Arts | Malerei

Durchdringen der Oberfläche

Die Künstlerresidenz von einer Woche bei Lana Live beherbergte heuer den Maler Marc-Alexandre Dumoulin. Dieser gab am vergangenen Dienstag Auskunft zum Schaffensprozess.
Lana Live, Hannes Egger und Marc-Alexandre Dumoulin
Foto: SALTO
  • Dem in Wien lebenden und arbeitenden Kanadier gefiel seine Unterbringung in der Lananer Villa Arnica und die neue Landschaft ausgesprochen gut, soviel sollte rasch klar sein. Mit dem künstlerischen Leiter Hannes Egger unterhielt sich Dumoulin vor einem Beamer mit Werkauswahl zu seiner Motivsuche, Technik, dem Weg zur Malerei und mehr. Den in Lasurschichten gearbeiteten Bildern kann eine digitale Abbildung ohnehin nicht gerecht werden, zu wechselhaft ist das Spiel des Lichts an der Oberfläche. Schade war es deshalb auch, dass weder ein mitgebrachtes Kunstwerk älteren Datums, noch die in Lana angegangenen Projekte, die wohl noch Zeit brauchen, dem Vortrag zur Seite stehen konnten.

  • Near Nemi: Nach großformatigen Arbeiten wie dieser, die über hohe Detaildichte verfügen erklärt Dumoulin, dass er anschließend für längere Zeit an kleineren Werken arbeitete. Foto: Marc-Alexandre Dumoulin

    Für Dumoulin ist die Malerei ein Schlüssel zur Wahrnehmung und so kommt es, dass der Kanadier viel aus seinem Alltag heraus skizziert und sich Motive auch aus dem nahen Umfeld holt, wie etwa seine Lebensgefährtin. Dumoulin zeichnet und malt sie häufig „weil ich sie liebe und weil sie immer da ist“. So kommentiert der Künstler das wiederholte Auftreten, als „Dormeuse“ in der Slideshow und lacht über seine teils ganz alltäglichen Darstellungen, die mitunter auch unter klingende Titel wie „Too many Margaritas“ gesetzt werden. Darin liegt ein gewisser Widerspruch, oder zumindest eine Ergänzung zu Landschaften und symbolisch aufgeladenen Details oder Traumszenen.

    Marc-Alexandre Dumoulin zeichnet und malt vielfach um zu „sehen“, wie er es selbst nennt, um „der eigenen Faszination auf die Schliche zu kommen“. Mehr als bestimmte Trends in der Malerei oder der Anspruch auf Originalität - seine Dissertation hat Dumoulin zur 35.000 Jahre alten Tafel der Löwen in der Chauvet-Höhle geschrieben - interessiert ihn die Verbindung, welche Malerei erzeugen kann. Dem Künstler fiel etwa in der St. Margareth Kirche in Lana der Wandschmuck bei einem Konzert ins Auge: „Es gibt dort einen Engel, eine Abbildung des heiligen Gabriel - sorry, das ist kein alter Meister - eher ein Kunsthandwerker. Ich konnte trotzdem nicht aufhören dieses Bild anzuschauen.“ Marc-Alexandre Dumoulin sucht in der Kunst diese Verbindung über Zeit und Ort hinaus.

  • La Dormeuse: Wiederkehrendes Motiv des Künstlers ist seine Lebensgefährtin, hier in einem Moment gemalt, in welchem sie in der Beziehung wenig wache Zeit gemeinsam verbringen konnten. Foto: Marc-Alexandre Dumoulin

    „Ich denke nicht, dass alle meine Werke diesen Effekt haben. Ich wäre schon zufrieden, wenn zwei, drei Werke diesen Effekt haben.“, meint Dumoulin und fügt an, dass dieser „Kampf“ ein bisschen wie jener von Don Quichotte sei, sowohl „dumm und idealistisch“ als auch „träumerisch und kindisch“. Der Versuch den eigenen Instinkt zu entziffern, bedingt auch den Umgang mit alten Werken. Beim Ausmisten alter Skizzen und unvollendeter Malereien erkennt Dumoulin an, dass Peinlichkeit mit Potenzial einhergeht. „Wenn ich Atelierbesuch habe, dann verstecke ich sie eher, außer wenn ich Mut habe.“ Wenn ihm etwas peinlich sei, dann behalte er es. „Ich glaube, das bedeutet etwas, es trifft etwas Intimes.“ Schlechte Arbeiten, die am Ende mitunter in der Tonne landen, entstünden dagegen, wenn Dumoulin verkopft sei.

    In Südtirol teilte der Künstler, dessen Werk in Phasen abläuft, eine neue Bildreihe aus Skeletten, die aus der Landschaftsmalerei rund um das Konzentrationslager Lungitz hervorgegangen war und damit bei einer oberösterreichischen Residency erstmals auftrtaten. Marc-Alexandre Dumoulin beschreibt die Annäherung an diese sehr spezielle „grausam schöne“ Landschaft eindringlich. Die Skelette, längst eigenständige Figuren, die sich aus der Landschaft losgelöst haben, sehen ihre Ergänzungen in Dumoulins Landschaftsstudien, die er zur „bipolaren Landschaft“ Südtirols anstellen möchte, die besonders nun im Frühling, mit Blüten im Tal und Schnee auf denBergen, ein opulentes Motiv bilden.

  • Death triumphant: Das kleine Skelettmotiv wurde von Dumoulin mehrfach gefertigt, auch da es bei einer Vernissage gestohlen wurde Foto: Marc-Alexandre Dumoulin

    Für den Künstler geht es dabei auch um eine formelle Frage, sucht er doch nach atypischen vertikalen statt horizontalen Ausschnitten aus der Landschaft als Motiv. Es sind sicher nicht die ersten Experimente des 82 in Montréal geborenen Künstlers, der in Landschaftsmalereien bereits in der Vergangenheit diesen Ausschnitt wählte und sich mit Nachtlandschaften konfrontierte. Die sorgsame Arbeit Schicht für Schicht ermöglicht es, dass auch im Dunkeln noch Bildtiefe zu entdecken ist.