Gesundheit ist keine Ware
Daher ist die Gesundheitspolitik auch eine Angelegenheit, die mit politischen oder ideologischen Entscheidungen zu tun hat.
Die Politik entscheidet über das Angebot an öffentlichen Leistungen und über deren Finanzierung. Dies ist sicherlich notwendig, denn besonders in schwierigen Zeiten sind überlastete Krankenhäuser, fehlendes Personal und medizinische Geräte ein Risiko für die Gesundheit des Einzelnen, aber auch ein Problem für die Gesellschaft. Dabei müssen wirtschaftliche Aspekte zweitrangig sein.
So sind in den letzten zwei Jahren die Gesundheits- und die Wirtschaftskrise Hand in Hand gegangen. Die Pandemie hat die Wirtschaft in eine starke Rezession gestürzt. Wäre das öffentliche Gesundheitssystem in dieser Situation zusammengebrochen, hätte sich die Rezession zu einer unaufhaltbaren Abwärtsspirale entwickelt.
Leider stehen die öffentlichen Gesundheitssysteme immer stark unter Druck und daher hat man in der Vergangenheit der privaten Gesundheitsversorgung Tür und Tor geöffnet. Dadurch wurde ein unsolidarisches System geschaffen, in dem der Bürger einen immer größeren Teil der Kosten für seine Gesundheit selbst tragen muss. Gesundheit wird zu einem Produkt, bei dem der Geldbeutel des Erkrankten eine große Rolle spielt.
Diejenigen, die es sich leisten können, haben eine viel größere Auswahl als diejenigen, die sich ausschließlich auf den öffentlichen Gesundheitsdienst verlassen müssen.
Bei einer globalen Pandemie wie der Covid-Pandemie wird dies zu einem Problem. Private Gesundheitssysteme hätten große Mängel bei der Bewältigung solcher Krisen. Nur ein öffentliches Gesundheitssystem, das für alle zugänglich ist und von der öffentlichen Hand angemessen finanziert wird, kann dann weiterhelfen.
Es braucht nämlich ein weitgefächertes Netz an Strukturen und Personal. Nur durch eine starke Zusammenarbeit und Koordinierung lassen sich Engpässe im Falle globaler medizinischer Krisen vermeiden. Eine Pandemie kann nur durch die Bereitstellung der besten Fachkenntnisse und eine rationelle Verteilung der Patienten auf die verschiedenen Einrichtungen wie die Intensivbetten, besiegt werden.
Nur ein öffentliches System kann dies garantieren und in einem Notfall auch private Einrichtungen koordinieren und einbeziehen.
In Südtirol hat sich die Politik und die Gewerkschaft immer in diese Richtung bewegt. Allerdings waren einige Vorschläge der öffentlichen Hand der letzten Wochen nicht nachvollziehbar. Trotz anhaltender Infektionen durch Covid hat die Sanitätseinheit einen Kostenvoranschlag für 2022 eingebracht, der sogar eine Reduzierung des Personals zu Folge hätte. Ärzte sind bereits jetzt kaum zu finden und ein Aufnahmestopp hätte sicher negative Auswirkungen.
Auch dürfte in den nächsten Monaten und Jahren die Situation weiterhin angespannt bleiben. Viele Leistungen wurden verschoben oder teilweise an Private ausgelagert. Dies darf kein Dauerzustand werden, sonst steht einer Privatisierung nichts mehr im Wege, außer die Brieftasche vieler Bürger, die es sich einfach nicht leisten können.
Auch muss man versuchen, die Ärzte nicht nur zu halten, sondern neue einzustellen. Der Ärztemangel ist kein kurzfristiges und auch kein lokales, sondern ein europäisches Problem. Daher sind mittelfristige strategische Entscheidungen notwendig, wenn man der Zweiklassenmedizin einen Riegel vorzuschieben will.
Der Landeshauptmann hat allerdings klar anklingen lassen, dass die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden und die Polemiken sind momentan verstummt. Trotzdem muss auch Südtirols Gesundheitswesen überdacht werden. Die Gelder aus dem Aufbaufonds PNRR kommen hier gerade recht.
Wir müssen diese Mittel nutzen, auch wenn dies nur unter Auflagen erfolgen kann. Zwar sind wir relativ gut aufgestellt, es ist aber trotzdem keine Schande bestimmte Erfahrungen anzuwenden, falls sie sich anderswo bewährt haben.
Das Thema ist die Dezentralisierung der Medizin, in denen die Krankenhäuser nur zur Pflege jener akuten Fälle dienen, die stationär behandelt werden müssen. Die Regierung stellt nun die Mittel für die Gemeinschaftshäuser (Case delle Comunità) zur Verfügung um neue Projekte zu implementieren. Hier gilt es Teillösungen zu vermeiden, die zwar auf medizinischem Gebiet Antworten geben, die sozialen Anliegen aber zu wenig berücksichtigen.
Diese Strukturen dürfen nicht zu Ambulanzen mit einem Team von Allgemeinmedizinern werden, mit der Anwesenheit von Fachärzten und wo die Integration mit dem Sozialen als Nebensache gilt. Es braucht in diesen Strukturen endlich die Zusammenarbeit zwischen dem sozialen Bereich und der Sanität, eventuell auch mit der Einbeziehung des tertiären Sektors in seinen verschiedenen Formen.
Wir müssen endlich die Logik überwinden, dass die Sozialdienste nur einen Teil der Bevölkerung betreffen und vorwiegend auch nur die Schwachen in unserer Gesellschaft, während die Sanität alle Bürger mitnimmt. Diese Strukturen sollten, hingegen, eine breit gefächerte Unterstützung und Hilfe sein und nicht nur eine Anlaufstelle für Kranke oder für Patienten.
Alfred Ebner