Chronicle | Selbstmord

Britannys Chronik eines angekündigten Todes

Die junge Amerikanerin Brittany Maynard hat ihren Freitod öffentlich inszeniert und damit eine gewaltige Resonanz in den Medien ausgelöst.

Erst wollte sie noch den Grand Canyon sehen. Ein Foto zeigt die 29-ährige Britanny Maynard , wie sie lachend vor dem Hintergrund schroffer Felswände ihren Mann umarmt und küsst. Die letzten Tage ihres kurzen Lebens gestaltete sie so, wie sie es wollte. Ihre Abschiedsbotschaft rührte Millionen in aller Welt. Am 1. November schrieb sie noch einen letzten Brief an ihre Freunde, dann nahm sie im Kreis ihrer Familie die todbringenden Medikamente ein, die sie von einer Sterbehilfe-Organisation bekommen hatte.

Seit dem Fall Brittany Maynard wird in den USA intensiv über das selbstbestimmte Sterben diskutiert. Die 29-Jährige hatte nach ihrer Krebsdiagnose verkündet, ein qualvolles Lebensende unbedingt vermeiden zu wollen. Im April hatten die Ärzte einen aggressiven, schnell wachsenden Gehirntumor bei Maynard diagnostiziert und ihr noch sechs Monate zu Leben gegeben.

Daraufhin zog sie mit ihrem Ehemann Dan Diaz nach Oregon, einem von fünf US-Bundesstaaten, in denen Ärzte schwer kranken Menschen mit geringer Lebenserwartung todbringende Mittel verschreiben dürfen. Anfang Oktober kündigte sie ihren Tod für den 1. November an. Um weniger Schmerzen leiden zu müssen, wolle sie mit Hilfe eines tödlichen Medikamentes aus dem Leben scheiden. Maynards Entscheidung, mit diesem angekündigten Suizid dafür zu kämpfen, dass todkranke Menschen selbst über ihr Ableben entscheiden können, hat die Debatte um aktive Sterbehilfe neu angefacht.

"Ein würdevolles Sterben macht weniger Angst"

In ihren letzten Lebenswochen stieß die junge Frau in den ganzen USA auf große Aufmerksamkeit mit ihrer Forderung nach einer grundsätzlichen Legalisierung ärztlicher Sterbehilfe. In einem Internetvideo sagte sie, es sei für sie eine große Beruhigung, dass sie die Arzneimittel habe, und nicht mehr der Tumor bestimme, wie und wann sie sterben werde. "Ich will nicht sterben, aber ich bin am Sterben", sagte Maynard dem Magazin "People". Der Tumor werde sie töten, und dieser Tod wäre schrecklich. Ein "würdevolles Sterben" im Beisein ihrer Familie mache ihr weniger Angst. Sie werde die ihr verschriebenen Kapseln öffnen, in Wasser auflösen und trinken. In einer letzten Nachricht auf Facebook schrieb die junge Amerikanerin: "Dieser schreckliche Gehirntumor hat mir so viel genommen - und hätte mir noch viel mehr genommen."

Der Sterbehilfeverband "Compassion and Choices" (Mitgefühl und Entscheidungsfreiheit), der Maynard begleitete, kritisierte immer wieder, in den USA werde das Sterben verdrängt. Maynard habe die Auseinandersetzung mit dem Tod "real" gemacht. Demgegenüber warnten Palliativmediziner, legalisierte ärztliche Sterbehilfe  helfe leidenden Menschen nicht wirklich. Man müsse vielmehr die Sterbebegleitung verbessern. Maynard sei "vom Appetit der Medien auf Sensationalismus" ausgebeutet worden. Der Vatikan verurteilte Britannys Freitod: "Selbstmord ist nie ein würdiger Tod, sondern eine Tat, die die Kirche verurteilt."

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Christoph Moar Wed, 11/05/2014 - 11:33

Ich habe großen Respekt vor dem Einzelfall und der Entscheidung von Frau Maynard, und das Thema würdige Sterbebegleitung bei terminal Kranken verdient Raum, diskutiert und entwickelt zu werden. Bei schriftlicher Berichterstattung ist aber sehr vorsichtig mit der Intonation des Textes umzugehen, will man den Werther-Effekt (unausweichlicher Nachahmungseffekt durch Suizidgefährtete LeserInnen) vermeiden.

Die meisten Presseräte empfehlen eingehend, Begriffe wie "Freitod" statt Suizid zu vermieden, da dies zu einer Romantisierung der Tat führe. Im Idealfall sollten auch alle Berichte mit konkreten Hilfsangeboten versehen sein, etwa mit Hinweisen auf die Telefonseelsorge oder andere Kriseninterventionszentren.

Wenn die Gedanken um eine auswegslose Situation kreisen, und Suizid erwogen wird, ist es das Beste, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Hilfsangebote, auch anonyme, gibt es immer, auch in vermeintlich ausweglosen Lebenslagen.

Telefonseelsorge der Caritas: 800 851097
Young & Direct (Jugendtelefon): 840 036366
Telefono Amico: 800 851097

http://www.caritas.bz.it/de/dienste/dienste/informationen-telefonseelso…

Wed, 11/05/2014 - 11:33 Permalink