Politics | nachhaltige Entwicklung in Bozen

Wohin geht unsere Stadt?

„Höchste Leerstandsrate – Tendenz steigend“ - Ergebnis einer aktuellen Studie über die laufende Schließung von Geschäften in der Innenstadt aufgrund von Einkaufszentren.
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Wohin geht unsere Stadt?

„Höchste Leerstandsrate – Tendenz steigend“. So lautet das erdrückende Ergebnis einer aktuellen Studie über das Ortszentrum von Wels. In der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs mit 60.000 Einwohnern befinden sich nur noch 20% aller Handelsflächen in der Innenstadt, aber das ist nur ein Beispiel von vielen. Nach dem Domino Prinzip ist in vielen Städten und Dörfern ein Absterben des Zentrums inzwischen zur Realität geworden. Im Kulturmontag vom 1.02.2016 wurde darüber berichtet. Die Initiative „Unsere Stadt“ beobachtet mit Sorge auch in Bozen die laufende Schließung von Geschäften im näheren Umkreis des Zentrums.

Bozen verfügt bereits heute über mehr pro-Kopf-Handelsfläche als alle vergleichbaren Städte der Umgebung und übertrifft Innsbruck, Salzburg und München. Dabei sind die kürzlich neu entstandenen Flächen des Landes-Einkaufszentrums Twenty und die geplanten Erweiterungen oder Neuerrichtung weiterer Einkaufsareale gar nicht berücksichtigt.

Es entsteht eine gefährliche Situation, deren Auswirkungen nicht nur die Stadt, sondern genauso die Gemeinden und Dörfer der Umgebung treffen können.

Durch eine unverhältnismäßige Präsenz großer Einkaufszentren werden nicht nur dem innerstädtischen Einzelhandel große, oft überlebenswichtige Ressourcen entzogen, sondern auch den Ortschaften der näheren Umgebung, die zu Schlafdörfern degradiert werden. Dazu gibt es bereits mehrere Beispiele wie etwa in der Umgebung von Innsbruck, wo Orte wie Imst und Thaur wie ausgestorben sind. Die öffentliche Hand versucht nun mit teuren Investitionen das „verschwundene“ Leben zurückzubringen.In vielen kleinen oder mittleren Städten haben die großen Einkaufsmagneten zu einer Zerstörung langer gewachsener, kleinteiliger Handelsstrukturen geführt, zu einer Herabstufung der Attraktivität und Lebendigkeit ganzer Stadtviertel und zur Degradierung der Peripherie zu reinen „Schlafstätten“.

Mit zunehmender Intensität sehen sich Städte dem Druck finanzstarker Investoren ausgesetzt, dem sie sich kaum mehr erwehren können. Jene Städte die bis vor kurzem noch relativ unbeschadet geblieben sind, geraten nun ebenfalls ins Visier groß angelegter Spekulation. Dazu gehört jetzt auch die Stadt Bozen. Was anderenorts schon negative Konsequenzen mit sich gebracht hat, steht nun startbereit vor den Toren der Stadt. Diese Situation ist mit einem Belagerungszustand vergangener Jahrhunderte vergleichbar. Heute gerät die Stadt in den Würgegriff mächtiger und bestens ausgestatteter Akteure, die gleichermaßen subtil wie aggressiv mit großen Versprechungen und Angeboten agieren und dabei Politik und Öffentlichkeit in die Irre führen.

Bozen präsentiert sich heute noch als lebendige und attraktive Stadt mit einer eigenen Identität, die ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Heimatgefühl verschafft. Ein Verlust dieser Identität wäre ein großer wirtschaftlicher Schaden für die Stadt und das Land Südtirol.

„Unsere Stadt / Città Nostra“, eine unabhängige Gruppe von Bozner Bürgerinnen und Bürgern, denen die Lebensqualität und die zukünftige Entwicklung der Stadt ein persönliches Anliegen ist, organisiert einen Informationsabend zu diesem wichtigen Thema. Die Referenten werden über offene, ungeklärte Fragen in diesem Zusammenhang sprechen, Erfahrungen und Konzepte vorstellen, wie eine zukunftsfähige Stadtplanung abseits von Spekulation aussehen kann. Wichtige Punkte dabei sind der verantwortliche Umgang mit Ressourcen und öffentlichem Gut. Jede Gemeinde im Umfeld von Bozen kann von den ungünstigen Auswirkungen betroffen sein und sollte sich ernsthafte Gedanken darüber machen.

Giuseppe Germani, Bürgermeister der Stadt Orvieto, ist Teil der „Slow City“ – Bewegung, die sich 1999 aus dem erfolgreichen „Slow Food“ – Konzept entwickelt hat. Eine „Slow City“ versucht die Ortsstrukturen etwa aus dem Mittelalter oder der Renaissance zu erhalten, jedoch gleichzeitig modernste wissenschaftliche Erkenntnisse der Ökologie und Nachhaltigkeitsforschung einzubeziehen. In seinem Vortrag wird er über „Slow city“ sprechen, über Erfahrungen und Perspektiven einer alternativen Stadtentwicklung.

Barbara Hammerl spricht über Erfahrungen mit dem Stadtlabor in Graz und Gerardo De Luzenberger, Experte über partizipative Planungsprozesse, zeigt Beispiele von Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung in italienischen und europäischen Städten.