Culture | Salto Afternoon
Dunkelrotes Dunkelblau
Foto: stefan wascher
Nach dem Eröffnungssong muss man erst einmal durchschnaufen. Auch wenn der Rest der CD leer wäre, allein diese ersten 6.49 Minuten würden den Kauf dieses Albums rechtfertigen.
„Freunde...(das Leben ist lebenswert)“ erzählt die Geschichte von Bedrich Löwy (später Fritz Löhner-Beda) dem Librettisten von Franz Lehar, der ob seiner jüdischen Herkunft in Dachau und Buchenwald interniert und in Auschwitz ermordet wurde.
Musikalisch tut Hubert von Goisern hier das, was ihn als Künstler ausmacht. Er verbindet Welten. Operette goes Hip Hop. Im Refrain ist der renommierte Wiener Opernstar Andreas Schager zu hören, und in den Strophen der Salzburger Rapper D.A.M.E. Dazwischen erzählt von Goisern eine Lebensgeschichte, von der man allein beim Hören eine Gänsehaut bekommt. Es ist ein Stück Zeitgeschichte, das dem Opportunismus der Künstler in totalitären Regimen nachspürt und das Vergessen und Verschweigen der Mordmaschinerie der Nazis thematisiert. Der Song sollte zum fixen Bestandteil im Schulunterricht werden. Zeitgemäßer kann man dieses dunkle Kapitel unsere Geschichte wohl kaum darstellen.
Ausgerechnet diesen Song zum Opener eines neuen Album zu machen, würde für jeden anderen Künstler einem kommerziellen Selbstmord gleichkommen. Dass es Hubert von Goisern tut, zeigt, dass diese Musiker weiß, was er tut und was er will. Denn „Zeiten & Zeichen“ ist eine politische Platte. Das kommt in den ersten drei Songs dieses Albums mehr als deutlich zum Ausdruck. „Sündern (Sinnerman)“ ist ein straighter Rocksong mit einem eindringlichen Text und „“Brauner Reiter“ ist Rammstein pur mit einem Text, der zeigt, dass Hubert von Goisern ein unverbesserlicher Optimist ist. Eine seiner Stärken dabei: Er operiert nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, er verkündet nicht und schreit nicht heraus. Hubert von Goisern liebt auch sprachlich die Zwischentöne. Und vor allem hat er Humor und Spaß.
Ganze 17 Lieder finden sich auf „Zeiten & Zeichen“. Sie sind ein Hörgang durch die Musikstile. Rock, Blues, Hip Hop, Techno, Chanson, Klassik, Volksmusik und Mariachi. Irgendwann fragt man sich, was ist auf diesem Album nicht zu hören?
Dass die gesamte CD trotzdem nicht zum geschmacklich undefinierbaren Fruchtsalat wird, zeigt, welche künstlerische Größe der in Salzburg lebende Musiker besitzt.
Portion Südtirol
Auf dem Album ist jenes Personal zu hören, mit dem Hubert von Goisern seit Jahren arbeitet. Alexander Pohn an den Drums, Helmut Schartlmüller am Bass und Severin Trogbacher an den Gitarren. Aufgenommen und mitproduziert wurde die Platte von Wolfgang „Spani“ Spannberger, der seit gut 30 Jahren mit Hubert von Goisern zusammenarbeitet.
Dazu kommen eine ganze Reihe von Gastmusikern wie das kongeniale Streicherduo Matthias Bartholomey/Klemens Bittmann, der Jazz-Bassist Georg Breinschmid oder der brasilianische Multiinstrumentalist Tonio Porto.
Auf „Zeiten & Zeichen“ ist aber auch eine ordentliche Portion Südtiroler Musik zu hören. Allen voran Alex Trebo. Der in Berlin lebende Gadertaler Musiker spielt alle Keyboards auf diesem Album. Er hat auch die Arrangements gemacht, einige Lieder zusammen mit Hubert von Goisern geschrieben und ist Mitproduzent des Albums.
Trebos Klavierspiel gibt diesem Album eine ganz besondere Note. Etwa in „Future Memories“ oder in „Glück ohne Ruh“. Mit „Jodler für Willi“ hat man etwas aufgenommen, was es bisher kaum gibt: Einen Jodler mit Klavierbegleitung.
Ebenso mit dabei auf diesem Album als Sängerin und Percussionistin ist die Gadertaler Musikerin Maria Moling. Moling, bereits vor Jahren mit Hubert von Goisern on tour, war danach einer der drei „Ganes“ und ist inzwischen mit ihrem eigenen Projekt (Me + Marie) unterwegs. Auch hier scheinen sich alte Freunde wieder gefunden zu haben.
Dazu sind als Gastmusiker aber noch zwei weitere bekannte Südtiroler Musiker zu hören. „Dunkelrot/Dunkelblau“ ist ein wunderschönes zweiteiliges Liebeslied, in dem die Zerrissenheit der Gefühle zu tragen kommt. In „Dunkelrot“ ist dabei die akustische Gitarre von Manuel Randi kaum zu überhören. Ebenso in „Quick, Quick, slow“, wo wie in „Eiweiß“ auch die unverwechselbare Diatonische von Herbert Pixner heraussticht.
Maria Moling und Alex Trebo sind auch Teil der Band, mit der Hubert von Goisern ab April 2021 „Zeichen & Zeiten“ live vorstellen wird. Im Dezember 2012 gastiert die Truppe in Meran. Ein Termin, den man sich jetzt schon vermerken sollte.
Please login to write a comment!
Ich weiß , daß ich mir jetzt
Ich weiß , daß ich mir jetzt wahrscheinlich viele Feinde machen werde, da die Leute ja jede Kritik persönlich nehmen, und normalweise hätte ich auch nichts geschrieben, da es nicht meine Art ist, die Arbeit von "Kollegen" öffentlich zu kritisieren, aber nach deinem euphorischen Loblied auf das letzte Werk des Austro-Pop-Stars aus Goisern, konnte ich nicht anders lieber Christoph. Also nicht böse sein, please!
Ich habe mir das Album aufmerksam angehört und kann deine Begeisterung leider nicht teilen. Ich hab dauernd auf das "fulminante" Element gewartet, aber da kam nix!
Es hört sich alles so an, als hätte der Liedermacher sich von jemandem zu einer Produktion verleiten lassen, die so gar nicht zu ihm passen will. - Ich gehe sogar so weit zu behaupten, daß diese Produktion seiner bodenständigen Poetik eher hinderlich ist.
Dies hängt aber nicht nur von der technisch mäßigen Abmischung ab, sondern vor allem vom Arrangement, welches den künstlerischen Ausdruck - in diesem Falle den Gesang und den Text - ja tragen und nach vorne bringen sollte. Das ist hier, meiner Meinung nach, nicht gelungen. Teilweise ist für die Stimme nämlich gar kein Platz mehr. Man hat zwar versucht, dies durch Kompression und Lautstärkenanhebung derselben zu kompensieren, allerdings nicht ohne Abstriche, den natürlichen Klang der Stimme betreffend, in Kauf zu nehmen.
Nun kommen wir zum künstlerischen Inhalt, zur "Substanz" wie man so schön sagt...
Von der gibt es unglücklicherweise nicht allzu viel. Musikalisch passiert eigentlich nichts, außer daß man versucht, mit Gewalt alle möglichen Stilmittel einzusetzen, um das Ganze interessanter zu machen; Aber so funktioniert's halt nicht ... zumindest nicht für mich! "Welten" werden hier nicht "verbunden" sondern lediglich zusammengeklebt, mit dem Ergebnis der teilweise gegenseitigen Auslöschung.
Diese Art von Crossover treibt übrigens nunmehr schon seit Jahren im deutschsprachigen Alpenraum sein Unwesen, und es wäre langsam an der Zeit, sich etwas neues einfallen zu lassen, finde ich.
Zum Beispiel eine ausgeklügelte Relation zwischen Text und Musik, oder Originalität im Arrangement mit Einsatz von weniger banalen Harmonien, Balance zwischen solistischer Intensität und dem Ensemblespiel u.v.m. - Die von Dir so gepriesene "künstlerische Größe" kann ich hier beileibe nicht erkennen!
Vielleicht ist ja mein Anspruch zu hoch, aber von einem Kaliber wie Hubert von Goisern hätte ich mir mehr erwartet.
Natürlich wird es den meisten Leuten sehr gefallen, dieses Album ... für mich ist es ein kompletter Fehlgriff ... vielleicht gerade deshalb.