Society | Gehobener Lifestyle

Autoindustrie arbeitet mit Goethe

Wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft erzeugt ein neues Konsumproletariat und lässt den Mittelstand abgleiten? Die Autoindustrie tut was für das Selbstwertgefühl.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Da gibt es die einen, die mit steigenden Salären und fetten Boni belohnt werden, weil sie für das Produktions- und Dienstleistungssystem wichtig sind. Sie sind in den oberen Etagen der Gesellschaft angekommen. Leistung lohnt sich wieder. Und es gibt die Stars der Unterhaltungs-, Sport- und Freizeitindustrie, deren Beitrag zur Zerstreuung der Massen den planetaren Strippenziehern viel Geld wert ist. Sie können von weit unten kommen und mit viel Glanz und Luxus  zeigen, dass es Wege nach oben für alle gibt. Und dann gibt es eben die Massen. Das sind jene, die auf der Stelle treten oder merken, dass in ihrem Habitat die Rolltreppen alle nur nach unten gehen. Was steigt, sind nur die Lebenshaltungskosten, die Steuern und Tarife.

Die Löhne stagnieren in den unteren Einkommensklassen schon so lange, dass deren reale Einkommen seit den 90er Jahren blockiert sind. Prekarisierung und ein institutionalisierter Niedriglohnsektor haben dazu wesentlich beigetragen. Finanz- und Wirtschaftskrise, Umstrukturierungen im Produktionssystem und Verwerfungen im internationalen Wettbewerb bringen den Mittelstand in Schwierigkeiten. Für viele bedeutet das das Abgleiten aus vermeintlich unerschütterlichen Wohlstandslagen in solche der sozialen Bedürftigkeit. Keine guten Konstellationen für die Gemütsverfassung.

Die Autoindustrie hat diese Problemlage erkannt und sich daran gemacht, in Optimismus zu investieren. Wenn schon die Rahmenbedingungen es nicht mehr erlauben nach dem Motto zu leben „Du sollst es einmal besser haben“, so ist zumindest etwas dafür zu tun, um die allgemeine Stimmungslage zu heben. Dabei greift sie auf die wohlbekannte Einschätzung von Goethe zurück, der sein Leben rückblickend folgender maßen charakterisiert hat: „ Es war das ewige Wälzen eines Steines, der immer von neuem gehoben sein wollte.“ Das Gehobensein ist nun als Dauerzustand serienmäßig erhältlich. Dass es reißenden Ansatz findet, bestätigt die therapeutische Wirkung. Mit einem erhöhten Fahrgestell ist es einfacher, mit den Unwegsamkeiten des Lebens und der Wohlstandgefährdung zurecht zu kommen.