Society | Stipendien

„Wir haben kein Sicherheitsnetz“

Seit einer Weile bitten Doktoranden der Universität Bozen um ein höheres Stipendium. Drei angehende Doktoren gehen nun gegenüber SALTO näher ins Detail.
Stühle
Foto:  johnyksslr
  • Wie SALTO vor Kurzem berichtete, fordern die Doktoranden der Universität Bozen eine Erhöhung des Stipendiums, vor allem um den steigenden Lebenserhaltungskosten entgegenwirken zu können und für unvorhersehbare Ereignisse (wie etwa unerwartete Spesen für Gesundheit oder Reparaturarbeiten) besser gewappnet zu sein. Eine offizielle Antwort von Seiten der Universität steht noch aus, erklären die drei Studenten.

    Sie rechnen zwar kaum mit einer Antwort der Universität, die zu ihren Gunsten ausfällt, das heißt aber nicht, dass man es unversucht lassen sollte.

    Wir haben mit drei jungen Männern, die anonym bleiben wollen und aus unterschiedlichen Kontexten kommen, gesprochen: ein Südtiroler, ein Bürger aus einem EU-Land und ein Nicht-EU-Bürger. Was sie verbindet, ist neben ihrem Studium an der Universität, auch das Bestreben für alle, auch bereits inskribierte Doktoranden eine Erhöhung des Stipendiums zu erwirken und nicht nur für Neuinskribierte ab kommenden November, wie von der Universität vorgesehen. Sie rechnen zwar kaum mit einer Antwort der Universität, die zu ihren Gunsten ausfällt, das heißt aber nicht, dass man es unversucht lassen sollte. Gerade für die Doktoranden, die vor kurzem begonnen haben und daher nicht von der Stipendiumserhöhung ab November profitieren können, bedeutet das zwei weitere Jahre ohne vermehrte Unterstützung. Viele Professoren sowie Programmkoordinatoren stehen hinter den Forderungen, die drei glauben auch, dass die Direktion den Doktoranden grundsätzlich helfen wolle.

    Gerade für Doktoranden wie den jungen Mann, der nicht aus der EU kommt, ist das Stipendium (das rund 1.250 Euro netto im Monat entspricht) teilweise sehr knapp: Bürokratische Kosten wie die Aufenthaltsgenehmigung und die dafür verpflichtenden Gesundheitsversicherungsbeiträge , die vor kurzem von 150 auf 700 Euro jährlich angehoben wurden, strapazieren das Budget zusätzlich. Es würde Studenten von außerhalb der EU sogar billiger kommen, wenn sie ein paar Mal pro Jahr wegen kleinerer Verletzungen ins Krankenhaus gehen müssten und dort direkt alles vor Ort bezahlen würden anstatt die Kosten der Krankenversicherung zu bezahlen. Das Stipendium selbst wurde seit dem Jahr 2011 nicht mehr erhöht. Neben dem Studium zu arbeiten, gehe nur sehr begrenzt, da nur Stundenverträge erlaubt seien und auch der Aufwand für die Universität nicht gering sei. Weiters pendle eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Doktoranden und Studenten zwischen Bozen und Trient, da die Wohnkosten in Trient so viel geringer sein würden, dass es sich auszahle und da die Wohnungssuche in Bozen schwer genug sein würde.

    „Dein ganzer Fokus sollte auf deiner Arbeit liegen, deiner Dissertation, denn im Grunde genommen bist du ein Angestellter.“

    Wir haben einfach kein Sicherheitsnetz.“ so bringt es der aus Südtirol stammende Doktorand auf den Punkt. Würden etwa (teurere) Arbeitsmaterialien wie beispielsweise ein Laptop kaputt gehen, so könne man sich kaum Ersatz verschaffen. Würde man Labor-Equipment der Uni versehentlich beschädigen, so hätte die Universität auch keine Versicherungspolice und man würde selber auf den Kosten sitzen bleiben. Das sei soweit aber gar nicht das Problem. Vielmehr gehe es darum, dass Doktoranden nicht aufgrund von Gesundheitsspesen oder ähnlichem auf der Strecke bleiben dürfen. Es gehe eben darum, ein Sicherheitspolster für schwerere Zeiten beziehungsweise Krisen zu schaffen. Der Nicht-EU-Doktorand setzt sich seit zwei Jahren für dieses Thema ein und versucht dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Nun hätte die Universität nach anhaltendem Druck zwar das Doktorandengehalt erhöht, aber nur für zukünftige Doktoranden: „Nach all der harten Arbeit und Mühe sind wir wirklich froh, dass die neuen Studenten davon profitieren, aber was ist mit den derzeitigen Studenten? Es wird uns nicht betreffen, weil wir im letzten Jahr sind, aber andere sind im ersten und zweiten Jahr.“ 

  • Die Universität Bozen wurde 1997 gegründet: Im Studienjahr 2022/23 waren über 4.300 Studierende eingeschrieben Foto: unibz
  • Das Budget, das der Universität von der Provinz zur Verfügung gestellt wird, wurde gekürzt, wie der junge Mann weiter erzählt, aber die Universität könne das Budget besser verwalten und solle sich mehr auf die bereits bestehenden und bekannten Probleme konzentrieren. 
    Dass die Budgets verhältnismäßig gering seien, sei als nationales Problem anzusehen, welches Italien auf lange Sicht im internationalen Vergleich zurückfallen lassen würde. Südtirol hätte aber ein wenig mehr Spielraum und Entscheidungsfreiheit. In anderen Ländern übernähmen Universitäten die Krankenversicherung, die Aufenthaltsgenehmigung und würden auch einige Zeit lang Unterhaltskosten etwa für ein Hotel stemmen, um den Studenten mehr Zeit zu geben, eine Unterkunft zu finden. „Wenn du deinen Arbeitsplatz verlässt, sollte das letzte, was dir durch den Kopf geht, mit deinem Zuhause und der finanziellen Situation zu tun haben. Dein ganzer Fokus sollte auf deiner Arbeit liegen, deiner Dissertation, denn im Grunde genommen bist du ein Angestellter.“ so sieht es der EU-Doktorand. Sie werden auf die offizielle Reaktion abwarten und werden dann womöglich andere Mittel in Erwägung ziehen, etwa Proteste. Dies würde sich auf die Reputation der Universität auswirken und das sei der Punkt, über den sich die Universität definitv am meisten Sorgen machen würde.