Ein Egoismus-Problem?
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Der Gemeinderat von Terlan hat sich in seiner gestrigen (3. Oktober) Sitzung mehrheitlich gegen die Umwidmung einer landwirtschaftlich genutzten Fläche in Gewerbegebiet von Landesinteresse ausgesprochen. Konkret ging es dabei um jene fünf Hektar Grundfläche, die der Hypercharger-Hersteller Alpitronic als Standort für seinen neuen Firmensitz auserkoren hat. Bereits im Vorfeld gab es massive Kritik an diesem Projekt. So hat Helene Huber vom Verein für Kultur und Heimatpflege Etschtal im Vorfeld zur Gemeinderatssitzung einen offenen Brief verfasst, in welchem sie harsche Kritik an der geplanten Betriebsansiedlung übt und Landeshauptmann Arno Kompatscher sowie der Landesregierung ein „undemokratisches“ Verhalten vorwirft. Kurzerhand hätten sie die Spielregeln geändert und die Terlaner Bevölkerung „entmachtet“, indem nun ein Industriegebiet von Landesinteresse ausgewiesen werden soll. Damit sei den Bürgern von Terlan das Mitspracherecht genommen worden und es werde über ihre Köpfe hinweg entschieden.
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„Gegen diese undemokratische Vorgehensweise protestieren wir!“, heißt es in der Aussendung, welche auch der Terlaner Gemeindeverwaltung zugestellt worden ist, wie Bürgermeister Hansjörg Zelger auf Nachfrage berichtet. Der Gemeinderat selbst jedenfalls habe alles andere als undemokratisch gehandelt, so die Überzeugung. Jeder einzelne Schritt, sei es die Interessensbekundung seitens des Unternehmens Alpitronic wie auch die weiteren Entwicklungen, seien im Gemeinderat gemeinsam abgestimmt worden. „Das ist mit Sicherheit kein undemokratisches Verhalten! Ich habe mich sehr bemüht, den Gemeinderat laufend zu informieren und einen gemeinsamen Weg zu finden“, so Zelger, der weiters betont, dass es aber auch möglich sein müsse, eine andere Meinung vertreten zu dürfen. Das Unternehmen sei vor rund zwei Jahren an die Gemeinde herangetreten und habe die Absicht erklärt, sich in Terlan niederzulassen. Über ein Jahr hinweg habe sich das weitere Procedere auf einen reinen Informationsaustausch beschränkt, über welchen der Gemeinderat ständig auf dem Laufenden gehalten wurde. „Nach Vorlage eines Vertrages über die Grundverfügbarkeit hat Alpitonic eine Flächenumwidmung beantragt“, so Zelger. Diese wurde jedoch wieder zurückgenommen, nachdem die Kommission für Raum und Landschaft im Sommer 2022 in Teilen ein negatives Gutachten dazu abgegeben hat. Der Lösungsvorschlag seitens des Landes hieß dann: Ausweisung eines Gewerbegebietes von Landesinteresse, womit die Betriebsansiedlung auch gegen den Willen der Gemeinde durchgesetzt werden kann. Dieser bleibt lediglich die Möglichkeit, eine Stellungnahme dazu abzugeben.
„Darüber sind wir nicht glücklich, denn die Entscheidung würden wir gerne selbst treffen.“
„Darüber sind wir nicht glücklich, denn die Entscheidung würden wir gerne selbst treffen“, so Zelger. So bleibe abzuwarten, ob die Landesregierung sich nach der Mehrheitsposition der Gemeinde richtet oder auf den Standort in Terlan beharrt. Nach der Stimmung in der Bevölkerung gefragt, erklärt der Bürgermeister von Terlan, dass seiner Meinung nach die Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen gegen die Betriebsansiedlung ist. Im Rahmen des Gemeindeentwicklungsprogrammes wurde eine Umfrage gestartet, zu der sich die Bürger und Bürgerinnen auch zum Thema Alpitronic äußern konnten. In der rund 5.000 Einwohner zählenden Gemeinde wurden knapp 700 Fragebögen ausgefüllt. „Ein Viertel der Teilnehmer hat sich für die Betriebsansiedlung ausgesprochen“, erklärt der Terlaner Bürgermeister. Dieser Richtwert entspreche auch den Eindrücken, die sich aus den verschiedenen Gesprächen ergeben haben: Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ist dagegen, jene, die insbesondere der Wirtschaft nahe stehen, befürworten dagegen die Ansiedlung. Diese Meinung spiegle sich auch im Gemeinderat wieder. Schade sei allerdings, so Zelger, dass diejenigen, die eine andere Meinung vertreten und nicht mit der lauten Mehrheit mitmachen würden, „stigmatisiert“ würden. „Zu einer Demokratie gehört jedoch, dass alle Meinungen Platz finden“, so Bürgermeister Zelger. Nicht nachvollziehen könne er deshalb den alleinigen Vertretungsanspruch des offenen Briefes, in welchem suggeriert wird, dass die gesamte Gemeinde gegen die Betriebsansiedlung sei.
Auf das offensichtliche Unbehagen des Vereins für Kultur und Heimatpflege Etschtal angesprochen, was die möglichen weitreichenden Veränderungen betrifft, erklärt Bürgermeister Zelger, dass mit Veränderungen immer auch eine gewisse Angst einhergehe. Ob die Veränderungen sich zum Positiven oder Negativen wenden, würde erst die Zeit zeigen. „Das gesamte Etschtal war seinerzeit massiv gegen den Bau der Mebo. Im Vorfeld hat es riesige Ängste gegeben. Nach 20 Jahren kann man sich ein Leben ohne Mebo nicht mehr vorstellen und die Verbindung Meran – Bozen wäre ohne diese Schnellstraße eine verkehrstechnische Katastrophe“, so Zelger. Damals seien couragierte und notwendige Entscheidungen getroffen worden, die klar gegen die Interessen der Talbevölkerung verstießen. „In der heutigen Zeit ist es nicht einfach, genügend Verständnis für solche großen Veränderungen zu finden“, erklärt der Bürgermeister. Doch wie müsste die Entscheidung lauten, wenn die Zukunftsperspektiven für Terlan für die nächsten 20 Jahre mit der derzeit herrschenden Ablehnung gegeneinander abgewogen werden müssten?
„In der heutigen Zeit ist es nicht einfach, genügend Verständnis für solche großen Veränderungen zu finden.“
„Jeder Wirtschaftszweig hat seine Berechtigung. Wir müssen uns so breit wie möglich aufstellen, um für die Zukunft gerüstet zu sein“, ist Zelger überzeugt, wobei sich die Frage stelle, ob die Gemeinde Terlan der geeignete Ort für die Betriebsansiedlung von Alpitronic sei oder nicht doch besser eine andere Gemeinde. Tatsache sei aber auch, dass die Bevölkerung eine solche Entwicklung grundsätzlich befürworte. „Die meisten, die sich gegen die Ansiedlung in Terlan aussprechen, sind überzeugt, dass es sich bei Alpitronic um ein tolles Unternehmen handelt.“ Vielfach würden in diesem Dilemma die größeren Zusammenhänge außer Acht gelassen, kritisiert Zelger, der als Beispiel die Abwanderung von jährlich rund 1.000 jungen Leuten nennt, die im Ausland bessere Bedingungen vorfinden. Mit dem NOI-Park habe das Land die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in Südtirol innovative Betriebe entstehen und Arbeitsplätze geschaffen werden. Hat ein solcher Betrieb jedoch Erfolg mit seinem Konzept, fehle es an der nötigen Unterstützung. „Alle sagen super und toll – aber nicht bei mir. Das ist die große Schwierigkeit! Ich habe für jeden Verständnis, der neben der Straße wohnt und dieses Projekt ablehnt, weil er noch mehr Verkehr fürchtet“, betont Zelger, aber man müsse auch weiter denken und den Horizont erweitern, denn auch die Generation von morgen müsse arbeiten und Wertschöpfung generieren können. „Ein Betrieb, der im Bereich nachhaltige Mobilität tätig ist, ist genau das, was heute gefordert wird. Wenn wir solche Betriebe nicht unterstützen, haben wir in unserer Gesellschaft ein Egoismus-Problem.“
Guter Beitrag insbesondere…
Guter Beitrag insbesondere der letzte Absatz
„Ein Betrieb, der im Bereich nachhaltige Mobilität tätig ist, ist genau das, was heute gefordert wird. Wenn wir solche Betriebe nicht unterstützen, haben wir in unserer Gesellschaft ein Egoismus-Problem.“
In reply to Guter Beitrag insbesondere… by Stefan S
Aber es gibt ja mehrere…
Aber es gibt ja mehrere freie Gewerbeflächen in Bozen Süd und im Unterland! Soll man doch diese zuerst für die Alpitronic Ansiedlung nutzen, anstatt wertvolles Grün zu versiegeln oder?
Dasselbe gilt übrigens auch für das neue Industriegebäude der Firma Progress an der Stelle des sehr wertvollen Brixner Auwaldes! Wieso kann man dafür nicht die große Freifläche vor der Firma Alupress oder das ex-Holz Magagna Gelände verwenden frag ich mich?!
NB. Man muss nur wollen aber in beiden Fällen scheint etwas faul zu sein….
In reply to Aber es gibt ja mehrere… by Franz Pattis
Das ist richtig, mein…
Das ist richtig, mein Kommentar bezog sich ja auch auf den Artikel und nicht explizit auf den Standort.
Warum Alpitronic hier den direkten Kontakt zur Gemeinde abgebrochen hat und jetzt über die Landesregierung den Standort sichern will erschließt sich mir nicht oder besser gesagt, das halte ich für einen Fehler.