Culture | Salto Afternoon

Oper im Untergrund

Mit ihrer Silent Opera "Vixen" zeigt Regisseurin Daisy Evans wie man Opernklassiker mit neuem Aufführungskonzept in die Gegenwart bringen kann.
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Foto: Stiftung Haydn

Kein Orchester, keine Bühne, kein Opernhaus. Eine außergewöhnliche Location, WLAN-Kopfhörer und ein bekannter Opernplot. Das ist das Erfolgsgeheimnis von Daisy Evans Silent Opera. Das Aufführungskonzept, das sich an die Silent Disco anlehnt, hat die junge britische Regisseurin in London entwickelt, um ein junges Publikum für das Genre Oper zu begeistern. Mit ihrer jüngsten Produktion Vixen, war sie am Wochenende im Rahmen von OPER.A 20.21 in den Gallerie di Piedicastello in Trient zu Gast.

Die Silent Opera Vixen hat sich von Janáčeks Original weit entfernt. Evans will ungeschminkte Wirklichkeit zeigen, die sich nicht hinter dem Bühnenvorhang verstecken lässt.

Vixen ist eine eigenwillige Neuinterpretation von Leoš Janáčeks Das kleine schlaue Füchslein (The Cunning Little Vixen), in Großbritannien eine beliebte und oft gespielte Oper. Für die Silent Opera wurde das Original grundlegend überarbeitet und der Plot vereinfacht. Psychologische Aspekte und die Parabel über den Kreislauf von Leben und Tod aus Janáčeks Oper hat die Regisseurin aber beibehalten und auf die heutige Zeit übertragen. Die Handlung spielt nicht in den mährischen Wäldern, sondern im London des 21. Jahrhunderts. Aus den Tieren des Waldes werden Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Die Füchsin ist nun eine junge rebellische englischsprechende Frau (Vixen), die auf der Straße lebt und um ihr Überleben kämpft. Der Förster (Forester) wird zum polternden Macho, der das Mädchen retten und zugleich kontrollieren möchte. Der Landstreicher wird zum sadistischen, korrupten Londoner Polizisten (Harasta), Sinnbild eines verkommenen Systems.

Die Handlung und das Publikum bewegen sich vom Pub zum Haus von Forester und schließlich in den Londoner Untergrund, wo die Protagonistin Vixen haust. Denn nicht das Bühnenbild ändert sich, nein, das Publikum folgt den Sängern von einer Szene in die nächste, immer tiefer hinein in den Straßentunnel, setzt sich mitten ins stimmungsvolle Set und verfolgt die Handlung aus nächster Nähe (Bühnenbild Kitty Callister). Daran muss sich das Opernpublikum, das mitunter in die Komparsen-Rolle schlüpft, erst gewöhnen. Neu ist auch das musikalische Arrangement: Janáčeks Orchestrierungen werden mit musikalischen Arrangements von Max Pappenheim und Stephen Higgins zu einem Soundtrack gemischt. Im Kopfhörer kommen vorab eingespielte Orchestermusik, Elektronik, live Gesang und live Musik (Flöte, Klarinette, Violine, Oboe und Melodica) stimmig zusammen. Die Mischung ist technisch perfekt, die Übergänge fließen. Janáčeks Orchestrierung die elektronischen Sounds arrangieren sich gut miteinander. Rosie Lomas gibt eine temperamentvolle Heldin Vixen, gespielt mit großer Leidenschaft und Intensität. In ihrer Stimme liegen die Bestimmtheit und Verletzlichkeit ihrer Rolle. Adam Green überzeugt als Forester, Lawrence Thackeray als beschützender Fox. Rosanna Ter Berg, Phillip Granell und Rachel Coe bieten hervorragende Unterstützung und wechseln gekonnt zwischen Schauspiel, Gesang und Musizieren.

Die Silent Opera Vixen hat sich von Janáčeks Original weit entfernt. Evans will ungeschminkte Wirklichkeit zeigen, die sich nicht hinter dem Bühnenvorhang verstecken lässt. Und das gelingt, wenn auch nicht immer. Das innovative Aufführungskonzept macht ein unmittelbares Mitfühlen, Nähe zu den Sängern und Musikern und damit ein völlig neues, eindringliches Opernerlebnis möglich. Die Kopfhörer werden aber auch zum Filter und Dämpfer, durch den die Emotion und Kraft der Musik manchmal nur schwer ihren Weg findet.