Biennial 2018 – Where Plato Taught. Teaching Art: Is it Art or is it a Fart?“ in der Festung Franzensfeste versammelt 15 internationale Akademien
2016 haben Sie mit großem Erfolg die 11. Ausgabe der Wanderbiennale Manifesta in Zürich kuratiert. Fällt Ihnen der Spagat zwischen Ihrer Arbeit als Künstler und Kurator leicht?
Mein Hintergrund ist Skulptur und Performance. Mich interessieren Systeme und soziale Beziehungen, das Zusammensein mit anderen Menschen. Deshalb ist dieser Übergang zwischen Künstler und Kurator für mich fließend. Ich finde es spannend, wie unterschiedliche Menschen auf die gleiche Situation reagieren und auf die gleichen Fragen antworten. Das zeigt alternative Wege auf. Es geht hier bei der Studentenbiennale auch nicht um Bewertungen und niemand bekommt am Ende einen Pokal. Sondern, es handelt sich um eine Art Koexistenz. Hier lernen sich die Leute kennen. Das interessiert mich auch in der Kunst, Situationen zu schaffen in denen man handeln und Entscheidungen treffen kann. Dafür gibt es auch keinen Slogan, sondern nur Fragestellungen. Im Zentrum stehen die einzelnen Werke der Künstler und da gibt es viel zu entdecken. Man kann beim Machen einer Ausstellung eine Menge lernen. Ich habe auch meine Studenten gefragt, bei wem sie gerne studieren würden, welche Klassen sie gerne kennenlernen würden? Meine Klasse hat mich also in vielen Prozessen begleitet und inspiriert. Das war ein Geben und Nehmen.
Ihre persönliche akademische Karriere lief nicht so glatt, wie man vermuten möchte. Welche Lehrmeister haben Sie geprägt?
Ohne Vorbilder geht es glaube ich gar nicht. Mein Professor in Hamburg hat mich garantiert sehr beeinflusst. Wenn ich in einer anderen Klasse gelandet wäre, hätte ich vielleicht ganz andere Kunst gemacht. Das ist immer auch eine Schicksalsfrage, so ein Leben: Wem begegnet man wann?
Es ist unglaublich toll, Künstler und Werke aus Israel, Moskau, Spanien, England hier zu sehen. Das so etwas hier, in so einem Tal, in dieser Festung stattfindet!
Wie würden Sie Ihre Art zu unterrichten beschreiben?
Ich versuche meine Studenten in Situationen rein zu schupsen. Ich glaube ohne Zumutungen, also das man jemanden etwas zumutet, gibt es auch keine Entwicklungsmöglichkeiten. Ich kenne das von mir. Ohne Deadline stelle ich nichts fertig. Gerade bei einem Kunstwerk kann man immer wieder etwas verändern. Es könnte immer auch anders sein und deshalb vertüdelt man sich auch leicht.
Und was halten Sie eigentlich von dieser Idee einer Studentenbiennale?
Die Academiae findet dieses Jahr bereits zum 2. Mal statt und als ich gefragt wurde, ob ich sie kuratieren möchte, habe ich sofort ja gesagt. Es ist unglaublich toll, Künstler und Werke aus Israel, Moskau, Spanien, England hier zu sehen. Das so etwas hier, in so einem Tal, in dieser Festung stattfindet! Der internationale Austausch ist nicht nur für die Beteiligten spannend. Auch die Besucher können die Einmaligkeit dieser Situation erleben. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Menschen wahrnehmen, was für eine Perle sie sich hier geangelt haben und es wertschätzen. Ich hoffe sie erkennen die Einmaligkeit dieses Konzepts. Die Studentenbiennale muss unbedingt weitergeführt werden.