Politics | Geschichte

Geschäfte unterm Edelweiß

Die politische Geschichte der SVP wurde Dutzende Male geschrieben. Was dabei aber ausgespart wurde, sind die wirtschaftlichen Aktivitäten der Partei.

Die Runde war hochkarätig besetzt. Am 11. Mai 1959 um 17 Uhr traf sich in der Kanzlei des Notars Peter von Ehrenstein-Rouvroy am Bozner Obstmarkt die Creme de la Creme der Südtiroler Politik. Anwesend sind an diesem Nachmittag Silvius Magnago, Friedl Volgger, Alfons Benedikter, Karl Tinzl, Hans Dietl, Peter Brugger, Karl Mitterdorfer, Franz Widmann, Hans Baur, Franz Lochmann, Joachim Dalsass und Hans Stanek.
In der Runde geht es dabei weniger um Politik als um ein wirtschaftliches Geschäft. An diesem Tag wird die „Eigenheim Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet. Die Genossenschaft hat 13 Mitglieder. Jeder zahlt formal einen Anteil von 500 Lire ein. Damit hat die Genossenschaft ein Gesellschaftskapital von 6.500 Lire.
Als offizieller Gesellschaftszweck wird in die Gründungsurkunde und in das Statut der Eigenheim Ges. m. b. H folgendes eingetragen: „Zweck der Genossenschaft ist die Förderung der völkischen und politischen Belange der Südtiroler Volksgruppe. Zur Erreichung dieses Zwecks stellt sich die Genossenschaft den Erwerb und den Erhalt eines geeigneten Parteisitzes für die SVP in Bozen zum Ziel.
Noch am selben Tag wählt die Eigenheim Ges.m.b.H ihren ersten Verwaltungsrat. Präsident wird kein Geringerer als Silvius Magnago, sein Stellvertreter Friedl Volgger. Beide sind für die Genossenschaft zeichnungsberechtigt. Zudem sitzen im fünfköpfigen Verwaltungsrat noch: Alfons Benedikter, Karl Tinzl und Hans Dietl. Es ist der Tag, an dem das Wirtschaftsunternehmen SVP zu florieren beginnt.

Zweck der Genossenschaft ist die Förderung der völkischen und politischen Belange der Südtiroler Volksgruppe. Zur Erreichung dieses Zwecks stellt sich die Genossenschaft den Erwerb und den Erhalt eines geeigneten Parteisitzes für die SVP in Bozen zum Ziel.

Blinder Fleck

Die politische Geschichte der Südtiroler Volkspartei wurde und wird in Dutzenden Büchern, Diplomarbeiten und Filmen aufgearbeitet. In allen Variationen vom Aktenstudium über die Oral History wird die Entwicklung und auch die Erfolgsgeschichte der SVP in allen Details geschildert. Nur eine Facette wurde dabei bisher immer ausgeklammert: Die wirtschaftlichen Aktivitäten und Immobiliengeschäfte rund um die SVP. Darüber verliert man kein Wort. Der Insider und langjährige SVP-Landessekretär Hartmann Gallmetzer widmet in seiner Festschrift „Das Frühlingskind“ zum 60jährigen Gründungsjubiläum der SVP, zwar ein eigenes Kurzkapitel der „Betriebsgeschichte“ der Partei. Dabei geht er auch auf die „Obdachsuche“ der SVP ein. Doch davon schreibt – der sonst gut unterrichtete - Gallmetzer kein Wort. Auch das Südtiroler Landesarchiv und das Landesdenkmalamt haben 2003 ein Buch mit dem Titel „Der Ansitz Rottenbuch in Bozen-Gries“ herausgegeben: Auch dort werden diese Hintergründe ausgespart.
Die Nichtbeleuchtung dieser Geschichte ist dabei kaum Zufall. Zeigt sie doch Aktivitäten auf, die jenes finanzielle Polster geschaffen haben, auf dem sich die SVP Jahrzehntelang ausruhen konnte. Und das zu ihrem politischen Aufstieg nicht unwesentlich beigetragen hat.

Die Nichtbeleuchtung dieser Geschichte ist dabei kaum Zufall.

Der Parteisitz

Im Frühjahr 1960 hinterlegt die Eigenheim Ges.m.b.H am Bozner Landesgericht ihre erste Bilanz. Es ist eine verkürzte Bilanz, da die Genossenschaft keine konkreten Tätigkeiten aufweist. Bis zum Jahr 1966 wird deshalb alljährlich diese erste Bilanz nur bestätigt. Dann kommt Bewegung in die Genossenschaft.
Die SVP hatte ihren ersten Parteisitz in der Villa Brigl in Bozner Gries. Das Gebäude wird aber bald schon zu klein. Zudem ist es den meisten vom Landhaus zu weit entfernt. Man beschließt, sich auf die Suche nach einem neuen Parteisitz zu machen.
Offiziell damit beauftragt wird der damalige Parteisekretär Josef Atz. Atz war der Nachfolger des 1961 inhaftierten Landessekretärs Hans Stanek. Stanek, Mitglied und Schriftführer auch der Eigenheim-Genossenschaft, wird in diesen Funktionen ebenfalls von Josef Atz abgelöst. Atz sitzt inzwischen auch im Verwaltungsrat der Genossenschaft.
Ganz entsprechend ihrem Gründungszweck ist es die Eigenheim Ges.m.b.H. , die nicht nur den SVP-Sitz sucht, sondern diesen auch für die SVP ankauft. Am 1. Februar 1968 zieht die SVP in ihren neuen Büros in der Vintlerpassage 15/16 im Bozner Stadtzentrum ein. Für die Büros hatte die Genossenschaft eine Anzahlung von 6 Millionen Lire geleistet.


Eingang Ansitz Rottenbuch: Immobilientransaktion der SVP.

Doch es nicht das einzige Immobiliengeschäft, das die Genossenschaft 1967 tätigt. Im offiziellen Bilanzbericht des Jahres 1967 heißt es: „Ebenso wurde der Ankauf des Ansitzes Rothenpuech sichergestellt. Zur Sicherstellung der Finanzierung der beiden Immobilienkäufe wurde bei der Sparkasse ein Darlehen von Lire 16.000.000 aufgenommen“. 10 Millionen Lire zahlt die Genossenschaft noch 1967 für den Kauf des Ansitzes an den Besitzer. Weiter 20 Millionen Lire werden in Jahresraten von 5 Millionen Lire in den darauf folgenden vier Jahren gezahlt.

Die Landesbibliothek

Der Ansitz Rottenbuch (oder Rothenpuech) in der Bozner Armando Diaz-Straße, heute als Sitz des Südtiroler Denkmalamtes bekannt, ist ein regelmäßiger Viereckbau mit Freitreppe, der erstmals im Jahr 1375 urkundlich erwähnt wurde. Von den ursprünglichen Besitzern der Familie Rottenpuecher kommt der Ansitz in den Besitz der Grafen Huyn, die ihn Ende der sechziger Jahre dann an die Eigenheim Ges.m.b.H. veräußern.
Die Genossenschaft, die die Immobilien treuhändisch für die Südtiroler Volkspartei verwaltet, kauft den Ansitz nicht für die Partei. Von Anfang an wird an eine andere Nutzung gedacht. Dabei will man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der Bau soll einer kulturellen Nutzung zugeführt werden, die der deutschen Sprachgruppe in ihrem Volkstumskampf entgegenkommt und gleichzeitig aber der Genossenschaft auch einiges an Einnahmen bringt.
Am 15. März 1971 beschließt der Verwaltungsrat der Eigenheim Ges.m.b.H. den Ansitz Rottenbuch in einer geeigneten Form dem Südtiroler Kulturinstitut zur Verfügung zu stellen, für die Unterbringung der „Tessmann-Bibliothek“. Der im Juni 1958 verstorbene Friedrich Tessmann hatte rund ein Jahr vor seinem Tod seine Bibliothek von über 20.000 Bänden und musealen und volkskundlichen Dokumenten durch eine Schenkung der Wiener Akademie der Wissenschaften übergeben. Über ein Kuratorium und das Südtiroler Kulturinstitut sollte daraus in Bozen eine Landesbibliothek entstehen.


Hans Dietl: Aus Partei und Genossenschaft geflogen.

Auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten kam 1970 der Ansitz Rottenbuch ins Spiel. Doch der Ankauf des Ansitzes durch die Eigenheim-Genossenschaft verzögert sich. Weil ein Nachbar sein Vorkaufsrecht geltend macht, kommt es zu einem Verfahren. So wird der Ansitz erst am 31. Mai 1972 formal im Grundbuch auf die Eigenheim überschrieben. Das Verfahren endet 1978 mit einem Vergleich.
Zudem gibt es auch innerhalb der Genossenschaft personelle Veränderungen. 1970 scheidet Franz Widmann als Mitglied aus und wird durch den damaligen Kulturlandesrat Anton Zelger ersetzt. Ein Jahr später geht auch ein enger Mitstreiter Widmanns: Hans Dietl. Sein Ausscheiden aus der Genossenschaft geht mehr oder weniger mit seinem Rausschmiss aus der SVP einher. Dietl wird in der Genossenschaft und in den Gremien durch keinen Geringeren als Roland Riz ersetzt.

Magnagos Scbnitzer

Mit der Annahme des Paketes und dem zweiten Autonomiestatut geht auch die Kompetenz des Denkmalschutzes und des Archivwesens an das Land über. 1972 beginnt man deshalb konkret über den Aufbau eines Landesdenkmalamtes und eines Landesarchivs nachzudenken. Und genau hier kommt die Immobilie "Ansitz Rottenbuch" der Genossenschaft Eigenheim gerade recht. Im Bilanzbericht 1972 heißt es:

„Der Obmann berichtet, dass nach Übernahme des Denkmalschutzes durch die Landesregierung Kanonikus Dr. Wolfsgruber vorgeschlagen hat im Ansitz Rothenpuech das Staatsarchiv, das Landesarchiv und die Ämter des Denkmalschutzes unterzubringen und in der dazugehörigen Grundfläche einen Neubau für die Tessman-Bibliothek zu errichten, weil das Schloss für die Unterbringung der Tessmann-Bibliothek vollkommen ungeeignet ist. Dieser Vorschlag stellt die Genossenschaft vor die Entscheidung, ob die bereit ist, dieser Zweckbestimmung des Ansitzes zuzustimmen und bejahendenfalls die Bedingungen für einen evtl. Verkauf des Ansitzes an die Landesregierung bzw. für eine Vermietung festzulegen.“

Die Vollversammlung der Genossenschaft beschließt diesen Weg zu gehen und man wartet auf ein Angebot durch die Landesregierung.


Silvius Magnago: Beitrag an sich selbst.

Es entsteht eine absurde Situation und ein Interessenkonflikt hoch drei. Silvius Magnago macht ein Immobiliengeschäft mit sich selbst. Und auch die SVP. Denn Silvius Magnago ist zu diesem Zeitpunkt immer noch Obmann der Eigenheim Ges. m.b.H und Landeshauptmann in Personalunion. Zudem sitzt die halbe damalige Landesregierung entweder im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat der Genossenschaft oder sie sind Mitglieder.
All das scheint die SVP-Politiker keineswegs zu stören. Man geht sogar noch viel weiter.
Am 12. April 1973 stellt die Genossenschaft ein Beitragsansuchen an die Landesregierung. Es geht um den Umbau des Ansitzes „Rothenbuch“. Das Ansuchen ist von Obmann Silvius Magnago unterschrieben. Am 3. Dezember 1973 genehmigt die Landesregierung per Beschluss für die Renovierung des Ansitzes einen „ersten Beitrag von 30 Millionen Lire“.
Doch dazu kommt es nicht. Denn die absurde Situation, dass Ansuchen um den Beitrag und das Dekret zur Gewährung des Beitrages von ein und derselben Person unterzeichnet wurden, nämlich von Silvius Magnago, fällt bei einer staatlichen Kontrolle auf. Selbstredend hatte der Landeshauptmann beim Landesregierungsbeschluss auch mitgestimmt. Aus diesen Gründen wird der Beitragsbeschluss vom Rechnungshof zurückgewiesen.

Aus diesen Gründen wird der Beitragsbeschluss vom Rechnungshof zurückgewiesen.

Die Enteignung

Die Genossenschaft „Eigenheim“ versucht jetzt einen anderen Weg. Im Bilanzbericht 1973 heißt es:

„Die Vollversammlung beschließt gleichzeitig, das Gebäude samt Grund im Ansitz Rothenpuech dem Land für die bereits angegebenen Zwecke zu vermieten, und zwar zu einem Mietpreis, den der Verwaltungsrat, einvernehmlich mit der Landesregierung festsetzen wird“.

Am 26. Oktober 1973 beschließt der Landesausschuss den Ansitz von der Genossenschaft anzumieten. Aber auch dieses Geschäft mit sich selbst, lässt der Rechnungshof nicht passieren. Auch dieser Beschluss wird rückverwiesen.
Damit bleibt nur mehr der Verkauf. Die SVP-Genossenschaft und die SVP-Landesregierung beschließen dabei den Weg einer Enteignung zu gehen. Ein erster Verkaufspreis wird mit einer Schätzung am 16. Juni 1975 festgelegt. Eineinhalb Monate später wird ein zweiter, etwas höherer Kaufpreis festgelegt.
1976 geht die Enteignung dann über die Bühne. 58.079.370 Lire zahlt das Land für die Enteignung des Ansitzes. Rein formal hat Landeshauptmann Silvius Magnago den Obmann der Genossenschaft Silvius Magnago enteignet. Eine Art Selbstenteignung mit einem sehr angenehmen finanziellen Nebeneffekt. Innerhalb weniger Jahre hat sich der Wert des Ansitzes fast verdoppelt und die Eigenheim Ges.m.H ordentlich verdient.

Brunecker Wohnung

Bereits 1976 macht die SVP-Genossenschaft den nächsten Immobiliendeal. Man kauft in Bruneck eine Wohnung. Es soll die Bezirkskanzlei der SVP werden. Doch es gibt Schwierigkeiten. Nachdem die Wohnung lange leer steht, wird sie ab Oktober 1979 vermietet. 750.000 Lire fließen so jährlich in die Kassen der Genossenschaft. 1981 wird die Wohnung von der Eigenheim mit einem ordentlichen Gewinn wieder verkauft.


Neubau in der Brennerstraße: Einzug 1984.

Denn inzwischen hat man größeres im Sinn. Man will einen neuen Parteisitz erwerben. Den Neubau in der Brennerstraße 7, wo die Volkspartei noch heute untergebracht ist. 1981 zahlt die Eigenheim-Genossenschaft 500 Millionen Lire für den neuen Sitz an. Die Partei hat inzwischen genügend Geld. Man zahlt die Immobilie jetzt aus der Parteikasse über die steuerschonende Genossenschaft. 1984 zieht die SVP in der Brennerstraße ein. Am Ende wird der Sitz von der Eigenheim um rund 1,8 Milliarden Lire. Bei den Vollversammlungen der Genossenschaft ärgert man sich in den ersten Jahren über die „hohen Kondominiumsspesen“ von rund 13 Millionen Lire, die man jährlich zahlen muss.
Die Immobilienaktivitäten der Eigenheim gehen aber weiter. 1983 beschließt die Genossenschaft wiederum in Bruneck eine Wohnung zu erwerben. Kaufpreis: 163.554.700 Lire. Es ist die spätere SVP-Bezirkskanzlei, die die Partei inzwischen wieder veräußert hat.

Die SVP Treuhand

Jahrelang sucht die Genossenschaft einen Käufer für den alten aufgelassenen Sitz in der Vintlerpassage. 1988 ist es endlich soweit. Die Wohnung wird an den Alpenverein Südtirol (AVS) verkauft, der sie zum Teil mit Landesbeiträgen bezahlt. Die Eigenheim Ges.m.b.H. verdient so 554.083.350 Lire. Damit man nicht Steuern zahlen muss, legt man den Gewinn in einem unteilbaren Fond an. Aus diesem Fond wird die Genossenschaft dann in den nächsten zwanzig Jahren schöpfen, um einen möglichen Bilanzverlust auszugleichen.
1991 wird die Genossenschaft dann in „SVP Treuhand Ges.m.b.H.“ unbenannt. Ihr Sitz wird von Bozen nach Neumarkt in die Kanzlei der Wirtschaftsberater Klaus und Rudi Stocker verlegt. Ab 1991 wird der Gesellschaftszweck erweitert. Die SVP-Treuhand soll auch die Parteizeitung „Volksbote“ herausgeben. Zudem legt die Genossenschaft die „Silvius Magnago Gedenkmünzen“ auf und vertreibt diese auch. Ein lukratives Geschäft. Allein im Jahr 1994 macht die Treuhand einen Umsatz von über 300 Millionen Lire damit.
Da Führungsduo Silvius Magnago und Friedl Volgger bleibt bis zu Volggers Tod 1997 an der Spitze der Genossenschaft. Magnago wird als Obmann erst 1999 abgelöst. Bezeichnender Weise durch Siegfried Brugger. Wenig später werden dann auch Helga Thaler-Außerhofer und Thomas Widmann als Mitglieder in die Genossenschaft aufgenommen. Damit sind die Kinder der Gründerväter am Werk.
Inzwischen ist die Genossenschaft nicht mehr aktiv und in Vergessenheit geraten.

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Salto User
Sepp.Bacher Wed, 08/05/2015 - 11:13

Sehr aufschlussreiche Recherche; danke Christoph! Also das Nicht-Steuer-Zahlen müsste man unter Anderem von dieses SVP-Genossenschaft lernen!

Wed, 08/05/2015 - 11:13 Permalink