Society | Interview

Bitte keinen Kuschelkurs

Demokratische Politik braucht Mehrheiten. Deshalb fordert Peter Kasal Klimaschützer:innen auf, frecher und direkter zu sein.
Peter Kasal
Foto: Privat

Der Amtsdirektor für Landschaftsplanung Peter Kasal weiß, wie es ist, schlechte Nachrichten zu überbringen. Oft ist er es, der Menschen erklären muss, wieso ihr Bauprojekt nicht den Richtlinien der Landschaftsplanung in Südtirol entspricht. Keine leichte Aufgabe – Menschen, die sich Sorgen wegen der Klimakrise machen, stehen vor einem ähnlichen Problem. 

Auch die Initiative Zukunftspakt Südtirol, die Kasal mit seiner Unterschrift unterstützt, will beim Klimaschutz endlich Fortschritte erzielen. Im Interview verrät der Spitzenbeamte, was aus seiner Sicht beim Zukunftspakt und in Südtirol noch fehlt, um gemeinsam eine Modellregion für Nachhaltigkeit zu werden. 

Peter, wieso unterstützt du den Zukunftspakt?

Peter Kasal: Ich unterstütze den Zukunftspakt, weil ich die Gruppe ermutigen will, weiterzumachen und dranzubleiben. Ich halte einen breiten Diskurs zu diesen Themen für absolut dringend und überfällig. Ich möchte die Mitglieder des Zukunftspaktes aber auch anspornen, etwas forscher, direkter, fordernder zu sein. Es ist gut, wenn man friedfertig und wertschätzend diskutiert, aber um wirklich spürbare Veränderungen anzuschieben, ist es manchmal auch notwendig, ein bisschen anzuecken. Wir wissen doch alle seit den 70er Jahren, dass wir in einer erdölbetriebenen Zivilisation leben und wir unaufhörlich Boden verbrauchen, aber wir ändern nicht grundsätzlich etwas daran. Natürlich ist es notwendig, dass wir bei uns selber anfangen mit Veränderung, aber das reicht nicht! Wir müssen auch fordern, aufzeigen, uns einmischen. Sonst ist zwar unser eigenes Gewissen beruhigt, aber zugleich machen skrupellose Leute mit nicht-nachhaltigem Verhalten weiterhin Geschäfte auf Kosten des Gemeinwohls und freuen sich höchstens, wenn die Gruppe der Einsichtigen nur mit sich selber beschäftigt ist. 

Endliche Ressourcen wie fossile Energieträger oder natürlicher Boden können gar nicht nachhaltig genutzt werden

Nachhaltig ist ein so häufig verwendeter Begriff. Konkret: Wie setzt du in deinem Alltag und bei deiner Arbeit Nachhaltigkeit um? 

Es stimmt, den Begriff Nachhaltigkeit nimmt man inzwischen für so gut wie alles her. Im Grunde heißt Nachhaltigkeit aber, dass man nirgends mehr herausnehmen soll als nachwächst. Der Begriff kam aus der Forstwirtschaft und bezog sich auf den Wald. Wir sollen, allgemein gesprochen, also nicht mehr verbrauchen, als der Planet nachliefert, bei Energie und Nahrungsmitteln etwa. Endliche Ressourcen wie fossile Energieträger oder natürlicher Boden können gar nicht nachhaltig genutzt werden, weil sie eben nicht mehr nachwachsen. Ich versuche wo immer es geht auf diese Zusammenhänge hinzuweisen und auch selber danach zu leben. Ich bevorzuge regionale, saisonale Lebensmittel, vermeide Plastik, benutze kaum noch ein Flugzeug, im Gegensatz zu früher. 

Jede Veränderung braucht Menschen, die sie mittragen

Und im Rahmen meiner Arbeit setze ich mich für Minimierung des Bodenverbrauchs, für den achtsamen Umgang mit Landschaft, für regionale Kreisläufe und Tierethik ein. Ich schreibe Leserbriefe, gebe Interviews, halte Referate. Ich weise auch immer wieder auf Widersprüche hin. Wir möchten eine nachhaltige Landnutzung, aber seit den 50er Jahren wird maschinell planiert, melioriert, Mulden aufgefüllt, dränagiert, entwässert, es wird asphaltiert, versiegelt, ehemalige Retentionsflächen werden zugebaut. Tausende von Eingriffen im Jahr in Südtirol. Jetzt treten die Flüsse ständig über die Ufer, weil das Wasser blitzschnell in die Bäche und Flussläufe abrinnt. Wir haben dem Boden seine natürliche Rückhaltefähigkeit genommen. 

Ein anderes Thema ist unser Umgang mit den Tieren. Wir reden von Biodiversität und von regionalen Kreisläufen, weniger Fleischkonsum und von ökologischer Ernährung. Aber was nützt es, wenn ein paar tausend Südtiroler das praktizieren, und zugleich werden jedes Jahr die Körperteile von dreieinhalb Millionen toten Schweinen aus der schlimmsten Massentierhaltung – ökologisch eine Katastrophe und tierethisch ein Verbrechen – mit Kühllastern nach Südtirol verfrachtet, um den so genannten Südtiroler Speck zu produzieren. Eine Verbrauchertäuschung ersten Ranges und alles andere als ein Aushängeschild für den Namen Südtirol. 

Um wirklich spürbare Veränderungen anzuschieben, ist es manchmal auch notwendig, ein bisschen anzuecken

Wieso findest du es wichtig, dass sich beim Thema Nachhaltigkeit alle Menschen beteiligen können?

Ganz einfach, weil es alle Menschen etwas angeht! Angehen muss! Und weil niemand für sich allein die perfekte Lösung für alle Herausforderungen haben kann. Gute Lösungen und Ideen entstehen durch Visionär:innen, aber genauso durch die kollektive Intelligenz einer ganzen Gruppe. Jede Veränderung braucht Menschen, die sie mittragen. Und Südtirol hat ein unglaublich hohes Know how, in Technologie, Handwerk, Landwirtschaft, aber auch so wichtige Qualitäten wie Organisation, Ehrenamt, Eigeninitiative. Wir haben das Zeug dazu, eine Modellregion für Nachhaltigkeit zu werden. Noch sind wir das nicht, aber wir können es werden!

 

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Albert Willeit Sat, 09/04/2021 - 20:16

Danke Peter für diese eindeutigen Worte! Ja, die vielen beschönigenden Erklärungen der Politiker hören sich gut an und beruhigen das Volk, doch zu viele ihrer Handlungen sehen leider weiterhin ganz anders aus. Deshalb braucht es generell eine absolut härtere Gangart mit klaren Forderungen an sie und die Verwalter, damit in den Bereichen Landschaftsschutz, Autoverkehr, Tourismus, Ernährung,... endlich die dringend notwendige Wende zu einem nachhaltigeren Leben und Wirtschaften im Lande auch konkret angegangen wird.

Sat, 09/04/2021 - 20:16 Permalink
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Margot Wittig Fri, 10/08/2021 - 11:34

In reply to by Albert Willeit

◦ und zur härteren Gangart gehört vor allem eine klare Ablehnung der Verantwortlichen- wer immer das ist…-von Grossprojekten in besonders sensiblen Gebieten wie das Projekt zum Abriss der bestehenden Kölnerhütte und dem Neubau eines neuen Hotels mit unsinnig grossen Glasflächen in einen Hang hineingegraben, der jetzt schon immer wieder in Brocken zu Tal donnert…
wobei vor Kurzem die Landesrätin gesagt hat, dass jedes abgerissene Gebäude eines zu viel ist, wenn man die Energiebilanz anschaut. Es braucht jetzt keine Slogans mehr, sondern klare Massnahmen bei konkreten Projekten. Raumplanung und Landschaftsplanung hängt ganz eng mit Mobilität zu tun, bei uns noch viel zu oft mit negativen Folgen!

Fri, 10/08/2021 - 11:34 Permalink
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Sepp.Bacher Fri, 10/08/2021 - 15:10

Bleiben wir bei Baumwolltextilien: meine Wäsche besteht eben aus Baumwolle. Ich beziehe meine Wäsche aus biologisch angebauter und alternativ verarbeitet Baumwolle. Das hat wahrscheinlich einen positiven Effekt auf meine Haut, aber bei der Verarbeitung wird auch Energie und Wasser verbraucht. Da sehe ich keine Alternative! Sie haben meine diesbezügliche Frage auch nicht beantwortet.

Fri, 10/08/2021 - 15:10 Permalink