Society | Europa

“Populismus mit Verfallsdatum”

In Südtirol wird er mit der Lega regieren. Anderswo erneuert Arno Kompatscher sein Bekenntnis zu Europa – und meint: “Wir werden die Populisten in die Defensive bringen.”
Arno Kompatscher
Foto: LPA/rc

Es ist ein Spagat, den hinzubekommen für Landeshauptmann Arno Kompatscher dieser Tage nicht einfach ist. In Bozen muss er sich der Mehrheit in seiner Partei beugen und versuchen, ein Regierungsabkommen mit der Lega auf die Beine zu stellen, während außerhalb der Landesgrenzen von ihm erwartet wird, zu weltpolitischen Fragen zu sprechen – und dabei gegen “Protektionismus, Populismus und Provokationen” Stellung zu beziehen. Unter diesem Titel fanden zwischen 29. November und 1. Dezember am Arlberg der 12. Europäischen Mediengipfel statt.

“Populismus, Protektionismus und Provokationen bestimmen zunehmend die Politik in Europa. Sie sind hilflose und gefährliche Versuche, Antworten auf die Herausforderungen in einer komplexen Welt zu finden. Die Folge: der Westen und seine Werte drohen zu zerfallen.” (aus dem Programm des Mediengipfels)

Über die politischen Gefahren und Chancen für Europa diskutierten namhafte Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien drei Tage lang. Den Auftakt machte Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung mit einer flammenden Rede, in der er von Europa als “ein welthistorisches Friedensprojekt” sprach, das er nun von der “Demokratie- und Verfassungsverachtung der Straches, Gaulands und Salvinis, der Trumps – und wie sie alle heißen” bedroht sieht. “Europa steht auf dem Spiel”, so Prantl drastisch. “Wer, wie dies die Extremisten tun, die Feinderklärung in die Demokratie trägt, wer dem Volk das ‘Anti-Volk’ als Feind gegenüber stellt, wer behauptet, das Monopol der authentischen Repräsentation zu haben, wer für sich allein die Führerschaft beansprucht und sich anmaßt, die alleinige Stimme des Volkes zu sein, wer ein moralisches Monopol für sich behauptet und damit Grundrechte und Grundwerte aushebeln will – der ist ein Feind der Demokratie.”

24 Stunden später war Arno Kompatscher am Arlberg am Zug. Um 17 Uhr betrat der Landeshauptmann am Freitag (30. November) das Podium, um mit der Tiroler Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann, dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner und der (Südtiroler) Chefredakteurin des österreichischen Wochenmagazins “News”, Esther Mitterstieler anlässlich der bevorstehenden EU-Wahlen im Mai 2019 über die Zukunft Europas zu debattieren. Kompatscher legte, wie man es von ihm erwarten konnte, ein unmissverständliches Bekenntnis zu Europa ab: “Ich bin überzeugt, dass die europäische Idee weiterhin Bestand hat und die EU und ihre Institutionen in zehn Jahren gestärkt dastehen werden.”

“Dieser Populismus hat ein Verfallsdatum”, so Kompatscher weiter. “Ich bin sicher, dass es uns gelingen wird, die Jugend noch mehr für den europäischen Gedanken zu begeistern, und die Populisten in die Defensive zu bringen.” Dass er als Landeshauptmann dabei ist, einige Vertreter just dieser Populisten in Südtirol in die Regierung zu bringen – das Dilemma und den Erklärungsbedarf für den Landeshauptmann, “vor allem auch nach außen hin”, zeigt unter anderem Hans Heiss im salto-Gespräch auf –, sprach Kompatscher nicht an.

Sehr wohl aber kritisierte er die 5-Sterne-Lega-Regierung in Rom. Das Beharren auf einen Staatshaushalt, der von der EU-Kommission nicht akzeptiert wird, sei “nicht sinnvoll”, weder gegenüber der EU noch gegenüber den Bürgern Italiens selbst, so Kompatscher – und merkte ein grundlegendes Problem an, das er in Europa sieht: “Es gibt keine europäische Regierung, sondern eine Regierung der Mitgliedstaaten. Es geht heute bei einem Gipfel im Ministerrat nicht mehr um tragfähige Kompromisse, sondern darum, wer hat sich durchgesetzt. Ein Kompromiss wird mittlerweile als Niederlage kommuniziert. So kann Europa nicht mehr funktionieren. Europa ist etwas Gemeinsames. Und es braucht wieder mehr Mut, das aufzuzeigen. Es wird für die meisten Probleme keine Lösungen auf nationalstaatlicher Ebene geben.”

Sprachs, und kehrte nach Südtirol zurück, wo am Samstag Vormittag in Bozen das Treffen mit den Lega-Vertretern auf der Agenda des Landeshauptmannes stand. Während am Arlberg die Debatte weiterlief – etwa über die Frage: “Wie wird sich das Erstarken nationalistischer und populistischer Kräfte auswirken?” Eine Auswirkung kann man dieser Tage in Südtirol beobachten: Hier wird eine solche Kraft in die Landesregierung geholt.