Society | Appell

Erneuerte Erklärung

Kunst- und Kulturschaffende aus Deutschland, Österreich, Südtirol und Trentino kritisieren die Absicht Österreichs, Soldaten an den Brenner schicken zu wollen, scharf.

“Da die EU-Außengrenzen derzeit noch nicht effektiv geschützt werden, wird Österreich in Kürze strikte Grenzkontrollen hochziehen. Das bedeutet massive Grenzkontrollen am Brenner, auch mit Soldaten.” Mit dieser Aussage hat der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) in einem Interview mit “Die Welt” am Samstag aufhorchen lassen. Militär am Brenner – eine Vorstellung, die bei Landeshauptmann Arno Kompatscher für Kopfschütteln führt. “Das ist Kampfrhetorik. Ich würde mir wünschen, dass man sich mit dem gleichen Engagement für eine gemeinsame europäische Lösung einsetzt”, sagt ein verärgerter Kompatscher zur Tageszeitung Dolomiten. “Martialische Ankündigungen” seien nicht das richtige Rezept. Darüber hinaus wäre es ein “Rückschritt für den europäischen Einigungsprozess und für ganz Tirol” wenn die angekündigten massiven Grenzkontrollen kämen, so der Landeshauptmann.

Am Donnerstag, 7. April, wird er das Thema auch im Rahmen des Besuchs des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz ansprechen. Indes haben zahlreiche Kunst- und Kulturschaffende aus Österreich. Südtirol, Trentino und Deutschland einen Appell lanciert, in dem sie sich gegen Soldaten am Brenner aussprechen. Sie kündigen an, “alle Proteste und kulturellen Aktionen gegen den österreichischen Brenner-Aufmarsch” zu unterstützen. Der gesamte Wortlaut des Schreibens, das vom Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren Gerhard Ruiss aufgesetzt und unter anderem von Institutionen wie der Südtiroler Autorenvereinigung, Lungomare, Vereinigte Bühnen Bozen, Kulturmagazin 39NULL, Museion, Stadttheater Bruneck und dem Ost West Club sowie Institutionen mitgetragen wird:


“Die Zeiten der Bemäntelung der Schließung der österreichischen Grenzen sind vorbei, kein Wort von 'Grenzmanagement' mehr, der österreichische Verteidigungsminister lässt, assistiert von der österreichischen Innenministerin, das Österreichische Bundesheer an der Brenner-Grenze aufmarschieren: 'Massive Grenzkontrollen, auch mit Soldaten' und 'fest entschlossen, die Brenner-Grenze zu sichern', nennt sich das.

Das österreichische Innenministerium und das österreichische Verteidigungsministerium haben sich damit definitiv aus der EU verabschiedet, das österreichische Innenministerium präsentiert sich als das neue Außenministerium mit der neuen EU-Außengrenze Südtirol/Italien, das Verteidigungsministerium als das neue Innenministerium mit der Übernahme von Aufgaben von Grenzwachebeamten. Woran erinnert das, Soldaten an den Grenzen? An Bürgerkriegssituationen, an Kriegen in den Nachbarstaaten? An militärische Bedrohungen Österreichs?

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis diesem geistigen Austritt des österreichischen Innen- und des Verteidigungsministeriums aus der EU das reale Ende der EU folgt oder das reale Ende der Mitgliedschaft Österreichs in der EU. Die EU wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass Österreich weder vor hat, sich an bestehende EU-Verträge zu halten, noch auf Maßnahmen vertraut, die von ihr getroffen wurden und werden.

Da es nur um die maximale Beschränkung der Einreise nach Österreich geht, verordnen die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil den Regionen Südtirol und Trient Dauerstaus, ohne dass sich noch ein einziger Flüchtling zeigt, und schwere Beeinträchtigungen im Waren- und Reiseverkehr. Ganz nach dem Motto: Selbst schuld, wer aus Deutschland und Österreich ist und jetzt noch nach Südtirol, an den Gardasee, nach Verona in die Opern-Arena oder nach Italien ans Meer fährt und wieder zurück will, selbst schuld, wer als EU-Mitglied eine oder mehrere der vier Grundfreiheiten der EU in Anspruch nehmen möchte, den freien Güter-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, die 4 Grundsäulen, auf denen die EU beruht.

Die österreichische Innenministerin mischt sich inzwischen offenbar nicht nur sehr gerne in die Angelegenheiten Griechenlands, sondern auch Italiens und Südtirol-Trients ein. Kann es sein, dass die Bundesländer, aus denen die beiden Minister kommen, Niederösterreich und Burgenland, mit ihren breiten flachen Grenzgebieten zu wenig Erfahrungshorizont bieten, dass sich die beiden Minister vorstellen können, was es heißt, Hauptverkehrsrouten in Bergregionen abzuriegeln? Kann es sein, dass sie das überhaupt nicht interessiert, was das für die Region Südtirol-Trentino bedeutet? Kann es sein, dass sie überhaupt nicht ermessen können, was es heißt, Soldaten am Brenner oder sonst wo an österreichischen Grenzen aufmarschieren zu lassen? Ist denn niemand bewusst, um welche Zeichensetzungen es sich dabei handelt? Sollen die Soldaten dort unbewaffnet Dienst versehen oder bewaffnet? Nur mit leichten Waffen oder auch mit schweren Waffen? Soll auch eine Panzereinheit zum Einsatz kommen, wie das bereits für die Spielfeld-Grenze vorgesehen ist?

Oder anders und insgesamt gefragt, wo ziehen der österreichische Verteidigungsminister und die österreichische Innenministerin ihre Grenzen? Nachdem scharf geschossen wurde?

Schon bei der ersten Ankündigung, dass die Brenner-Grenze wieder hochgezogen werden soll, wobei man nicht müde werden darf zu sagen, durch Österreich, haben zahlreiche Kunst- und Kulturorganisationen ihren Widerstand dagegen mit politischen und kulturellen Protestaktionen angekündigt. Die IG Autorinnen Autoren hat gemeinsam mit der Südtiroler Autorenvereinigung eine Erklärung aufgelegt, die von Kunst- und Kultureinrichtungen und -Organisationen auf beiden Seiten Tirols sowie darüber hinaus in den traditionell ebenfalls stark mit Südtirol verbundenen Regionen Vorarlberg und Kärnten mitgetragen wird. Wir erneuern diese Erklärung und erklären unsere Unterstützung zur Bespielung der Brenner-Grenze mit allen kulturellen Aktionen, Projekten und Programmen.”

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Alfonse Zanardi Mon, 04/04/2016 - 11:40

Die Äusserungen des "Sozialdemokraten" Doskozil vom Samstag sind in der Tat ein unfassbarer Skandal und eine Schande für Österreich.
Dass man in der SPÖ auf die Idee gekommen ist einem burgenländischen Kieberer die Armee zu überantworten zeigt dass diese Partei am Ende ist.

Mon, 04/04/2016 - 11:40 Permalink