Vom Premier zum Parteichef
Nach Monaten interner Konflikte und Turbulenzen versucht die Fünf-Sterne-Bewegung einen Neubeginn. Mit einem Plebiszit von über 87 Prozent der Stimmen genehmigte die Basis das neue, von Giuseppe Conte ausgearbeitete Statut der Bewegung. Von über 113.000 Stimmberechtigten beteiligten sich knapp 61.000 an der Wahl. Damit wurde das erforderliche Quorum von 57.000 Stimme erreicht. Der Ex-Premier sieht nun Grund zur Genugtuung: "E' un grande giorno, una grande festa di partecipazione democratica. Siamo quello in cui crediamo. Crediamo nella democrazia partecipativa come motore per dare ancora più forza alla presenza sui terrirori e nelle istituzioni. Abbiamo un grande lavoro da fare."
Nach der Genehmigung des Status soll die Basis in einer zweiten Abstimmung am Donnerstag und Freitag Giuseppe Conte zum neuen M5S-Vorsitzenden wählen. Dessen dringendstes Problem sind nun die bevorstehenden Gemeinderatswahlen. Im August herrscht in Italiens Politik bekanntlich Stillstand und seit einigen Tagen weiß man, dass die fälligen und wegen der Pandemie verschobenen Gemeindewahlen am 3. Oktober stattfinden. Das setzt die Bewegung unter erheblichen Druck, da in vielen Städten glaubwürdige Kandidaten fehlen. "L´atteggiamento dei vertici è devastante", klagt etwa Gianluca Corrado, einziger M5S-Vertreter im Gemeinderat von Mailand. Dort verfügt die Bewegung bisher über keinen glaubwürdigen Bürgermeisterkandidaten. In Rom beharrt die amtierende (und nicht geimpfte) Bürgermeisterin Virginia Raggi auf einer neuerlichen Kandidatur, obwohl sie nach Umfragen nicht über 20 Prozent hinauskommt. Der Listenführer des Rechts-Bündnisses, Enrico Micheletti, liegt hier mit 36 Prozent klar in Front. In Turin, wo die scheidende Bürgermeisterin Chiara Appendino wegen ihrer zweiten Schwangerschaft nicht mehr antritt, geht die M5S-Fraktionschefin Valentina Sgana als Spitzenkandidatin ins Rennen. In vielen Gemeinden will die Bewegung nun mangels geeigneter Bewerber Kandidaten aus anderen Parteien oder Bewegungen unterstützen, die ihr politisch nahestehen oder ähnliche Ziele verfolgen.
Contes Wahl fand erstmals auf der Internet-Plattform Sky vote statt, die die tradionelle piattaforma Rousseau ersetzt, die in den Händen von Grillos Gegenspieler Davide Casaleggio verbleibt.
Heute beginnt in Italien das semestre bianco, das letzte Halbjahr der Amtszeit des Staatspräsidenten Sergio Mattarella. In dieser Zeit kann das Parlament nicht mehr aufgelöst werden, noch können Neuwahlen stattfinden. Bleibt zu hoffen, dass damit auch die hysterischen Töne und die politische Propaganda abflauen, die in den letzten Tagen die Parlamentsdebatte über die Justizreform der Ministerin Marta Cartabia geprägt haben. Und dass der politische Unruhestifter Matteo Salvini wieder seinen Stammplatz im Papeete Beach Club am Strand von Milano Marittima einnimmt, bei dessen Besitzer Massimo Casanova ("leghista da quando ho 18 anni") die Finanzpolizei gerade eine halbe Million Euro beschlagnahmt hat - wegen Steuerbetrugs.