Society | Palliativbetreuung

„In schweren Zeiten nicht allein“

Der Kinderpalliativ-Förderverein Momo unterstützt Kinder mit einer unheilbaren Erkrankung und deren Familien. Dass Kinder eine palliative Betreuung brauchen, ist vielen nicht bewusst, so Vorstandsvorsitzende Heidi Senoner. Es bedarf einer Sensibilisierung.
MOMO
Foto: privat
  • In Südtirol gibt es etwa 300 schwerkranke Kinder, von denen 45 bis 60 eine intensive Betreuung und palliative Pflege benötigen. Palliativbetreuung bedeutet eine ganzheitliche Versorgung von Menschen mit lebensbedrohlichen, unheilbaren und fortschreitenden Erkrankungen. Das Hauptziel besteht darin, ihre Beschwerden zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Dabei reicht die benötigte Unterstützung von gelegentlicher Hilfe bis hin zu intensiver Unterstützung in akuten Krisensituationen. Die Lebenserwartung der Kinder variiert stark – sie kann von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Jahren reichen. Viele dieser Familien leben eher zurückgezogen, da ein normaler Alltag für sie oft kaum vorstellbar ist. Die Pflege eines schwerkranken Kindes wird schnell zu einem 24-Stunden-Job, der das gesamte Familienleben bestimmt. 

  • Heidi Senoner, Vorstandsvorsitzende von Momo: „Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit versteht, wie schwierig die Situation für diese Familien ist und welche Unterstützung sie benötigen.“ Foto: privat

    Der Förderverein von Kinder-Palliativ in Südtirol „Momo“ hat sich zur Aufgabe gemacht, diese schwerkranken Kinder und Familien umfassend zu unterstützen. Gegründet wurde der Verein Ende November 2015, der Name ist inspiriert von Michael Endes Buchfigur. „Einem Mädchen, das den Menschen Freude bringt und ihnen ihre Zeit schenkt – genau das ist es, was wir mit unserer Arbeit erreichen möchten“, erklärt Heidi Senoner, Vorstandsvorsitzende von Momo. 

    Dabei wird vor allem eine finanzielle Hilfe geboten. So werden Hotelkosten und Fahrtspesen übernommen, wenn Familien in Krisensituationen besondere medizinische Hilfe außerhalb Südtirols in Anspruch nehmen müssen. Auch spezielle Therapien, wie Musik-, Tier- und Kunsttherapie, seien oft essenziell für das Wohlbefinden der Kinder und deren Familien. Deshalb sei es umso wichtiger, diese über unbürokratische Wege zu ermöglichen. Weiters finanziert Momo Physiotherapie zu Hause. Ein Budget von maximal 3.000 Euro pro Familie pro Jahr sei eingeplant, dies könne jedoch auch je nach Bedarf angepasst werden. Jeder Fall werde individuell besprochen, um sicherzustellen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird. 

     

    „Solche Anpassungen sind für die Lebensqualität der Kinder von immenser Bedeutung.“

     

    Besonders eindrucksvoll sind Geschichten von Kindern, die durch eine Unterstützung von Momo zu besonderen Erlebnissen gelangen. So konnte ein Kind, das in Palliativbetreuung ist, einen speziellen Rollstuhl erhalten, der es ermöglichte, im Schnee zu fahren oder an einem Fahrrad befestigt zu werden. „Dieser Rollstuhl hat dem Kind große Freude bereitet und den Eltern wertvolle Momente des Glücks geschenkt“, erinnert sich Senoner. „Solche Anpassungen sind für die Lebensqualität der Kinder von immenser Bedeutung.“ Die Kinderpalliativbetreuung unterscheidet sich deutlich von der Erwachsenenbetreuung, da sie oft bereits in der Schwangerschaft beginnt und bis zum 18. Lebensjahr andauern kann. Eine wachsende Herausforderung sei in diesem Zusammenhang die Betreuung junger Erwachsener, die Unterstützung über das 18. Lebensjahr hinaus benötigen. 

     

    „Nur in Krisensituationen kommen die Kinder ins Krankenhaus, ansonsten erfolgt die Pflege zu Hause“

  • Momo-Run 2023: Auch nächstes Jahr soll der Lauf erneut stattfinden, Menschen zusammenbringen und über die Kinderpalliativbetreuung aufklären. Foto: momo.bz.it
  • Für betroffene Familien bedeutet die Palliativbetreuung in der Regel, dass die kranken Kinder zuhause gepflegt werden. Diese Entscheidung stellt die Familien vor enorme Herausforderungen, da sie oft mit großen Ängsten, Sorgen und einem hohen Pflegeaufwand konfrontiert sind. „Nur in Krisensituationen kommen die Kinder ins Krankenhaus, ansonsten erfolgt die Pflege zu Hause“, so Senoner. 

    Das Kinder-Palliativ-Care-Team des Südtiroler Sanitätsbetriebes übernimmt dabei eine tragende Rolle. Sie übernehmen die fachkompetente Palliativversorgung zu Hause, das bedeutet die medizinische, pflegerische und psychosoziale Versorgung der Kinder und ihrer Eltern. „Ohne diese Unterstützung wäre es für viele Eltern kaum möglich, die Pflege zu Hause zu bewältigen“, betont Senoner. Für Momo ist die Zusammenarbeit mit dem Palliative-Care-Team eine wichtige Möglichkeit, um in einem geschützten und respektvollen Rahmen auf die Bedürfnisse der Familien reagieren zu können. 

  • Zentrale Ziele

    Haus der Familie Lichtenstein: Momo finanzierte für fünf Familien im Sommer 2024 einen Urlaub mit spezieller Betreuung. Foto: momo.bz.it

    Die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeiten und Bedürfnisse der Familien zu lenken, ist ein zentraler Bestandteil der Arbeit des Vereins. Die Kulturarbeit und Sensibilisierung der Gesellschaft für Kinderpalliativbetreuung und den extremen Herausforderungen, denen diese Familien gegenüberstehen, sind ein zentraler Fokus der Arbeit. Durch Veranstaltungen, Konzerte und Aktionen soll das Thema Kinderpalliativbetreuung in die Öffentlichkeit getragen und die Gesellschaft für die Bedürfnisse der betroffenen Familien sensibilisiert werden. Gleichzeitig bieten diese Veranstaltungen die Möglichkeit, die betroffenen Familien persönlich kennenzulernen und einen direkten Austausch mit ihnen zu haben. „Viele wissen nicht, dass auch Kinder palliativ betreut werden müssen“, so Senoner. 

    In diesem Rahmen hat der Verein den „Momo-Run“ ins Leben gerufen, eine Laufveranstaltung, die zwischen Mitte Mai und Mitte Juni in Bozen stattfindet. Senoner erklärt, dass der Lauf für die betroffenen Familien selbst und zur Sensibilisierung der Bevölkerung gedacht sei: „Die Organisation ist aufwendig und erfordert viele Sponsoren, aber es ist uns wichtig, die Sichtbarkeit zu erhöhen, die Bevölkerung zu informieren und einen Austausch mit den Familien zu haben.“

     

    „Es war eine wertvolle Zeit des Austauschs und der Unterstützung, die den Familien gezeigt hat, wie wichtig solche gemeinsamen Erlebnisse sind.“

     

    Dieses Jahr wurde erstmals eine Woche für betroffene Familien im Waldhaus des Bildungszentrums Haus der Familie in Lichtenstern am Ritten organisiert. Diese bot den fünf Familien eine geschützte Umgebung, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten war. „Es war eine wertvolle Zeit des Austausches und der Unterstützung, die den Familien gezeigt hat, wie wichtig solche gemeinsamen Erlebnisse sind“, berichtet Senoner. Eine Familie konnte ihr Kind das erste Mal unter alleiniger Betreuung des spezialisierten Personals vor Ort lassen und als Rest der Familie an einem Ausflug teilnehmen. „Das sind wirklich besondere Momente. Das eigene kranke Kind nicht bei sich zu haben, ist für viele sehr ungewohnt. Vertrauen und Angst spielen dabei eine große Rolle.“ Ein erneuter Aufenthalt sei für das nächste Jahr erneut geplant. 

    Zudem soll ein Interaktionsnachmittag dieses Jahr den betroffenen Familien die Gelegenheit geben, sich über verschiedene Angebote zu informieren und direkte Antworten zu erhalten. „Wir möchten den Eltern die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen und genau zu erfahren, welche finanzielle Unterstützung wir bieten können“, sagt Senoner. 

     

     „Die Familien schätzen es sehr zu sehen, dass ihre Kinder nicht vergessen werden.“

     

    Alle zwei Jahre organisiert Momo einen Gedenktag für alle verstorbenen Kinder der Palliativbetreuung in Südtirol. Zu dieser Veranstaltung sind die Familien eingeladen, um gemeinsam die Erinnerung an ihre verstorbenen Kinder zu wahren. „Für die Familien ist das kein einfacher Tag, aber sie schätzen es sehr zu sehen, dass ihre Kinder nicht vergessen werden und dass sie in dieser schweren Zeit nicht allein sind“, so Senoner. Dieser Gedenktag ist ein wichtiger Bestandteil der Trauerarbeit und gibt den Familien die Gelegenheit, ihre Trauer mit anderen zu teilen. 

  • Ein Gedenktag für die verstorbenen Kinder: Alle zwei Jahre findet dieser statt und bildet einen wichtigen Baustein in der Trauerarbeit der Familien. Foto: momo.bz.it

    Ein weiteres zentrales Anliegen ist der Bau eines Kinderpalliativzentrums in Südtirol, das bis 2026 in Tisens fertiggestellt werden soll. Dieses Zentrum soll eine Lücke in der Versorgung von Kindern mit schweren chronischen oder lebensverkürzenden Erkrankungen schließen. Es soll eine zentrale Anlaufstelle in Südtirol zur Unterstützung, Erholung und Versorgung der betroffenen Kinder und ihrer Familien außerhalb des Krankenhauses werden. Geplant sind fünf Wohneinheiten, eine Tagesklinik, Räume für Physio- und Ergotherapie und Mehrzweckräume. Sie stehen auch für Kunst- Mal- und Musiktherapie sowie Turnen zur Verfügung. Momo wird in diesem Zentrum u.a. die Reit-, Kunst- und Musiktherapie für die betroffenen Kinder und Jugendlichen finanzieren. „Es wird ein Ort sein, an dem die Familien zur Ruhe kommen können und die bestmögliche Betreuung für ihre Kinder erhalten“, informiert Senoner. 

     

    „Wir können den betroffenen Familien den Schmerz nicht nehmen, aber wir können sie begleiten, ihnen helfen und sie unterstützen.“

     

    Momo finanziert sich ausschließlich durch Spenden und betont die Wichtigkeit der Sensibilisierung des Themas der Kinderpalliativbetreuung vor allem auf Veranstaltungen. Der Verein bleibt engagiert, um die Lebensqualität schwerkranker Kinder und ihrer Familien zu verbessern und die Last, die auf ihnen liegt, gemeinsam zu tragen. Senoner abschließend: „Es ist uns ein großes Anliegen, dass unsere Arbeit in der Gesellschaft anerkannt wird, denn die Unterstützung, die wir bieten, ist für die betroffenen Familien lebenswichtig.“ Die Arbeit des Vereins würde weiterhin eine wesentliche Rolle dabei spielen, das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Kindern in Palliativpflege und ihrer Familien zu schärfen und ihnen die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen: „Wir können den betroffenen Familien den Schmerz nicht nehmen, aber wir können sie begleiten und ihnen helfen, diese schwere Zeit zu überstehen.“