Skandal im Sperrbezirk
Manchmal muss es schnell gehen. Am Donnerstag früh traf sich die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung zu ihrer programmierten Sitzung. Am Dienstag wurde urplötzlich ein Zusatzpunkt auf die Tagesordnung gesetzt. Der Punkt ist sowohl politisch wie auch rechtlich ein glühendes Eisen. Es geht um die Sanierung eines widerrechtlich erbauten Parkplatzes am Pragser Wildsee.
Was die Sache aber noch brisanter macht: Am selben Tag werden Beamte der Gerichtspolizei in der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung vorstellig. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Bozen beschlagnahmen sie die Akten zu diesem Parkplatz-Projekt.
Doch davon erfährt vorerst niemand. Obwohl man am Donnerstag Vormittag in der ehemaligen ersten Landschaftsschutzkommission über den Fall entscheiden muss, halten es die zuständigen Beamten nicht für nötig, diese Aktion der Justiz auf der Sitzung auch nur zu erwähnen.
Über eineinhalb Stunden lang diskutiert man am Donnerstag in der Kommission sehr kontrovers. Wie verhärtet die Fronten dabei sind, zeigt sich am Ende bei der Abstimmung. Vier Mitglieder der Kommission stimmen dafür und vier Mitglieder dagegen. Bei Stimmengleichheit zählt die Stimme es Vorsitzenden doppelt. Und Abteilungsleiter Anton Aschbacher stimmt für die Sanierungsgenehmigung des widerrechtlich errichteten Parkplatzes.
Abteilungsdirektor Anton Aschbacher: Doppelt entscheidende Stimme.
Aschbacher hat damit genau das ausgeführt, was ihm von seinem Dienstherrn und der Landesregierung nahgelegt wurde. Diese Entscheidung könnte aber ein Schritt vom Regen in die Traufe sein. Denn die Vorgänge rund um das Projekt sind ein politischer Skandal.
Ein Schritt vom Himmel
Der Pragser Wildsee ist eine Naturschönheit und seit über einem Jahrhundert ein Touristenmagnet. Vor allem durch die Fernsehserie „Un passo dal cielo“ mit Terence Hill erreichte der idyllische Bergsee nationale Berühmtheit. Plötzlich reißen die Touristenströme nicht mehr ab. Weil aber kaum einer den Schritt zum Himmel zu Fuß machen will, gibt es seit Jahren massive Verkehrs- und Parkprobleme am See.
Die Gemeindeverwaltung hat immer wieder versucht, das Chaos zu lösen. Doch man kam kaum weiter. Denn der See und die Umgebung sind nicht nur der Eingang zum Naturpark, sondern auch ein Naturschutzgebiet. Damit wird die immer wieder angestrebte Errichtung eines zusätzlichen Parkplatzes zum Problem.
Der Vorstoß eines privaten Investors wird von Land und Gemeinde abgeblockt. Die zuständigen Landesämter haben dabei von Beginn an eine klare Position. Nur der Bau eines weiteren Parkplatzes am See ist sinnlos. Was es braucht, ist ein klares Verkehrs- und Tourismuskonzept für das ganze Gebiet. Dieses Konzept kommt von der Gemeinde aber nie.
Widerrechtlicher Parkplatz
2015 wird Friedrich Mittermair Bürgermeister in Prags. Mittermair war bereits Bürgermeister von Welsberg und hat dabei zum Beispiel beim Abriss des alten Gerichtsgebäudes gezeigt, dass er manchmal auch schneller ist, als es die Behörden erlauben. (Mittermair wurde am Ende von allen Vorwürfen freigesprochen).
Ähnliches passierte auch am Pragser Wildsee. Mittermair hat sich direkt an den Landeshauptmann Arno Kompatscher gewandt, der sich die Situation am See vor Ort angeschaut hat. Daraufhin hat die Landesregierung Anfang Juni über den Fall diskutiert und die zuständigen Ämter aufgefordert, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden und zu genehmigen.
Dieses Sitzungsprotokoll nahm die Gemeinde Prags aber umgehend zum Anlass, einem privaten Interessenten und Hotelier am See eine Baukonzession für die Errichtung eines Parkplatzes auszustellen. In einer Nacht- und Nebelaktion fällte man dutzende Bäume und baute einen rund 13.000 Quadratmeter großen Parkplatz.
Stein des Anstosses: Illegal errichteter Parkplatz. (Foto wp)
Obwohl die zuständige Forstbehörde im Pustertal mitspielte, fehlten in Wirklichkeit aber alle Genehmigungen der zuständigen Ämter. Als die Bauarbeiten öffentlich bekannt wurden und der freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner eine Landtagsanfrage machte, reagierte man umgehend. Das Amt für Landschaftsschutz ließ die widerrechtlichen Arbeiten sofort einstellen und leitete ein Verfahren gegen den Bauherrn und die Gemeinde ein.
Weil es sich auch um strafrechtliche Vergehen handelt, machte Amtsdirektor Adriano Oggiano - wie vom Gesetz vorgesehen - auch eine Meldung bei der Staatsanwaltschaft. Es ist der Startschuss für die jetzt laufenden Vorermittlungen der Gerichtsbehörde.
Die Sanierung
Mit der öffentlichen Aufregung und der Einleitung des Verwaltungsverfahrens sind der Bauherr und die Gemeinde aber plötzlich nicht mehr einen Schritt vom Himmel entfernt, sondern schon eher in Richtung Hölle unterwegs.
Deshalb versucht man von höchster Stelle den widerrechtlichen Parkplatz zu sanieren. Der Haken, an dem man das aufhängen will, ist eine Bauleitplanänderung, die der Pragser Gemeinderat bereits am 19. Mai 2016 beschlossen hat. Am Pragser Wildsee wurde für den betreffenden Hoteleigentümer eine Tourismuszone ausgewiesen, mit der Errichtung eines Parkplatzes. Diese Bauleitplanänderung steht aber erst am Anfang der Genehmigungsprozedur.
Dennoch sollte mit der Ausweisung der Tourismuszone der widerrechtlich errichtete Parkplatz am Donnerstag auf der Sitzung der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung nachträglich saniert werden. Das zuständige Amt für Landschaftsökologie gab schon vorab ein negatives Gutachten zu dieser Vorgangsweise ab.
Auf der Sitzung kam es dann aber zu unerwartet harten Auseinandersetzungen. „Es geht doch nicht an, dass wir Projekte absegnen, die bereits widerrechtlich gebaut sind“, ärgert sich Roland Dellagiacoma, ehemaliger Direktor der Abteilung für Natur und Umweltschutz, der für den Dachverband in der Kommission sitzt.
Am Ende boxte Abteilungsdirektor Anton Aschbacher allein mit seiner Stimme die geplante Sanierung durch.
Es geht doch nicht an, dass wir Projekte absegnen, die bereits widerrechtlich gebaut sind.
Vergesslichkeit & Aufpasser
Auf der Sitzung am Donnerstag kommt es aber zu einigen Vorgängen, die durchaus als fragwürdig bezeichnet werden können. Berichterstatter in der Kommission war Adriano Oggiano. Der Direktor des Amtes für Landschaftsschutz wies zwar darauf hin, dass sein Amt ein Verwaltungsverfahren gegen die Bauherrn und die Gemeinde eingeleitet hat. Die Kommissionsmitglieder wurden aber nicht informiert, dass auch die Staatsanwaltschaft in diesem Fall bereits tätig geworden ist.
Bürgermeister Friedrich Mittermair: Bei eigener Begnadigung mitgestimmt?
Auch saß am Donnerstag jemand in der Kommission, der dort eigentlich nichts zu suchen hat. Fabrizio Cavallar, stellvertretender Amtsdirektor des Rechtsdiensts für das Territorium. Die Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung hat mit dem Verwaltungsamt für Natur und Umweltschutz eigene Rechtsexperten und Juristen, die diesese Kommission normalerweise beraten. In diesem Fall wurde aber bewusst jemand aus dem Palais Widmann geschickt. Damit die Sanierung ja durchgeht?
„Er war der Rechtsanwalt des Pragser Bürgermeisters“, beschreibt jedenfalls ein Kommissionsmitglied sarkastisch die Rolle Cavallars.
Der Bürgermeister
Was aber noch brisanter ist: Auch Bürgermeister Friedrich Mittermair stimmte am Donnerstag in der Kommission mit. Ohne seine Stimme wäre die Abstimmung 3 zu 4 ausgegangen und damit die Sanierung geplatzt.
Dabei ist Friedrich Mittermair als Pragser Bürgermeister nicht nur vom Verwaltungsverfahren des Landes betroffen, sondern auch von den Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft. Mittermair hat damit - wie vor ihm schon andere Bürgermeister - bei seiner eigenen Begnadigung mitstimmen dürfen.
Jedes einigermaßen gesunde Rechtsverständnis würde in diesem Fall von einer klaren Befangenheit ausgehen, die eine Enthaltung des Bürgermeisters erfordert. Doch im Reich des Anton Aschbacher gibt es das Wort Interessenkonflikt anscheinend nicht.