„Wir haben alle entlassen“
Salto.bz: Herr Steger, die SVP schafft es immer wieder der Opposition einen Elfmeter ohne Torwart aufzulegen. Der letzte Akt: Der Streit in Ihrer Fraktion um die Kürzungen der Entschädigung des Landeshauptmannes?
Dieter Steger: Ich weiß nicht, ob das so ist. Fakt ist, dass wir jetzt geschlossen dastehen. Wir haben eine einheitliche Position. Das Thema ist auf der Tagesordnung des Landtages....
Thomas Widmann gegen Arno Kompatscher – 1 zu 0?
Nein. Thomas Widmann als Landtagspräsident hat richtig getan, dieses Gesetz einzubringen. Wenn Sie sich erinnern: Ganz am Anfang dieser Legislaturperiode, im ersten Monat, hat man das Reglement des Landtages für alle Funktionen, die vom Landtag gezahlt werden der Monti-Reform angepasst. Man hat die Zulagen so angeglichen, wie es die Reform vorsieht. Offen blieb damals nur die Position der Landesregierung, die mit Landesgesetz neu zu definieren ist. Genau das tun wir jetzt.
Die SVP tut etwas anderes: Intern streiten?
Nein, seit damals ist eine klare Frage auf dem Tisch: Muss man sich hier anpassen oder nicht? Thomas Widmann hat das Ganze auf die lange Bank geschoben. Irgendwann aber hat der Landtagspräsident gesagt, bevor meine Amtsperiode zu Ende geht, muss ich etwas tun. Sonst kommt der Rechnunghof und ich bin der Schuldige. Das war der Grund, warum man letztlich diese Gesetz eingebracht hat.
Es gibt aber auch einige in Ihrer Fraktion die mit Schadenfreude dem Landeshauptmann 2.000 Euro im Monat nehmen wollen?
Mah, das glaube ich nicht. Thomas Widmann sicher nicht. Er ist einer der Wenigen, der der Meinung ist, dass das was ein Verwalter von 5 Milliarden Euro heute bekommt, auch angemessen ist.
Tatsache ist, dass mit der geplanten Reform der Landtagspräsident gleich viel bekommen soll, wie der Landeshauptmann. Das ist doch absurd?
Nein, absurd ist es nicht. Es ist in Europa mehr oder weniger Standard, dass es hier keine großen Unterschiede gibt...
Sie waren selbst Landtagspräsident. Sie werden doch nicht behaupten, dass der Präsident des Landtages dieselbe Verantwortung und Arbeit hat wie der Landeshauptmann?
Nein, es geht aber nicht darum. Auch ein Staatspräsident hat nicht dieselbe Verantwortung wie ein Ministerpräsident und verdient das Doppelte. Das ist so. Das heißt es hängt nicht mehr von der operativen Arbeit oder von der Risikosituation ab, sondern es hängt von der Position und vom Amt ab. Der Chef des exekutiven Organs wird so bewertet und der Chef des legislativen Organs genauso. Ich will damit nicht sagen, dass das richtig oder falsch ist. Nur, dass diese finanzielle Wertigkeit nicht absurd ist, weil sie anderswo auch angewandt wird.
„Auch ein Staatspräsident hat nicht dieselbe Verantwortung wie ein Ministerpräsident und verdient das Doppelte.“
Verdient sich ein Südtiroler Landeshauptmann keine 10.000 Euro im Monat Netto?
Ich habe das immer schon gesagt. Auch wenn das viele Leute nicht hören wollen und mich deshalb kritisieren werden. Ich bin überzeugt, dass jemand, der diese Verantwortung hat, der 5 Milliarden zu verwalten hat und jeden Tag der Gefahr ausgesetzt ist, angezeigt zu werden, der seine Privatsphäre total der Öffentlichkeit preisgeben muss und der ein Mandat hat, das nach fünf Jahren abläuft, also keinen sicheren Job hat, dass nach diesem Profil, die – zugegebenermaßen gute Vergütung – absolut gerechtfertigt ist.
Nicht nur die Opposition punktet aber in der Öffentlichkeit. Auch der neue Landtagspräsident Roberto Bizzo spielt Saubermann und bestreitet mit diesem Thema bereits jetzt Wahlkampf.
Dieses Thema eignet sich bestens um Wahlkampf zu machen. Aber ich weigere mich hier mitzuspielen. Ich glaube, wenn man sich die Situation des Landeshauptmannes anschaut, dann ist das was er bekommt, absolut nicht unangemessen.
Warum aber sagt das die SVP nicht geschlossen? Aus Angst vor der Straße?
Ich habe das immer gesagt. Und wir werden uns auch äußern, wenn dieses Thema im Landtag behandelt wird. Ich persönlich bin der Auffassung, dass es keine großen Probleme geben wird.
„Dieses Thema eignet sich bestens um Wahlkampf zu machen. Aber ich weigere mich hier mitzuspielen.“
Keine Angst vor eine geheimen Abstimmung im Landtags mit Heckschützen aus den eigenen Reihen?
Nein. Meine Sorge ist die Tatsache, dass die Opposition dieses Thema nützt, um uns wieder einmal eins auszuwischen. Es ist nämlich nie genug, alles was wir tun, ist falsch...
Das haben Sie sich schon selbst auf die Fahnen zu schreiben. Wenn die SVP nicht einen solchen Zick-Zack-Kurs fahren würde....
Wobei man hier schon zur Ehrenrettung der Akteure sagen muss, dass wir zu Beginn der Legislatur zwei heiße Kartoffeln in den Händen hatten. Dabei bei beiden Problemen nicht mit der nötigen Tiefe und Gelassenheit imstande waren, eine klare, einheitliche Position zu finden und diese nach außen hin auch zu kommunizieren. Es wäre aus heutiger Sich nicht nötig gewesen, das gleich im ersten Monat zu regeln. Es wäre viel gescheitert gewesen, die gesamte Thematik herzunehmen und ein Paket vorzuschlagen. Dieses Gesamtpaket hätte zuerst in der eigenen Fraktion beschlossen und dann mit den anderen Parteien abgesprochen werden sollen. Denn das ist ein Thema, das man nicht nur mit der Regierungsmehrheit durchdrücken kann, sondern wo man schon eine breiteren Konsens braucht.
Anscheinend aber gibt es nicht einmal eine Konsens mit Ihrem Juniorpartner PD?
Das werden wir sehen. Ich jedenfalls arbeite daran, dass wir nicht mit 18 oder 19 Stimmen im Landtag eine Lösung finden, sondern mit weit mehr Stimmen.
Sie wollen ein Gesamtpaket mit dem man die verschiedenen finanziellen Problempunkte regelt. Wie soll das ausschauen?
Es soll eine Gesamtpaket der Politikkosten sein. Dort sind die Entschädigungen drinnen, die Fraktionsgelder, was die Parteien kosten. Kurzum es ist all das drinnen, was die Landespolitik und die Demokratie kostet. Auf der Basis dieser Kosten möchte ich eine Lösung finden, die sich an zwei Dingen orientiert. Einmal, dass wir nicht diejenigen sind, die alles tun, um öffentliches Geld und Steuergelder des Bürgers auszugeben, sondern, dass wir vernünftig in einem klar gegebenen Rahmen bleiben. Man kann dann darüber reden ob wir den Rahmen noch einmal tiefer legen oder nicht. Was ich aber nicht möchte, ist dieses Herumgehandle mit Zahlen. Du bekommst nur mehr das und die Fraktion, soll um das weniger bekommen.
Wie viel darf Demokratie kosten?
Das kann man nicht an einer Zahl festmachen. Die Frage für mich ist: Wenn ich als Fraktion keine Zuwendungen mehr bekomme, wie soll man dann arbeiten? Wenn ich eine Information brauche, wenn ich Schreibmaterial oder einen Computer brauche, wer zahlt das? Das muss geregelt werden. Parteien wird es auch in Zukunft geben. Aber ohne öffentliche Finanzierung werden sie privat finanziert sein. Ich habe damit kein Problem. Diese Parteien gibt es bereits: Ganz gleich ob wir die Berlusconis Partei hernehmen oder andere. Sicher ist, dass es für diese Bewegungen viel schwerer ist das Gemeinwohl zu vertreten und viel einfacher zu sagen, ich arbeite nur mehr im Interesses derer, die mich zahlen. Ich denke nicht, dass das der richtige Weg für unsere Demokratie ist.
Sie sind der erste SVP-Fraktionssprecher, der für dieses Amt nicht 60.000 Euro Brutto im Jahr bekommt, sondern keinen Cent. Wollen Sie die Wiedereinführung dieser Entschädigung erreichen?
Hier bin ich selbst betroffen und deshalb sage ich kein Wort dazu. Ich habe das nie gefordert und werde das auch nicht tun. Im Gegenteil, wenn man mir das unterstellt, dann müsste ich den Widmann-Gesetzentwurf unterstützen, denn dort steht genau das drinnen. Mir geht es darum, dass ein Respekt für diese Funktion und dieses Amt da ist. In der SVP gilt es 17 Mandatare und Mandatarinnen zusammenzuhalten. Das ist kein leichter Job, sondern eine Aufgabe mit viel Aufwand. Aber ich werde zu diesem Thema sicher nichts sagen.
Der zweite Punkt ist: Jeder Landtagsabgeordnete soll einen persönlichen Sekretär bekommen?
Nein. Aber klar ist, dass wir Mitarbeiter brauchen, sonst müssen wir das System ändern. Ich kann nicht verlangen, dass im Landtag 35 Juristen, Studierte oder Agronomen sitzen. Die Abgeordneten machen Politik, brauchen dazu aber so wie es in jedem Parlament ist, einen technischen Support. Diese technische Hilfe ist durch die Struktur des Landtags heute nicht gegeben. Deshalb braucht es Mitarbeiter. Wie man es dann organisiert ist zweitrangig. Ob jeder Abgeordnete einen Mitarbeiter bekommt oder ob es einen Staff von Mitarbeitern gibt, der eine Fraktion betreut.
„Die Abgeordneten machen Politik, brauchen dazu aber so wie es in jedem Parlament ist, einen technischen Support. Diese technische Hilfe ist durch die Struktur des Landtags heute nicht gegeben.“
Die SVP hat in der Fraktion doch genügend Mitarbeiter?
Ich kann nur sagen, dass ich dankbar bin. Wir haben Mitarbeiter, die 45.000 Euro Brutto-Brutto verdienen. Das macht Netto 1.500/1.600 Euro im Monat aus. Wenn ich eine juristische Expertise brauche, dann brauche ich Experten und die werden halt auch ein bisschen was kosten. Oder? In der aktuellen Konstellation ist das aber ganz schwierig. Deshalb braucht es eine Änderung. Man muss das Ganze anders organisieren. Was nicht heißen soll, dass das neue Modell mehr kosten muss.
Wie schaut Ihr Modell aus?
Die beste Lösung für mich wäre, dass der Landtag die Mitarbeiter den Fraktionen zuordnet. Wie im nationalen Parlament. Zum einen können die Fraktionen, dann die Arbeit intern organisieren. Zum anderen ist es auch für die Mitarbeiter eine Sicherheit. Sie sind zwar Mitarbeiter auf Zeit, aber beim Landtag. Auch wenn es ihre Fraktion nicht mehr gibt, bleiben sie im Pool und werden wenn nötig neu zugeteilt.
Wie lang wird man brauchen, um dieses Gesamtpaket zu schnüren?
Mein Ziel ist es noch in diesem Jahr. Wobei es sein könnte, dass man rein gesetzesstechnisch zweimal eingreifen muss. Das Thema Fraktionen müssen wir auf jeden Fall vor dem Referendum zur Verfassungsreform regeln. Denn wenn das Referendum positiv ausgeht, gibt es einen Tag später keine Finanzierung für die Fraktionen mehr. Wir haben alle Mitarbeiter bereits gekündigt.
Wie alle anderen Fraktionen?
Ich denke schon. Ich habe eine Privatvertrag mit den Fraktionsmitarbeitern. Wenn ich jetzt nicht vorsorglich kündige, dann kann ich die Löhne danach aus der eigenen Tasche zahlen. Natürlich wird diese Kündigung nichtig, wenn die Verfassungsreform nicht kommt.
Diese Teil muss also schnell geregelt werden. Und der Rest?
2018 haben wir Landtagswahlen und ich denke, dass man dieses Thema auf keinen Fall zum Wahlkampfthema machen darf. Ich will deshalb eine Lösung im kommenden Winter.
Zuversichtlich, dass das klappt?
Ja, sehr. Es wird sicher ein unmögliches Stechen mit der Opposition werden. Aber SVP-intern bin ich sehr zuversichtlich.
Zum Gehalt des LH finde ich
Zum Gehalt des LH finde ich die Argumente Stegers großteils teilenswert. Allerdings darf die Debatte nicht über die 10.000 netto geführt werden, sondern über die 19.200 Brutto im Monat, weil...
1. von dieser Basis die bei solchen Gehältern hohen steuerlichen Absetzbeträge abgezogen werden;
2. auf dieser Grundlage die Pensionsbeiträge und damit die Höhe der künftigen Rente berechnet werden;
3. solche Beträge weder der italienische Regierungschef (Renzi kriegt die Hälfte und auch wenn unsere Autonomie noch so viel Verantwortung bringt, wird es immer weniger sein, als einen großen Staat zu führen) noch die deutsche Kanzlerin erhalten (wir reden hier von G7-Staaten!);
4. diese Summe für viele Erwerbstätige das Jahresgehalt ausmacht.
Aus diesen Gründen ist Kompatschers Salär schlicht und einfach unverhältnismäßig.
In reply to Zum Gehalt des LH finde ich by Martin Daniel
Auch die Assessoren und der
Auch die Assessoren und der Governatore des Trentino begnügen sich mit geringeren Gehältern, obwohl sie die selben Kompetenzen zu verwalten haben.
Der Vergleich mit Regierungschefs hinkt meines Erachtens: Bundeskanzlerin Merkel stehen neben dem Gehalt Gemächer mit Personal im Bundeskanzleramt zur Verfügung; das selbe gilt für Obama und dem Weißen Haus. Wie das bei Renzi ist, weiß ich nicht. Ich vermute aber, dass es sich dort ähnlich verhält, wie beim Staatspräsidenten (Quirinal-Palast) oder anderen Regierungschefs. Er hat seinen Sitz im Palazzo Chigi.