Sein Ringen mit der Kirche
Wer das Video mit welcher Absicht gedreht und an den Generalvikar der Diözese weitergeleitet hat, weiß er nicht. “Ich selbst habe es nie gesehen.” Es ist das Jahr 2016. Jemand filmt Rudi Sampt, der eine Freie Trauung leitet. Als die Kirchenoberen davon Wind bekommen, beginnt für ihn sein ganz persönlicher Kreuzweg. Der entfernt ihn immer weiter von Kirche, Diözese und einem System, das auch in Südtirol “mit Angst und Macht” wirkt, wie er feststellt. Doch Südtirols erster Freier Theologe geht seinen Weg unbeirrt weiter. Auch wenn er nicht damit gerechnet hat, “dass ich dadurch meine Existenz aufs Spiel setze”.
Das Ringen beginnt früh
Rudi Sampt wird 1971 in Österreich geboren. Seine Familie stammt aus dem Burgenland. Dass er sich für den Glauben und das Seelenwohl seiner Mitmenschen einsetzen will, steht für ihn früh fest. Er studiert Katholische Theologie und Selbstständige Religionspädagogik in Wien und Brixen. Er geht ins Priesterseminar in Wien, will Pfarrer werden. Kurz vor der Weihe beschließt er, sich noch Zeit zu nehmen. “Ich habe immer schon mit mir gerungen. In so einem sicheren und wohl behüteten System genießt du großes Ansehen. Aber du übernimmst unreflektiert viele Denk- und Verhaltensmuster. Ich habe gemerkt, wie viel in der Kirche schief läuft, mit Angst gearbeitet und vertuscht wird. Es werden Abhängigkeiten geschaffen. Wer nicht mitspielt, ist weg vom Fenster.” Nach zwei Jahren – er hat inzwischen begonnen, Religion zu unterrichten – entscheidet Sampt, sich nicht zum Priester weihen zu lassen.
Dennoch will er den Menschen in der Kirche nicht den Rücken kehren. Mit seiner Frau, einer Südtirolerin, zieht er nach Kastelruth. Dort beginnt er als Pastoralassistent und Religionslehrer Fuß zu fassen.
Menschen in allen Lebenslagen begleiten – das sieht er als seinen Auftrag. “Die religiöse Dimension ist immer dabei”, betont Sampt. An diesem Credo hält er fest, als er 2014 beginnt, unabhängig von seiner Tätigkeit als Pastoralassistent, Freie Trauungen anzubieten: Zeremonien, Segensfeiern für Paare, die nicht (mehr) kirchlich heiraten dürfen oder wollen.
Damals ist Sampt als Pastoralassistent in den Pfarreien Kastelruth und Seis angestellt, ein Mitarbeiter der Diözese Bozen-Brixen also. Daneben ist er als Sterbe- und Trauerbegleiter tätig.
“Will mich nicht verstecken müssen”
Bis zu jenem Tag, an dem ein Video von einer seiner Freien Trauungen in den Händen der Oberen der Diözese landet, werden Sampt keinerlei Steine in den Weg gelegt. Doch dann wird er nach Bozen zitiert. “In mehreren Gesprächen wurden mir Bedingungen gestellt, um weiter als Pastoralassistent arbeiten zu können”, erinnert er sich. Er soll weiterhin Segensfeiern machen dürfen, aber unter bestimmten Bedingungen. Auf die sei er alle eingegangen, berichtet Sampt – bis auf eine.
Es wird von ihm verlangt, nur mit dem Paar, im engsten Kreise und an für andere Menschen nicht einsehbaren Orten zu feiern, sprich “im stillen Kämmerlein”. Das kann er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. “Ich will mich nicht verstecken müssen, wenn ich Menschen seelsorglich begleite und sie segne. Schließlich sind diese Segensfeiern ein alternatives Angebot und keine Konkurrenz zur kirchlichen Trauung. Abgesehen davon, dass Priester diese Segensfeiern auch machen.” Sein Vorschlag an die Diözesanleitung, eine Arbeitsgruppe einzurichten, um auch Menschen, die andere Lebensrealitäten haben, ein konkretes Angebot an Begleitung und Segensfeiern zu machen, wird abgelehnt.
Veto gegen Religionslehrer
Auf Sampt wird großer Druck ausgeübt. Daher kündigt er 2017, nach Absprache mit dem Pfarrer, seine Stelle als Pastoralassistent – um weiterhin freiberuflich in den Pfarreien arbeiten zu können. “Ich wollte frei sein und vermeiden, dass der Pfarrer auch Probleme bekommt”, erklärt Sampt. Der finanzielle Beitrag der Diözese zu seinem Gehalt entfällt. Wenige Monate später wird ihm vom Pfarrer mitgeteilt, dass der Vermögensverwaltungsrat entschieden hat, alles mit Ehrenamtlichen abzudecken. “Damit ist ein Teil meiner Lebensgrundlage weggefallen und in diesem Moment habe ich auch ein großes Stück meiner Glaubensheimat verloren.”
Auch um seine Existenz zu sichern, bemüht sich Sampt um einen Auftrag als Religionslehrer. Dafür braucht er das Ok des Bischofs. Als er im Amt für Schule und Katechese der Diözese anfragt, heißt es “überraschenderweise Nein”. Weil ihm keine Begründung vorgelegt wird – wie schon zuvor bei den Freien Trauungen, die ihn für die Kirche zur persona non grata gemacht haben –, hakt er nach. Daraufhin wird er mit zwei Sätzen konfrontiert, die sich auf seiner Webseite finden. Es brauche “keine grundsätzlich konfessionelle Spiritualität, sondern eine grundsätzlich liebevolle Spiritualität, um Menschen zu begleiten”, steht damals dort zu lesen. Und: Sein Begleitungsangebot richte sich an alle Menschen, sei “überkonfessionell und überparteilich”. Diese beiden Sätze werden ihm von der Diözese zum Vorwurf gemacht und als Rechtfertigung für die verweigerte Unterrichtserlaubnis herangezogen.
“Muss ich in der SVP sein und darf ich nur römisch-katholische Menschen in Lebenskrisen begleiten, um Religion zu unterrichten?”, fragt sich Sampt heute. In der Argumentation der Diözese sieht er jedenfalls “keine theologische Begründung” – “ich bin mir sicher, dass ich mich im kirchenrechtlichen Rahmen bewege” –, sondern “reine Willkür, die die Angst und den damit verbundenen Kontrollverlust der verantwortlichen Personen der Diözese widerspiegelt”.
Keine Glaubensfrage
Die Direktorin der Schule, an der er als Religionslehrer unterrichten möchte, will ihn trotz der Verweigerung der “Missio”, der Beauftragung zum Religionsunterricht, anstellen. Dann erhält sie einen Anruf. Ein Zuständiger für den Religionsunterricht teilt mit, “dass der Bischof meinen Anstellungsvertrag auflösen kann, wenn ich ohne ‘Missio’ angestellt werde”, berichtet Sampt. Das will er auch aus Rücksicht auf die Schule nicht riskieren und nimmt eine Stelle als Integrationslehrer an. Für ein Jahr bleibt er an der Schule, danach macht er sich selbstständig. Heute ist er der erste Freie Theologe im Land.
Als offener Seelsorger will er für Menschen da sein, “die in Krisen-, Verlust- und Trauersituationen nach Halt und Sicherheit suchen oder sich individuelle, authentische Zeremonien für ihre verschiedenen Lebensübergänge wünschen”, heißt es auf seiner Webseite. Neben Freien Trauungen bietet Sampt auch andere Feiern an, darunter Urnen- und Erdbestattungen und Verstreuen der Asche von Verstorbenen. Er absolviert eine dreijährige Ausbildung zum Counsellor Professional, zum Lebensberater, die ihm eine zusätzliche finanzielle Sicherheit in seiner seelsorglichen Begleitung ermöglicht. Während seiner Ausbildung sei er in seiner “offenen, wertschätzenden und wertungsfreien Haltung in der Begegnung und Begleitung” bestärkt worden, nickt er – und erklärt: “Die Kirche reglementiert sehr stark – ohne Rücksicht auf die sich verändernden Lebensrealitäten der Menschen. Ich hingegen nehme mich auch anderen Lebensrealitäten an, etwa von Menschen, die ein grundsätzliches Problem mit der Institution Kirche, aber nicht mit dem Glauben haben und für die es unter dem Dach der Kirche keine Möglichkeiten der Begleitung gibt”.
Das nächste Hausverbot
“Ich brauche die Institution Kirche nicht, um zu glauben und meine Berufung zu leben, aber ich brauche Gemeinschaft”, sagt Rudi Sampt bestimmt. Mit der Enge und Abschottung der Kirche hadert er bis heute. Auch, weil ihm weiter Steine in den Weg gelegt werden.
In Medien des Athesia-Verlags will er für seine Tätigkeit als Freier Theologe werben. Das Inserat wird nie geschaltet. Ein Interview zu den Freien Trauungen wird zwar mit ihm geführt, erscheint aber nie in den Dolomiten. Wenig später erreicht ihn ein Schreiben aus der Diözese: Er darf in den kirchlich geführten Bildungshäusern Cusanus und Sarns keine Kurse mehr anbieten.
“Jetzt fehlt nur noch die Exkommunikation”, stellt Sampt fest und schmunzelt. “Damit aber hätte ich die geringsten Probleme, denn schließlich gehöre ich durch die Taufe zur Gemeinschaft der Glaubenden. Und dieses Sakrament kann mir niemand nehmen.” Seinen Glauben hat er nicht verloren, das Vertrauen in die Kirche hingegen ist dahin. Wie erklärt er sich das, was ihm widerfahren ist? Unter anderem damit, dass sich in der Kirchenleitung “total angstbesetzte Menschen” fänden, “die bei einem großen Kontrollverlust über eine bestimmte Situation oder einzelne Menschen keine Kompromisse und Mitgestaltungsmöglichkeiten zulassen, sondern mit Machtgehabe reagieren. Und ihnen fällt gar nicht auf, wie ohnmächtig sie dabei wirken”.
“Eigenständig denken und handeln geht nicht.” Das habe er schon in den Jahren als Pastoralassistent erlebt, der er leidenschaftlich gewesen sei, so Sampt. “Leider habe ich in meiner religiösen Naivität zu spät verstanden, dass hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Diözese nicht erwünscht sind. Das wurde mir auch direkt von einem Mitarbeiter der Kurie so gesagt. Die Kommunikation nach außen ist eine andere als die kirchenpolitischen, internen Entscheidungen. Dabei wird der Abstand zwischen der institutionellen Glaubensverwaltung und den über ihren Glauben reflektierenden Menschen immer größer.”
Unbequem frei
Das Geschehene ist nicht spurlos an Sampt vorübergegangen. Er gesteht: “Es war sehr belastend für mich, mir ging das Ganze sehr nahe, auch für meine Frau und meine Freunde war die Situation eine große Herausforderung.” Er hat Hilfe in Anspruch genommen, sich in einem Kloster in Deutschland geistlich und psychologisch begleiten lassen, “um meinen Frust, meine Aggression, mein Unverständnis immer mehr in eine heilsame Sichtweise verwandeln zu können”.
“Ich möchte den Verantwortlichen in der Diözesanleitung und der jeweiligen Ämter in die Augen schauen können. Für mich ist das Voraussetzung für die Wiedergewinnung meiner persönlichen Würde. Gott hat sie mir zugesprochen. Kein Mensch kann sie mir nehmen.” (Rudi Sampt)
Ein Austritt aus der Kirche kommt für Sampt dennoch nicht in Frage. “Ich bin überzeugt, dass man, um Veränderungen herbeizuführen, im System drin bleiben – und unabhängig seinen eigenen Weg gehen muss.” Heute blickt er mit “großer Enttäuschung” auf die vergangenen Jahre zurück, “aber auch mit großer Dankbarkeit dafür, diesen Entwicklungsprozess durchlebt zu haben. “Ich genieße meine Freiheit und reagiere so viel wie nötig und so wenig wie möglich auf die kleinen und großen Steine, die mir in den Weg gelegt werden.”
“Seid unbequem”, rief Bischof Ivo Muser vor nicht allzu langer Zeit bei einem Besuch in der Caritas auf. Die Botschaft klingt ermutigend. Nach außen.
....gläubigen Menschen wie
....gläubigen Menschen wie Rudi Samt kann ich nur Kraft für den weiteren Weg wünschen!
Man sollte die Demut besitzen
Man sollte die Demut besitzen, die Kirche als das zu sehen als das was sie ist, und nicht als das was man gerne hätte, dass sie sein sollte. Die Kirche ist eine feudale Institution und wer sie ändern möchte der wird sie zerstören. Eine Weltkirche kann es nur auf gemeinsame Glaubenswahrheiten, Riten und Strukturen geben. Warum sollte sie sich für einen ändern. Wem es nicht passt, der sollte diese verlassen.
Ich möchte mit den Worten Nicolás Gómez Dávila enden:
Früher griffen die Narren die Kirche an, heute reformieren sie sie.
In reply to Man sollte die Demut besitzen by gorgias
@ Gorgias Sind sie ein
@ Gorgias Sind sie ein Pfarrer?
Um Anerkennung, Macht und
Um Anerkennung, Macht und Geld zu erreichen müsste er eine Sekte gründen.
“Ich habe immer schon mit mir
“Ich habe immer schon mit mir gerungen. In so einem sicheren und wohl behüteten System genießt du großes Ansehen. Aber du übernimmst unreflektiert viele Denk- und Verhaltensmuster. Ich habe gemerkt, wie viel in der Kirche schief läuft, mit Angst gearbeitet und vertuscht wird. Es werden Abhängigkeiten geschaffen. Wer nicht mitspielt, ist weg vom Fenster.”
Das ist nicht nur in der Kirche so...
Das möchte ich auch noch
Das möchte ich auch noch bewerkstelligen, den Austritt. Hinter so einer Scheinheiligkeit kann ich schon lange nicht mehr stehen.
Ich kenne Rudi Sampt aus
Ich kenne Rudi Sampt aus meiner Arbeit in der Notfallpsychologie als integeren Menschen, der sehr gut in der Lage ist, mit Krisensituationen kompetent umzugehen. Dies wird auch in diesem Bericht ersichtlich. Die Nachfrage nach dem Angebot eines freien Theologen/Seelsorgers und Beraters in verschiedenen Lebenssituationen und -übergängen ist absolut gegeben und wird wachsen. Ich wünsch ihm viel Erfolg in dieser Arbeit.
Ja ist schon klar, aber mir
Ja ist schon klar, aber mir ging die frömmige Aufforderung zu Demut vor einer grausamen Institution, nämlich der katholischen Kirche (siehe den Fall Rudi Sampt mit Visionen oder Priester, die eine Familie gegründet haben u.v.a. - es gibt genug Dokus dazu) außerordentlich gegen den Strich. Die Ideen und Ideale des Urchristentums hat die institutionelle Kirche aufgrund von Macht- und Kontrollgier verfälscht und pervertiert, das weiß Gorgias genau, trotzdem spielt er sich als Rechtsanwalt einer gewollt unantastbaren Institution auf. Was sind seine Beweggründe, das wäre interessant.
In reply to Ja ist schon klar, aber mir by Elisabeth Garber
Ich spiele sicher nicht den
Ich spiele sicher nicht den Advocatus Diaboli für die Kirche. Es braucht aber Narren um zu glauben, dass man diese Institution reformieren könnte ohne sie dabei zu deformieren.
In reply to Ich spiele sicher nicht den by gorgias
Wenn sie ihn nicht spielen,
Wenn sie ihn nicht spielen, den Advocatus Diaboli (sehr passend übrigens der lateinische Brocken), was soll dann der Demuts-Aufruf? Ausserdem hat Luther mit Erfolg reformiert - die protestantische Kirche sehe ich nicht als Deformation.
In reply to Wenn sie ihn nicht spielen, by Elisabeth Garber
Der Protestantismus hat sich
Der Protestantismus hat sich doch zum Teil selbst abgeschafft. Er hat auch kaum Widerstansskräfte gegen andere Kräfte wie den Sozialismus. Man vergleiche Polen mit der EX-DDR.
Alle antworten hier mit ihrem
Alle antworten hier mit ihrem richtigen Namen, so schaut es jedenfalls aus. War jetzt schon längere Zeit nicht mehr auf Salto und hatte eigentlich auch gemeint, dass es Salto nicht mehr notwendig hat, die immer schon sehr hetzerischen Kommentare eines Herrn Gorgias zu veröffentlichen. Wieso überhaupt, Kommentare unter einem anderen Namen?
@ Georg Lechner
@ Georg Lechner
so ist das mit den Narren nicht gemeint. Interpretieren Sie nicht das hinein was nicht gemeint ist.
Aber dass Jesus eine Freude mit Narren hatte, kann man schon verstehen. Ein halbwegs gebildeter Mensch (auch zu jenen Zeiten) sah dass das Christentum nicht wirklich etwas intelligentes ist. So hat auch Jesus gesagt, dass das Himmelsreich nahe ist und unter den Anwesenden manche dabei sind, die das Kommen erleben werden. Und es gibt bis heute noch anhänger.
@Lechner Georg Danke, das
@Lechner Georg Danke, das hätte ich nicht gewusst - interessant!
In der DDR hatte die Kirche
In der DDR hatte die Kirche nur einen instrumentellen Wert als politische Oposition. Als Glaubensinstanz hatte sie schon dort kaum mehr Wirkung. Die Säkularisierung und den Glaubensabfall konnte sie nicht verhindern, die DDR ist eine der areligiösesten Regionen der Welt. Während in Polen die Kirche sich als moralische und Glaubensinstanz erhalten hat.
Die Reformation ist ein Irrweg der in die Substanzlosigkeit führt.
Die Narren möchten nun den selben Weg beschreiten und Glauben es würde nun etwas anderes herauskommen.
In reply to In der DDR hatte die Kirche by gorgias
Sachlich wird das schon
Sachlich wird das schon stimmen, Gorgias.
Gut ist es aber nicht, wenn man bedenkt, welche Entwicklung Polen aufbauend auf und gefördert durch die Macht der Kirche nimmt. Ich finde gut, dass protestantischen Kirchen keinen so zentralistisch Machtapparat haben, der mit bestimmten Parteien zum gegenseitigen Machterhalt eine Allianz eingehen, wie es in Polen eben ist!