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„Ich will hinter die Fassade schauen“

In der Ausstellung „Here I am“ ermöglicht der Fotograf Ludwig Thalheimer Flüchtlingen, ihren Blick auf unsere Welt zu zeigen. Ein Gespräch übers Hin- und Wegschauen.
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Foto: Salto.bz

salto.bz. Am kommenden Dienstag, den 6. Dezember, wird im Teatro Cristallo eine Fotoausstellung eröffnet, bei der Sie nicht Ihre Arbeiten ausstellen, sondern Motivator und Kurator waren. Was steht hinter dem Projekt „Here I am“?
Ludwig Thalheimer:  Allen voran mein Interesse an der Flüchtlingsthematik. Das hat eigentlich unmittelbar begonnen, als 2014 die ersten Flüchtlinge hier in Bozen angekommen sind. Ich hatte damals  sofort das Gefühl, das macht etwas mit unserer Gesellschaft, das ist ein wichtiges zeitgeschichtliches Ereignis. Und das wollte ich fotografisch dokumentieren. Deshalb habe ich mich unter anderem bemüht, in diese Aufnahmezentrum  oder Asylheime hineinzukommen, um dort zu fotografieren. Doch das hat sich als sehr schwierig erweisen.

Warum?
In das Erstaufnahmezentrum in der Ex-Gorio-Kaserne kommt man überhaupt nicht rein, das untersteht dem Staat, doch auch bei der Caritas habe ich Monate gebraucht, um schließlich in so ein Haus hineinzukommen.

Es braucht Monate, um von der Caritas eine Fotogenehmigung zu bekommen?
Ja, da gibt es einfach eine Abwehrhaltung und ein Misstrauen, die sicher auch mit dieser Politik der Ghettoisierung in Zusammenhang stehen. Doch irgendwann gab es dann doch so viel Vertrauen, dass man mich in das Bozner Haus Aaron/Schwelfelbad hineingelassen hat, das mit 130 Betten das größte Flüchtlingsheim ist. Auch dort konnte ich aber nicht einfach reinspazieren und Fotos zu machen. Um rechtlich in Ordnung zu sein, musste ich mit der Caritas einen Volontariatsvertrag abschließen. Der sah aber vor, dass ich dort ein Projekt mache. Und das einzige, das ich mir dafür vorstellen konnte, war mit den Menschen zu fotografieren.

Und so ist „Here I am“ entstanden?
Genau. Ich habe mir das dann als Projekt ausgedacht, weil mir ein  normaler Fotokurs nicht sinnvoll vorgekommen ist. Denn das Grundproblem ist in meinen Augen, dass die Leute da am Stadtrand geparkt werden, wo die Politik und sogar die Caritas-Spitze versucht, sie möglichst isoliert zu halten. Das verstehe ich bis heute nicht, man redet dauernd von Integration und dann sperrt man die Menschen in so eine abgekapselte Struktur ein. Das war für mich sofort klar, als ich dort zu fotografieren begonnen habe. Da trifft man vor allem auf Burschen zwischen 18 und 25 Jahren, im besten Saft, wie man sagt, und die sollen dort eineinhalb Jahre auf dem Bett liegen und an die Decke schauen oder Calcetto spielen, weil die Behandlung der Asylanträge so lange dauert. Das ist ja ein Wahnsinn.  Und deshalb war mein Impuls: Das geht nicht,  dass die immer nur im Haus rumsitzen, die müssen raus und in Kontakt treten mit der Bevölkerung, mit ihrer Umwelt.

"Auch meine Familie ist geflüchtet, mein Großvater und Vater sind aus Nazi-Deutschland geflohen. Ich habe erst  vor kurzem die Tagebücher meines Vaters gefunden und bin dabei, sie zu transkribieren. Und da finde ich viele Sachen, die fast 1:1 all dem gleichen, was heute passiert."

Sie haben dann im Laufe des Projekt rund 20 Flüchtlinge in vier Gruppen losgeschickt, um mit einfachen Kameras Fotos zu machen. Was kommt heraus, wenn diese Menschen den Blick bewusst auf unsere Welt richten?
Das war eben sehr interessant. Am Beginn hat jeder noch so ein bissl kreuz und quer fotografiert, und doch habe ich nach einer ersten Runde bei den meisten schon erkannt, dass sie auch etwas Besonderes beobachtet hatten. Der eine hat dann besonders oft Radwege fotografiert, eine andere Regale im Supermarkt, ein anderer Kinderspielplätze. Letztendlich haben wir dann für jeden ein Thema gefunden, das ihn besonders fasziniert hat und auf das haben sie sich dann konzentriert.  

Und was fasziniert jemand an Fahrradwegen oder Supermarktregalen?
Eben, solche Bilder würde mir hier niemand bei einem Fotoworkshop bringen. Doch den Mann aus Bangladesch, der die Fahrradwege fotografiert hat, faszinieren sie deshalb, weil sie besser sind als die tollsten Straßen bei ihm zu Hause, wie er mir erzählt hat.  Ähnlich wird es bei den Supermarktregalen sein. Wir bekommen ja selber gar nicht mit, wie viele  Auswahlmöglichkeiten wir hier haben, während anderswo vielleicht ein paar Säcke in einem Laden stehen oder zumindest gänzlich andere Produkte zu finden sind.

Das heißt, die Fotos, die nun im Cristallo zu sehen sind, ermöglichen uns  auch einen neuen Blick auf unser Leben?
Es ist ihr Blick auf unser Leben hier. Das hat mit ihnen zu tun, das hat mit uns zu tun. Man bekommt aber auch Dinge mit, die man gar nicht weiß. Da gibt es zum Beispiel eine Gruppe, die sich von dem Wenigen, das sie haben, die Monatsgebühr für ein Fitnesscenter abgespart hat, weil ihnen das Training extrem wichtig ist. Ein anderer Teilnehmer am Workshop hat seine Arbeit mit einem heimischen Künstler dokumentiert, ein weiterer hat alle Burgen und Schlösser in der Gegend von Bozen abgeradelt und fotografiert. Und dann gab es zum Beispiel einen Afghanen, der wollte unbedingt Blumen fotografieren. Nur war es blöderweise Winter.

Und dann?
Weil er nicht aufgehört hat, von den Blumen zu sprechen, habe ich schließlich die Martina Schullian gefragt, ob er bei ihr in der Gärnterei fotografieren darf.  Dann hat er seine Fotos dort gemacht. Mich hat das sehr berührt, dass jemand unter unvorstellbaren Bedingungen zu uns kommt, alles Mögliche mitgemacht hat, und dann Blumen fotografieren will. Das heißt, er hat sich trotz allem eine Poesie, einen Sinn für Schönheit bewahrt. Und das finde ich etwas Wunderbares.

 

Was hat dieses Fotografieren mit den Menschen gemacht, also wie haben Sie sie im Laufe des Workshops erlebt?
Ich habe es oft gar nicht fassen können, wie dankbar sie waren. Einer hat zum Beispiel gesagt, ich habe mit diesem Projekt sein Leben verändert. Ich habe das nicht einmal verstanden, bis mir erst später bewusst geworden ist, dass es einfach um das Gefühl geht, dass sich jemand für dich interessiert, dass dieser Akt der Aufmerksamkeit wichtig ist. Als Flüchtling wirst du als eine von tausenden Nummern registriert, zu Terminen auf Ämter zitiert, die dann wieder platzen, wo es heißt: „Heute doch nicht, kommen Sie nächste Woche wieder“. Man wird also eigentlich auf verschiedene Art niedergemacht, und umso stärker wirkt es, wenn dann plötzlich jemand da ist, der dich ernst nimmt, dich fördert und motiviert. Ich habe sie auch wirklich intensiv versucht anzustacheln, weil ich habe gewusst: Die Alternative ist, wieder im Heim zu liegen und an die Decke zu schauen.

Wie haben Sie sie angestachelt?
Da gab es beispielsweise anfangs einen jungen Mann, der hat das Ganze ziemlich kritisch hinterfragt: Was für einen Sinn soll das haben, was wäre meine Absicht, wollte er wissen. Ich habe ihm dann geantwortet, dass es schon Sinn habe, wenn er aus dem Haus geht, wenn er sich nur visuell mit dem auseinandersetzt, was es da rund um ihn gibt. Denn das heißt, dass er bewusst schaut, und indem wir die Sachen betrachten, muss man auch darüber nachdenken, das weckt auch unsere Reflexion.

Fotografieren auch Sie deshalb bis heute?
Ja, für mich sind Fotos vor allem ein Ausdrucksmittel, eine Möglichkeit, Botschaften zu transportieren.

"Mich hat das sehr berührt, dass jemand unter unvorstellbaren Bedingungen zu uns kommt, alles Mögliche mitgemacht hat, und dann Blumen fotografieren will. Das heißt, er hat sich trotz allem eine Poesie, einen Sinn für Schönheit bewahrt. Und das finde ich etwas Wunderbares."

Als ich mich durch Ihre Homepage geklickt habt, ist mir das Stichwort „Am Rand“ gekommen. Sind das die Themen, die Sie antreiben? Soziale Randgruppen, Menschen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen?
Mich interessieren vor allem Menschen und ihre Geschichten. Also, ich habe auch Architektur und alles mögliche andere fotografiert, aber meine Leidenschaft sind soziale Themen und Lebensgeschichten.

Lebensgeschichten, die auch in einer Serie von mittlerweile über 700 Porträts herausblitzen, die Sie gemacht haben...
Ja, diese Gesichter erzählen auch viel. Ich fotografiere die Menschen nur auf der Straße, in verschiedenen Städten Europas. Das ist auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, was Schönheit ist. Und was mich dabei traurig macht ist, welch geringes Selbstwertgefühl in unserer Gesellschaft generell vorherrscht. Ich spreche die Menschen für diese Porträts ja einfach an, also frage, ob ich sie fotografieren kann. Und um auf 700 Porträts zu kommen, habe ich sicher schon an die 7000 Menschen angesprochen. Und wirklich 99 Prozent von ihnen sagen dann: Ich bin nicht schön, ich bin nicht fotogen.

Und Sie überzeugen sie vom Gegenteil?
Mich interessieren nicht die Schönen unter Anführungszeichen, sondern jene, die ich schön finde. Das Interessante ist, was das mit Menschen macht. Es hat da extrem berührende Situationen gegeben, Menschen, die mir ihre ganze Lebensgeschichte erzählt haben, Menschen, die mir im Nachhinein um den Hals gefallen sind und mich abgebusselt haben oder mit einer ganz anderen Körperhaltung wieder weitergehen. Es ist oft so, als würde man diese Leute wieder aufrichten, wie wenn man einer Pflanze Wasser gibt und sie blüht wieder auf. Gerade in den großen Städten ist das besonders interessant. Da sind die Leute am Anfang oft sehr misstrauisch, aber wenn sie sich dann auf ein Gespräch einlassen, haben sie vielleicht das erste Mal seit langem jemanden, der ihnen zuhört. Und dann kommen die Geschichten.

Und diese Geschichten interessieren Sie?
Mich interessiert alles, wo es menschelt, ich will hinter die Fassade schauen.

Oder Menschen das Gefühl geben, gesehen zu werden, sie sichtbar machen?
Es geht darum, ihnen diesen Augenblick Aufmerksamkeit zu schenken. Den verdienen sie sich, alle Menschen verdienen eine solche Aufmerksamkeit. Also, das ist jetzt vielleicht ein humanistischer Gedanke...

... doch der Humanismus treibt Sie ja offensichtlich...
...ja, der treibt mich. Das hat glaube ich auch mit meiner Familiengeschichte zu tun. Auch meine Familie ist geflüchtet, mein Großvater und Vater sind aus Nazi-Deutschland geflohen. Ich habe erst  vor kurzem die Tagebücher meines Vaters gefunden und bin dabei, sie zu transkribieren. Und da finde ich viele Sachen, die fast 1:1 all dem gleichen, was heute passiert.

Was zum Beispiel?
Einen Ort zu suchen, wo man in Sicherheit ist, wo hinwollen, wo man nicht hinkommt....Mein Vater wurde schon mit 13 Jahren ganz allein und ohne ein Wort Italienisch zu beherrschen von München nach Florenz gebracht, damit er in Sicherheit ist. Mein Großvater, der wie mein Vater Arzt war, hatte schon damals Berufsverbot. Er kam dann auch nach Dachau, wo er gerade noch rechtzeitig rausgekommen ist, um nach Italien zu flüchten. Auch hier wurde er wieder verhaftet und fast erschossen, dann sind sie weiter in die Schweiz. Eigentlich wollten sie in die USA, aber das hat nicht geklappt. 

Waren diese Geschichten in Ihrer Kindheit präsent?
Ja, aber vor allem war eine menschliche Haltung präsent. Was ich an meinem Vater sehr geschätzt habe, war, dass er nie hasserfüllt oder nachtragend war, obwohl er alle Gründe dafür gehabt hätte. Statt dessen war er sehr sozial eingestellt. Er hat uns das vor seinem Tod auch noch mal mitgegeben: Immer an die Armen und Schwachen denken. Ich glaube, weil er eben selbst Leid und Verfolgung erfahren hat und geschätzt hat, wie ihm geholfen wurde.

 

Auch Sie haben zuerst kurz Medizin, dann aber Architektur studiert. Warum ist es letztendlich doch die Fotografie geworden?
Das hat sich so ergeben. Ich habe in meinem Leben nur ein paar Monate in einem Architektenbüro gearbeitet. Doch dann habe ich gemeinsam mit einem Freund das Büro Lupe gegründet, und der Rest hat sich so ergeben. Die Fotografie hat mich aber schon begleitet, seit ich sieben Jahre alt war.  Und interessanterweise habe ich noch Fotos von Obdachlosen, die ich glaube ich so im Alter von zehn oder zwölf Jahren gemacht habe. Die sind damals immer rund um den Ententeich hinter der Talferbrücke gewesen, und da bin ich als Bub hin, um mit ihnen zu reden und sie zu fotografieren.

Sprechen Sie immer mit den Menschen, die Sie fotografieren?
Sicher, ich gehe nicht hin und raube einfach nur Fotos. Das wirkt sich auch auf das Bild aus, diese Vertrautheit, die durch einen persönlichen Kontakt entsteht.

Wie finanziert man eigentlich ein Leben mit solchen Projekten? Allein in das Caritas-Projekt haben Sie hunderte unbezahlte Stunden gesteckt...
Mein finanzielles Standbein ist eigentlich mein Grafikstudio, und ich habe zu einer Haltung gefunden, in der es nicht mehr wichtig ist, immer mehr und mehr zu haben. Also ich versuche, irgendwie die Existenzgrundlage zu sichern und suche keinen Luxus. Denn so kann ich das machen, was mir Genugtuung bereitet und wichtig vorkommt.

Sie sind in Bozen aufgewachsen, haben die Stadt seit jeher mit der Kamera erforscht. Was macht die Präsenz von immer mehr Menschen aus anderen Kulturen mit der Stadt?
Ich finde, es tut ihr nur gut, wir können ja nicht ewig auf dieser abgeschlossenen Insel leben. Ich habe immer extrem unter der Provinzialität der Stadt gelitten, deshalb muss ich seit jeher immer wieder in die Welt hinaus und reisen.  Doch zu ärgern gibt es auch heute noch genug. Zum Bespiel bei der Geschichte mit dem Hotspot vor dem Museion. Ich habe mein Büro direkt daneben und habe das total schön gefunden, dass die Menschen hier die Möglichkeit hatten, mit ihrer Familie und Freunden zu Hause und in aller Welt zu kommunizieren. Ich wollte ihnen gerade eine Bank vor meinem Schaufenster bauen, als dann die Nachricht kam, dass der Hotspot abgedreht wird. Das war einfach so was von engstirnig, und zwar gerade von einer Kultureinrichtung wie dem Museion.  Die müssten eigentlich den Leute beibringen, was wichtig ist und den Horizont erweitern. Und dann macht man so was, weil es angeblich geheißen hat, von der Bar bleiben Kunden weg.

"Das Grundproblem ist in meinen Augen, dass die Leute da am Stadtrand geparkt werden, wo die Politik und sogar die Caritas-Spitze versucht, sie möglichst isoliert zu halten. Das verstehe ich bis heute nicht, man redet dauernd von Integration und dann sperrt man die Menschen in so eine abgekapselte Struktur ein."

Ist das typisch für Bozen, typisch für Südtirol?
Ich glaube, das ist etwas, das nicht nur Südtirol betrifft. Vieles hat auch einfach mit dem Mangel an eigenen Erfahrungen zu tun. Auch in Deutschland sieht man beispielsweise, dass es dort am meisten Rassismus und Fremdenhass gibt, wo am wenigsten Migranten wohnen. Ich habe diese Erfahrungen nun auch hier schon so oft gemacht, wenn ich Flüchtlinge mit Leuten von hier zusammengebracht habe und ihnen Jobs besorgt habe. Zunächst gibt es manchmal eine Abwehrhaltung von Seiten der Bevölkerung oder des jeweiligen Arbeitgebers. Doch in dem Moment, in dem sie dann mit dem Burschen zu tun gehabt haben, war plötzlich alles super und sie wollten keinen anderen mehr. Man muss die Menschen zusammenbringen, dann geht’s – das sieht man auch in jedem Dorf. Wenn einmal die Abwehrhaltung überwunden ist und die diffusen Ängste, die von den Populisten geschürt werden, dann sind das ja IHRE Flüchtlinge.

Also macht das Phänomen unsere Gesellschaft letztendlich doch offener?
Ich weiß es nicht. Auf der einen Seite gibt es wirklich sehr viele Freiwillige, die überall helfen, von Binario 1 angefangen bis hin zur evangelischen Kirche. Ich sage bewusst evangelisch, denn von der  katholischen Kirche bin ich auch enttäuscht. Da gibt es zwar den Papst als obersten Hirten, der sagt, jede Pfarrei sollte eine Familie aufnehmen. Doch ich habe mich dann mal erkundigt, und ich glaube von rund 280 Pfarreien in Südtirol haben gerade einmal 15 Flüchtlinge aufgenommen. Ich finde generell, dass das System so nicht funktionieren kann, dass sich die Politik darauf verlässt, dass die Freiwilligen sich schon kümmern. Viele von ihnen sind am Ende ihrer Kräfte. Es ist auch belastend und frustrierend, wenn sie jeden Abend im Bahnhofspark schauen müssen, wie sie in letzter Sekunde jemanden noch irgendwo privat unterbringen.

Als wie frustrierend haben Sie die Situation im Haus Aaron erlebt, als Sie dort fotografiert haben? Immerhin hört man von dort immer wieder von  Problemen und Schlägereien.
Wenn man von uns 130 Leute für zwei Jahre in einem Haus auf engem Raum unterbringt, mit so wenigen Betreuern, käme es auch zu Auseinandersetzungen und Spannungen. Unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, da geht es eben um mangelnde Perspektive und Hoffnung. In der langen Zeit meiner Präsenz im Haus Aaron ist mir auch zu Ohren gekommen, dass die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter nicht die besten sind. Viele von ihnen haben nur auf wenige Monate befristete Arbeitsverträge und ich habe generell den Eindruck, dass sie mit ihren Problemen oft allein gelassen werden. Wie soll jemand gut arbeiten, der selber Angst hat, dass er morgen seinen Job los ist - noch dazu in so einer schwierigen Situation?  Denn die Mitarbeiter kriegen natürlich die ganzen Spannungen ab. Viele Insassen sind wirklich frustriert, weil sie zum x-ten Mal ihre Papiere einreichen, einen negativen Bescheid bekommen und Rekurs machen müssen, sich für Jobs vorstellen gehen und hören: Wir stellen keine Neger ein. Man muss sich nur einmal vorstellen, wie wir in einer solchen Situation reagieren würden.

Bleibt zu hoffen, dass „Here I am“ zumindest ein wenig dazu beitragen kann, auch einmal Perspektiven zu wechseln...
Ja, auch wenn auch dabei wieder eine Chance vergeben wurde. Ich habe der Caritas vorgeschlagen, dass wir zur Eröffnung ein Buffet manchen, das die Flüchtlinge selber bereitstellen. Da gab es dann Einwände, weil es hieß, das geht nicht wegen Lebensmittelhygiene-Bestimmungen. Dann habe ich stattdessen die Köche von „Book a Cook“ vorgeschlagen, also der Initiative, die von der Journalistin Isabelle Hansen mit Flüchtlingen ins Leben gerufen wurde. Und auch da hieß es dann, es wäre dafür kein Geld vorhanden, und selbst als ich gesagt habe, ich übernehme die Kosten, wurde das mit irgendwelchen Begründungen wieder verhindert. Nun gibt es halt ein ganz normales Buffet und das finde ich sehr schade. Denn das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, viele Boznern einmal etwas aus Bangladesch, Senegal, Pakistan oder woher auch immer aufzutischen.

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pri pru Wed, 12/07/2016 - 00:04

Eine echt sehenswerte Ausstellung! Blickwinkel der Anderen! Andere Perspektive. In Ruhe auf sich wirken zu lassen. Jede von uns ist irgendwannmal im Leben Flüchtling: raus aus dem Land, wieder rein ins Landl, in die Familie, raus aus der Gruppe. Frau weiß nie, wie es kommen kann. Und dann sieht man alles anders, eben aus der anderen Perspektive.... Ist im Foyer, daher wohl fast immer zugänglich. Im Teatro Cristallo. Tolles Projekt, Ludwig. Bravo FotografInnen!

Wed, 12/07/2016 - 00:04 Permalink