Economy | 4-Tage-Woche

Vier gewinnt?

Das Modell der verkürzten Arbeitswoche ist seit Jahren immer wieder im Fokus von Versuchen weltweit – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Überblick.
Büro
Foto: Marc Mueller/Pexels
  • Vier Tage arbeiten – drei Tage frei, jede Arbeitswoche des Jahres: ein Modell, welches generell vor allem für die sogenannten „white-collar workers“ (Büro-, Management- oder Verwaltungsarbeit unter anderem) gut funktionieren könnte, während bei anderen Sektoren (etwa Industrie, Handwerk oder Pflege) Zweifel herrschen. Es handelt sich um ein Modell, das seit Jahren Interesse weckt. Es wird immer wieder in verschiedenen Ländern diskutiert und steht auch auf politischen Agenden, etwa bei der britischen Labour Party, die vor rund fünf Jahren die Vier-Tage-Woche – bei gleichem Lohn – zu einem zentralen Punkt ihres Parteiprogrammes erhoben hat. Hierzulande beruft sich Giuseppe Conte, Leader der Partei Movimento 5 Stelle, auf erfolgreiche Pilotprojekte, die die Sinnhaftigkeit einer verkürzten Arbeitswoche unterstreichen würden. Der Vorschlag lautet, ohne Lohneinbußen auf eine Arbeitszeit von 32 Stunden einzuführen. Einige Studien und Experimente würden nahelegen, dass die Einführung einer Vier-Tage-Woche fast rundum positive Auswirkungen hat, von gesteigerter Produktivität bis hin zu zufriedeneren Mitarbeitern.

  • Foto: SALTO/Alin Sellemond

    Wie würde eine Vier-Tage-Woche aussehen? Generell gäbe es, im Falle der klassischen 40-Stunden-Woche, zum einen die einfache Erhöhung der Arbeitsstunden von acht auf zehn pro Tag als Ausgleich. Die Variante, bei der tatsächlich ein Tag wegfällt, existiert ebenso. Die Woche wird dabei also auf 32 Arbeitsstunden verkürzt, beziehungsweise „nur“ noch 80 Prozent der bisherigen Arbeitszeit wird verrichtet. Dabei wird, abhängig vom konkreten Einzelfall, dennoch das volle Gehalt ausgeschüttet oder der Arbeitnehmer verzichtet auf einen Teil des Lohns. Die konkreten Details der Umsetzung variieren.

    Es gibt, neben der Vier-Tage-Woche, andere Modelle, die verkürzte Arbeitszeit anstreben, aber nicht zwangsweise mit einem dritten freien Tag in der Woche einhergehen, sondern die verkürzte Arbeitszeit anderweitig aufteilen, beispielsweise eine 30-Stunden-Woche mit sechs täglichen Arbeitsstunden.

  • Beispielfälle

    2022 führte The Autonomy Institute im Vereinigten Königreich eine Studie zur Vier-Tage-Woche durch. Die Resultate wurden im Februar des letzten Jahres veröffentlicht. Kurz zusammengefasst: Im Zeitraum von Juni bis Dezember 2022 führten 61 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen (mit insgesamt fast 3.000 Mitarbeitern) dieses Modell ein, allerdings gab es auch eine zweimonatige Vorbereitung mit Workshops und Coaching auf den Wechsel. Die Unternehmen konnten die Woche dabei an die jeweilige Branche anpassen, der volle Lohn wurde jedenfalls voll ausgezahlt und die Arbeitszeit „spürbar“ verkürzt. Die Ergebnisse dieser Studie waren fast durch die Bank positiv: 56 der teilnehmenden Unternehmen behielten das Modell, wobei 18 davon einen dauerhaften Wechsel zu diesem Modell bestätigten. Zu den größten (positiven) Auswirkungen gehören demnach reduzierter Stress bei Arbeitnehmern und eine verbesserte Work-Life-Balance. Aber, laut der Studie, litt auch der Umsatzanstieg nicht an der Arbeitszeitverkürzung, sondern erlebte ein „gesundes“ Wachstum während dieser Periode. Die Arbeitnehmer nahmen sich innerhalb dieses Zeitraums auch weniger freie Tage als in vergleichbaren Zeiträumen. 

    Zu beachten ist hierbei allerdings einerseits, dass die teilnehmenden Unternehmen für zwei Monate eingeschult und vorbereitet wurden und dass der 100-prozentige Lohn ausgezahlt wurde, was beileibe nicht unbedingt gegeben ist. 

    Auf europäischer Ebene gab es vor mehreren Jahren großangelegte Versuche auf Island, die zeitweilig etwa ein Prozent (beziehungsweise etwa 2.500 Arbeiter) der arbeitenden isländischen Bevölkerung in verschiedenen Arbeitsbranchen umfassten. Die Experimente wurden als voller Erfolg gefeiert: Die isländischen Gewerkschaften und ihre Verbände erreichten eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung für Zehntausende ihrer Mitglieder im ganzen Land. Insgesamt sind nun rund 86 Prozent der gesamten isländischen Erwerbsbevölkerung entweder zu kürzeren Arbeitszeiten übergegangen oder haben das Recht erhalten, ihre Arbeitszeit zu verkürzen (Die Studie wurde im Juni 2021 erstellt).

  • Reykjavík, die isländische Hauptstadt: Als Wirtschaftszentrum des Landes war ein Großteil der Versuche hier beheimatet Foto: robingileo/Pixabay
  • Ein aktuelles Pilotprojekt zur Einführung der Vier-Tage-Woche in Deutschland, initiiert von „Intraprenör“und „4 Day Week Global“, zeigt, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten hätten, die Arbeitszeit wie geplant zu reduzieren. Nur 38 Prozent der 45 teilnehmenden Betriebe konnten die Arbeitszeit um 20 Prozent senken, während 48 Prozent nur eine Reduktion von zehn bis elf Prozent erreichten. Viele Unternehmen hatten Probleme bei der Vorbereitung und starteten verspätet ins Projekt. Die teilnehmenden Unternehmen kamen aus verschiedenen Branchen, wobei die Beratungs- und Agenturbranche am stärksten vertreten war. Eine Untersuchung von BR24 betont, dass es noch zu wenig Erfahrungswerte gibt, um allgemeingültige Schlüsse für die deutsche Wirtschaft zu ziehen. Während die Arbeitszeitverkürzung in manchen Branchen bei gleichem Gehalt gut umsetzbar ist, warnen Ökonomen vor möglichen Produktivitätseinbußen und steigenden Produktionskosten.

  • Mehr Motivation am Arbeitsplatz: Einer der öfter genannten positiven Aspekte der 4-Tage-Woche Foto: Tirachard Kumtanom/Pexels
  • Microsoft Japan (japanische Tochtergesellschaft von Microsoft) führte versuchshalber im Sommer des Jahres 2019 die Vier-Tage-Woche ein, inklusive arbeitsfreien Freitag und vollem Gehalt. Dabei konnte, nach Aussage des Unternehmens, ein Energieersparnis von 23 Prozent erzielt werden und mehrere Bereiche hätten ihre Effizienz steigern können.

    Auch im weit entfernten Ozeanien gab es Pilotprojekte zur 4-Tage-Woche. So im Frühjahr 2018 bei der neuseeländischen Treuhandgesellschaft Perpetual Guardian, bei ungekürztem Gehalt. Das Projekt wurde als voller Erfolg bezeichnet und das Unternehmen führte die 4-Tage-Woche als dauerhafte Option ein. Unternehmensgründer Andrew Barnes, der von vornherein optimistisch eingestellt war, erklärte gegenüber dem neuseeländischen Nachrichtendienst Newshub: „Ein Unternehmen bezahlt seine Mitarbeiter dafür, dass sie eine Aufgabe erledigen, und es sollte keine Rolle spielen, ob sie dies in zwei, drei oder vier Tagen schaffen.“ Laut Barnes bringt die verkürzte Arbeitswoche keine Nachteile mit sich.

  • Der Pflege- und Gesundheitssektor: Eine verkürzte Woche scheint bei diesen Berufen nur schwer einführbar Foto: fernandozhiminaicela/Pixabay
  • Einige der Studien kommen dabei zum Schluss, dass die Hypothese, dass Arbeitszeitverkürzungen die Produktivität steigern und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern können, durch mehrere Belege gestützt werde. Ein Schlüssel dazu sei die Neuorganisation der Arbeit und etablierter Arbeitsverfahren. Ein Unternehmen muss jedoch ausreichend darauf vorbereitet sein, dazu komme oftmals hoher organisatorischer Aufwand. Gerade aber in Berufen mit mangelndem Personal/hoher Arbeitsbelastung – etwa in der Pflege – ist eine Arbeitszeitverkürzung wohl nur schwer vorstellbar, da bräuchte es genügend besetzte Stellen, um wegfallende Stunden auch angemessen ausgleichen zu können. Die Wirksamkeit beziehungsweise Machbarkeit ist stark sektorenabhängig. 

    In einer Online-Umfrage der Plattform Karriere Südtirol vom Februar dieses Jahres (822 Teilnehmer) wünschten sich 57 Prozent der Befragten eine 4-Tage-Woche, wäre diese aber mit einer Gehaltsreduzierung verknüpft, so würden sich nur noch 21 Prozent dieses Modell wünschen.

    Der italienische Sportwagenhersteller Lamborghini gab im Dezember des letzten Jahres bekannt, dass ab Ende 2024 für Beschäftigte in der Automobilproduktion ein Modell eingeführt werden soll, in dem sich vier- und fünftägige Arbeitswochen abwechseln, der volle Lohn wird dabei beibehalten.

    Momentaufnahme in Bruneck: Der Brunecker Unternehmer Markus Raffin stellte in seinem Handwerksbetrieb (Sanitärinstalleur) die Uhren schon vor Jahren auf vier Tage, entgegen dem allgemeinen Glauben, dass dieses Modell für derartige Berufssektoren ungeeignet ist. Wie das aussieht und wie gut es läuft, erfahren Sie morgen (5. Juli) auf SALTO.

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Josef Fulterer Fri, 07/05/2024 - 05:53

Die Pflege von Menschen mit vorüber-gehender - + verlorener Selbstständigkeit, wird mit der 4 Tage-Woche bei vollem Lohn sehr teuer + kann wohl "nur mehr mit unbezahlter freiwilliger Arbeitsleistung ausgeglichen werden!"
Leichter tun sich da schon die Beratungs- + Betreuungs-Firmen, die ihr Kundschaft in eine SUCHTGIFT-ähnliche Abhängigkeit haben, ...

Fri, 07/05/2024 - 05:53 Permalink