Chronicle | Stein an Stein Prozess

Der Finanzier & die Erinnerungslücken

Die Aussagen des Bozner Wirtschaftsberaters Paul Schweitzer werfen ein bezeichnendes Licht auf die eigentlichen Hintermänner des Stein-an-Stein-Deals.

Paul Schweitzer ist im Prozess als Zeuge geladen. Aber er weiß, was passieren kann. Deshalb erscheint der Bozner Wirtschaftsberater auch mit einem Vertrauensanwalt vor dem Bozner Landesgericht. 
Karl Pfeifer aus dem Studio Brandstätter verfolgt aufmerksam die Zeugenaussage. Der Grund: Sollte der Staatsanwalt den Zeugen in den Stand eines Tatverdächtigen erheben, ist im Gerichtssaal bereits ein Vertrauensanwalt zur Stelle. Immerhin hatte der Staatsanwalt schon einmal gegen Schweitzer Ermittlungen eingeleitet, die dann archiviert wurden.

Gegenpart Franz Pircher

Paul Schweitzer ist ein Bozner Wirtschaftsberater, der seit 2002 auch für die SEL tätig ist. Sein Studio betreut seit Jahren auch einige der privaten Firmen der Familie von Maximilian Rainer.
Der Mann ist der Wirtschaftsberater über den das gesamte "Stein an Stein"-Geschäft gelaufen ist. Im Zeugenstand führt Oberstaatsanwalt Guido Rispoli Schweitzer noch einmal durch die Chronik des umstrittenen Deals.
Paul Schweitzer hat den Vorvertrag mit ausgearbeitet, er hat die Gründung der "Stein an Stein Italia GmbH" durchgeführt, die bis heute auch den Gesellschaftssitz in seinem Studio hat und er betreut als Wirtschaftsberater die Geschäfte des Unternehmens.
Im Gerichtssaal schildert Schweitzer, dass er der Wiener Unternehmerin Petra Windt vom damaligen SEL-Direktor Rainer empfohlen wurde. Dann führt er aus, dass er auch den Verkauf der 30 Prozent an die Osttiroler EVB Gmbh betreut hat. Sein Gegenpart war dabei Franz Pircher, damals Aufsichtsratspräsident der SEL. "Ich war der Meinung, dass Pircher als Wirtschaftsberater für die EVB tätig ist", erklärte Schweitzer vor Gericht.

Kein Druck

Paul Schweitzer will im Zeugenstand eine Sache unbedingt widerlegen. Die Wiener Unternehmerin Petra Windt hatte im Verhör ausgesagt, sie sei nach der Gründung der "Stein an Stein Italia" von Schweitzer unter Druck gesetzt worden, ihm eine Generalvollmacht auszustellen.
"Ich schließe kategorisch aus, dass ich irgendwelchen Druck ausgeübt habe" erklärte Schweitzer vor Gericht, "ich habe das nie getan und würde es auch nie tun".
Der Wirtschaftsberater widerlegte auch, dass die Spezialvollmacht von den Ermittlern in seinem Büro sichergestellt worden sei. Die Vollmacht war im "Stein-an-Stein"-Akt in der Kanzlei der Notare Crepaz-Kleewein sichergestellt worden.
Schweitzer versucht die Rolle dieser Vollmacht im Gerichtssaal herunterzuspielen. Der Wirtschaftsberater erklärt, dass er diese Vollmacht nicht ein einziges Mal benützt habe. "Es ist eine Vollmacht, wie ich sie in meiner beruflichen Laufbahn Hunderte Male bekommen habe", sagt er. Zudem wäre eine solche Vollmacht ein völlig falsches Instrument, um gegen den Willen der Besitzerin etwas zu unternehmen.
Oberstaatsanwalt Guido Rispoli kontert mit einer Fangfrage: "Welchen Sinn hatte diese Vollmacht dann?". Es ist der Ankläger selbst, der den Zeugen wenig später geschickt zur Antwort auf diese Frage führt.

Rudi Stockers Risiko

Paul Schweitzer schildert im Zeugenstand detailliert die Geldflüsse, die beim Kauf des Mittewalder Kraftwerks getätigt wurden. Dabei tritt ein entwaffnendes Szenario zutage, das mehr als deutlich darlegt, dass die Wiener Unternehmerin Petra Windt in der gesamten Angelegenheit nur Strohfrau war. Und dass ein Mann das gesamte finanzielle Risiko des Kaufes getragen hat: Rudolf Stocker, Auerer Wirtschaftsberater und Bruder des SEL-Präsidenten Klaus Stocker.
Schweizer erklärt, dass Petra Windt nach der Unterzeichnung des Vorvertrages 100.000 Euro als Anzahlung überweist. Dazu kommen 15.000 Euro, die als Gesellschaftskapital für die "Stein an Stein Italia GmbH" eingezahlt wurden.
Beim endgültigen Verkauf im Frühjahr 2007 kommt das Geld aber aus einer ganz anderen Quelle. Rudolf Stocker nimmt bei einer italienischen Bank eine Bürgschaft von 450.000 Euro auf. Aus dieser Kreditlinie zahlt man nicht nur den Preis an den Verkäufer des Kraftwerks, sondern auch die 100.000 Euro an Petra Windt zurück, die diese als Vorauszahlung ausgelegt hatte.
Das gesamte finanzielle Risiko trägt damit Rudolf Stocker. Petra Windt hingegen hat nur mehr 15.000 Euro für das Gesellschaftskapital investiert.
An diesem Punkt kehrt Guido Rispoli zum eigentlichen Grund der Generalvollmacht für Paul Schweitzer zurück. "Damit wird klar, welchen Sinn die Generalvollmacht hat", meint der Ankläger.
Die Vollmacht beinhaltet nicht die Leitungsfunktionen des Unternehmens, sondern sie erlaubt, dem Bozner Wirtschaftsberater Anteile oder die gesamte Firma an Dritte oder an sich selbst zum Nominalwert zu verkaufen. 
Weil Petra Wind aber zu diesem Zeitpunkt nur mehr diese Anteile hält, wird klar, dass man der Wiener Unternehmerin damit jeden Handlungsspielraum in der Gesellschaft aus der Hand genommen hat.
Deutlicher kann man eine Strohfrau-Funktion nicht mehr beschreiben.

Das Phantom

Wirklich ernst wird es für Paul Schweitzer aber fast ganz am Ende seiner Zeugenaussage an diesem Vormittag. Es geht darum, wer die Anfragen und Rekurse für die "Stein an Stein" in Sachen Konzessionsverlängerung an das Land verfasst hat.
Bereits vorher hatte Schweitzer mehrmals zugeben müssen, sich mit SEL-Direktor Maximilian Rainer in Sachen Mittewalder Kleinkraftwerk beraten zu haben. "Er ist ein Fachmann in diesem Bereich", argumentiert Rainer.
In arge Erklärungsnot kommt der Zeuge aber, als er angeben soll, wer die Akten, die an das Land gingen - etwa den berühmten Vermerk an Landeshauptmann Luis Durnwalder - verfasst hat. "Ich erinnere mich nicht mehr", stammelt Paul Schweitzer mehrmals. Als er nicht mehr auskommt, versucht sich der Wirtschaftsberater auf zwei Ingenieure und einen Anwalt, an dessen Namen er sich ebenfalls nicht erinnert, herauszureden.
"Sie arbeiten zwei Jahre lang für die Firma und dann erinnern Sie sich nicht mehr?", wird Guido Rispoli zunehmend ungemütlicher. In diesem Moment steht eine mögliche Anklage gegen Paul Schweitzer wegen falscher Zeugenaussage konkret im Raum.
Am Ende löst sich die Spannung und Paul Schweitzer braucht seinen Anwalt nicht. Der Wirtschaftsberater rettet sich mit einem kleinen Zugeständnis aus der brisanten Situation: "Ich schließe nicht aus, dass Maximilian Rainer bei diesen Eingaben einige Ratschläge gegeben hat".

Guido Rispoli war damit dort angekommen, wo er an diesem Vormittag hinwollte.

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