Society | Aus dem Blog von Roland Kofler

Wie ich den 30. Chaos Computer Congress besuchte

Hacker dringen nicht nur in Computer ein und beschaffen sich Informationen. Für die Mitglieder der Chaos Computer Clubs bedeutet “hacken” die Funktionalität von elektronischen Geräten zu untersuchen und dieses Wissen auf kreativer Weise am Gerät einzusetzen. Hacken ist ein Lebensstil, der die Kontrolle über die Technik anstrebt. Wenn Otto Normalbenutzer die Bedienanleitung seines Videorekorders studierte, schraubte der Hacker schon das Panel ab um die Elektronik zu studieren. Diese Haltung zur Technik wird vielleicht nirgends so ausgelebt wie am jährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs.

 

Der Chaos Computer Club ist in den frühen achtziger Jahren mit der Personal Computing Revolution entstanden. Mikroprozessoren waren plötzlich so preiswert, dass sie für den Hobbyisten leistbar wurden. Kein Wunder das auch im technikaffinen Deutschland sich Elektroniker und Programmierer zusammenfanden, Schaltpläne und Programme austauschten und sich zu einem Verein zusammenschlossen. 1981 in Berlin gegründet war der CCC immer auch politisch, aktivistisch und setzt sich traditionell für Datenschutz und Informationsfreiheit ein.

Alle Jahre wieder treffen sich die Bastler und Aktivisten, die Hacker und Cracker beim Chaos Computer Congress um Ideen auszutauschen und die wichtigsten Jahresereignisse aufzuarbeiten. Und das war diesmal der “Summer of Snowden”.

Am 27. Dezember um 11h stehe ich Schlange an der Rezeption des Congress Center Hamburg. Das Kongresszentrum ist riesig und befindet sich unter dem Radisson Hotel Hamburg. Deswegen wirken die Innenräume auch sehr amerikanisch: riesige Foyers und Säle, alle mit dunklen Teppichböden überzogen.

Nach dem Checkin begebe ich mich in den Hackerspace. Hier sitzen alle Hackerclubs von Kiel bis Wien, von Paris bis Warschau, und haben schon verschiedene Bastelarbeiten ausgestellt: 3D Printer in Eigenbau, Elektronikschmuck, vollautomatische Popcornkanonen, Blinkenlights, Flip-Dot Displays.

Im zweiten Stock befinden sich mehre Austeller, wie die amerikanische Electronic Frontier Foundation, eine Bürgerrechtsorganisation für das Internet oder der Verein Informatiker für der Frieden. Es gibt keine Sponsoren für die Konferenz, dafür einen Bereich wo man sich als freiwilliger Mithelfer registrieren lassen kann.

Summer of Snowden. Diesen Begriff prägt Jacob Applebaum ein Security Researcher der neben Glen Greenwald, der Guardian Journalist der Snowdens Dokumente erstmalig veröffentlichte, ein bisschen der Star auf der Konferenz ist. Applebaum ist der Entwickler von TOR, ein Anonymisierdienst, den die Medien dramatisch zum “Darknet” umgetauft haben. Dieser Applebaum warnt schon seit Jahren vor den Überwachungsexzessen des US-Internetgeheimdienstes NSA: dass diese NSA alle unsere Internet-Daten  und Telefonverbindungsdaten abrufbereite speichert, dass sie Hardwarehersteller zwingt Hintertüren in ihre Geräte einzubauen, dass sie Standardisierungsorganisationen dazu bringt fehlerhafte Verschlüsselungsverfahren zum Standard zu erheben.

Da Applebaum von der amerikanischen Bundespolizei immer wieder festgehalten und stundenlang verhört wird, hat er sich entschlossen nach Berlin zu ziehen. Ich werde im laufe der Konferenz erfahren, dass Laura Poitras, die Snowden in Hongkong gefilmt hat und Sarah Harrison die Wikileak Mitarbeiterin welche die Flucht für Snowden nach Russland organisiert hat nun in Berlin leben. Wenn früher Paris die Stadt der arabischen und asiatischen Dissidenten war, so scheint diese Rolle in dem beklemmenden Machtmissbrauchsdrama der Geheimdienste nun Berlin zugefallen sein. Bemerkenswert wenn man bedenkt dass die US-Militärpräsenz in Deutschland nach wie vor gegeben ist, bemerkenswert auch wenn man erlebt hat wie duckmäuserisch die alte und neue Deutsche Regierung mit der Verletzung der Privatsphäre von Volk, Unternehmen und Spitzenpolitiker umgegangen ist. Bei einem Vortrag des Europaparlamentarier Jan Albrecht lerne ich, dass in der EU die Unversehrtheit der Privatsphäre ein Menschenrecht ist. Anders als in Amerika hat jeder Mensch auf EU-Territorium ein Recht darauf, auch wenn dieser nicht ein Staatsbürger der Union ist. Der grauslige Zynismus eines Barack Obama “kein Amerikaner auf US-Boden wird ausspioniert” ist hier also nicht möglich. Jan Albrecht warnt aber davor dass das Transatlantische Freihandelsabkommen das gerade in Verhandlung steht diese Rechte zu Gunsten von Wettbewerbsgleichheit und Investitionschutz stark einschränken könnte.

Neben den politischen Themen interessieren mich besonders die Vorträge über Kryptographie. Die modernen asymmetrischen Verfahren erlauben neben der Geheimhaltung auch die Digitale Unterschrift und Identitätsfeststellung von Parteien im Datenverkehr. Das Prinzip einer asymetrischen Verschlüsselung ist die Unumkehrbarkeit gewisser Rechenoperationen sollange man einen Zahlencode nicht kennt. Diesen Zahlen-Schlüssel zu erraten ist normalerweise so gut wie unmöglich. Die Sicherheitsexperten zeigen wie es manchmal doch geht. Oft ist eine Konfiguration des Rechners schuld. Kryptographie ist nicht nur in  der Theorie kompliziert sondern auch in der Anwendung, was zu folgendem Witzchen führte: https://www.youtube.com/watch?v=Blj5XeODUBk&feature=youtu.be&t=9m40s

Der Chaos Computer Club, ich bin froh das es ihn gibt.