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Die verpatzte Premiere

Es sollte der erste Großwettbewerb in der Landesverwaltung werden. Über 250 Interessierte traten zur Vorauswahl an. Weil man aber geschlampt hat und ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht läuft, hängt jetzt alles in der Luft.
Öffentlicher Dienst
Foto: LPA/Fabio Bruccoleri
  • Es ist eine absolute Rarität.
    Seit einigen Tagen sind auf der Homepage der Südtiroler Landesverwaltung im Abschnitt „Wettbewerbe und Aufrufe für Führungskräfte“ 6 Dokumente eines Verfahrens veröffentlicht, das derzeit vor dem Verwaltungsgericht Bozen läuft. Die Veröffentlichung erfolgte nach einem Beschluss und einer entsprechenden Verfügung der Verwaltungsrichter.
    Mit dieser Verfügung wird nicht nur einer der größten Wettbewerbe, den es jemals in der Landesverwaltung gegeben hat, auf unbestimmte Zeit eingefroren, noch bevor er überhaupt starten konnte, sondern auch Dutzenden von Bewerberinnen und Bewerbern die Möglichkeit geboten, sich dem laufenden Rekurs noch anzuschließen. „Da könnte eine Lawine auf uns zukommen“, gibt man sich in der Personalabteilung des Landes besorgt.

  • Direktion auf Probe

    Mit dem neuen Führungskräftegesetz in der Landesverwaltung wird auch ein neuer Mechanismus zur Besetzung der Amtsdirektionen eingeführt. Jetzt hat man zum ersten Mal eine Art Großausschreibung eingeleitet. Dabei geht es konkret um die Besetzung von insgesamt 18 Amtsdirektionen bei der Landesverwaltung, beim Sanitätsbetrieb, bei den Bezirksgemeinschaften, bei Hilfskörperschaften des Landes und bei Landesagenturen. 
    Mit dem neuen Gesetz müssen alle Interessierten einen Wettbewerb für den Erwerb der Qualifikation Führungskraft zweiter Ebene auf Probe bestreiten. Dabei sollen aber nicht nur die Sieger und Siegerinnen für diese 18 Direktionen ermittelt, sondern auch ein Pool von geeigneten Amtsdirektoren und – direktorinnen geschaffen werden, aus dem bei freiwerdenden Direktionen in den kommenden zwei Jahren geschöpft werden kann. Dazu werden die Stellen und damit auch die Führungskräfte in vier Bereiche eingeteilt: Bildung, Soziales, Technik und Verwaltung.
    Deshalb war und ist das Interesse an diesem Wettbewerb auch besonders groß. 

  • Die Vorauswahl

    Ende Mai 2024 wird der Wettbewerb für die Führungskräfte auf Probe ausgeschrieben. Weil von Anfang an klar ist, dass sich an diesem Wettbewerb sehr viele beteiligen werden, wird eine Vorauswahl eingeführt. 
    Am 19. August 2024 unterziehen sich so über 250 Bewerber und Bewerberinnen in der Aula Magna der Uni Bozen einem Multiple-Choice-Test. Die Tests werden von einer dreiköpfigen Prüfungskommission ausgewertet. Ihr gehören die damalige ladinische Schulamtsleiterin Edith Ploner, der Direktor der Abteilung Tiefbau Umberto Simone und als Vorsitzender Albrecht Matzneller, Direktor der Abteilung Personal in der Landesverwaltung an.

  • Personalchef Albrecht Matzneller: Falsche Ernennung? Foto: LPA
  • Bereits vier Tage später werden in anonymisierter Form die Ergebnisse dieser Vorauswahl veröffentlicht. 71 Bewerberinnen und Bewerber sind im Bereich Verwaltung zum eigentlichen Wettbewerb zugelassen, 46 im Bereich Bildung, 20 im Bereich Technik und 12 im Bereich Soziales. 
    Der eigentliche Wettbewerb mit schriftlicher und mündlicher Prüfung hätte inzwischen eigentlich schon über die Bühne gehen sollen. Es gab auch bereits Prüfungstermine. Doch in Wirklichkeit ist alles eingefroren - mindestens ein halbes Jahr lang. Der Grund dafür ist ein Rekurs.

  • Der Rekurs

    Einer derjenigen Kandidaten, die die Vorauswahl nicht geschafft haben, ist Benjamin Flora, Lehrer an die Berufsschule „Emma Hellenstainer“ in Brixen. Die dortige Direktion ist eine der ausgeschriebenen Stellen. Flora hat über seinen Anwalt Alfred Mussner beim Verwaltungsgericht Bozen gegen die Bewertung der Vorausscheidung einen Rekurs eingereicht.
    Im Rekurs werden vor allem technische Fehler bei der Zusammensetzung der Prüfungskommission beanstandet. 
    Mit dem neuen Führungskräftegesetz wurde auch die „Kommission für die Führungskräfte des öffentlichen Landessystems“ eingeführt. Diese siebenköpfige Kommission ist für die Erstellung und Führung des Einheitlichen Führungsstellenplanes erster und zweiter Ebene auf Landesebene verantwortlich. Und damit auch für die Wettbewerbe und Auswahlverfahren.
    Der Kommission gehörten Veronika Meraner als Vorsitzende, Patrizia Nogler als Stellvertreterin sowie Meinhard HochwieserEdith PlonerGiuseppe ScalziniUmberto Simone und Albrecht Matzneller an.

  • Berufsschule Emma Hellenstainer: Eine der ausgeschrieben Direktionen. Foto: Emma Hellenstainer Schule
  • Laut Gesetz muss die Wettbewerbskommission durch ein Dekret des Landeshautmannes oder der Vorsitzenden dieser siebenköpfigen Kommission ernannt werden. Doch hier kommt es zum ersten Problem. Weil die Vorsitzende Veronika Meraner im Frühsommer 2024 überraschend zurücktritt, wird das Dekret durch ihre Stellvertreterin Patrizia Nogler unterzeichnet. Erst Wochen später wird Meinhard Hochwieser zum geschäftsführenden Vorsitzenden ernannt.
    Diese Ernennung der Prüfungskommission und das entsprechende Dekret, das laut Anwalt Mussner von der falschen Person unterzeichnet wurde, ist dann auch einer der Hauptpunkte im Rekurs von Benjamin Flora. Zudem steht im Landesgesetz und auch in der Ausschreibung, dass die Wettbewerbskommission aus fünf Personen bestehen muss. In diesem Fall hat aber eine nur dreiköpfige Kommission die Multiple-Choice-Tests ausgewertet.
    Die Gegenargumente des Landes: Es sei noch nicht der eigentliche Wettbewerb, sondern nur eine Vorauswahl. Zudem sei bei einem Multiple-Choice-Test die Auswertung keine Ermessensfrage, sondern ausschließlich eine mechanische Aufgabe.
    Außerdem beanstandet der Rekurs-Einbringer, dass für jeden der vier Bereiche eine eigene Kommission ernannt hätte werden müssen.

  • Die Aussetzung

    Für den 9. September 2024 war bereits die schriftliche Prüfung im Bereich „Bildung“ angesagt. Doch diese Prüfung findet nicht statt.
    Am 2. September 2024 reicht Benjamin Flora seinen Rekurs ein. Zwei Tage später verfügt das Gericht per Präsidialdekret seine „vorläufige Zulassung“ zur angesagten schriftlichen Prüfung am 9. September.
    Spätestens damit aber wird es der Personalabteilung des Landes und dem Generaldirektor anscheinend zu heiß. Die schriftliche Prüfung wird im allerletzten Moment wieder abgesagt.
    Am 8. Oktober 2024 geht dann die Aussetzungsverhandlung vor dem Verwaltungsgericht über die Bühne. Berichterstatter ist dabei Stefan Beikircher, der vor seinem Wechsel ins Verwaltungsgericht stellvertretender Leiter des Rechtsamtes des Landes war.

  • Verwaltungsgericht Bozen: Bestätigt die Aussetzung der Kommissionsentscheidung. Foto: upi
  • Das Gericht bestätigt die Aussetzung der Kommissionsentscheidung und die vorläufige Zulassung von Benjamin Flora. Gleichzeitig aber verfügt das Verwaltungsgericht, dass die Landesverwaltung die Dokumente zum Rekurs auf seiner Homepage veröffentlichen muss. Veröffentlich werden auch alle Namen der Kandidaten und Kandidatinnen, die die Vorauswahl bestanden haben. Denn sie alle gelten als mögliche Gegenbetroffene des Rekurses.
    Zudem haben alle jene, die bei der Vorauswahl durchgefallen sind, jetzt 45 Tage Zeit, sich dem Flora-Rekurs anzuschließen.
    Die Erstverhandlung wurde auf den 26. März 2025 festgelegt. Bis dahin wird der gesamte Wettbewerb ausgesetzt.
    Damit hat das neue System zur Auswahl im Landesdienst bereits bei seiner ersten Anwendung Schiffbruch erlitten. Vor allem im Bildungsbereich geht es um eine schnelle  Besetzung vakanter oder vakant werdender Führungspositionen.
    Damit ist es jetzt aber vorerst vorbei. 

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Salto User
Cicero

Für einen außenstehenden Laien ist es mehr als verwunderlich, wie oft Ausschreibungen des Landes "in die Hose" gehen. Fast jede größere Ausschreibung von Stellen, Dienstleistungen usw. endet for einem Gericht, wird annulliert oder muss wiederholt werden. Zumindest bekommt man als Bürger dieses Gefühl.

Mon, 11/04/2024 - 14:24 Permalink

"Fast jede größere Ausschreibung von Stellen, Dienstleistungen usw. endet for einem Gericht,"
Als Halblaie kann ich Ihnen verraten was sich im Hintergrund immer abspielt. Da es sich um "öffentliche" Ausschreibungen handelt stürzt sich ein ganzes Heer an Juristen darüber und setzt, je nach Klientel, ihre juristischen Einsprüche dazu. Ein sehr einträgliches Geschäft. Teilweise werden die Ausschreibungen sogar mit einer gewissen Absicht lückenhaft veröffentlicht. Nennt sich Seilschaften.

Mon, 11/04/2024 - 17:45 Permalink

Das ist eine gefährliche Anschuldigung. Es ist schon auch so, dass sich manche Unternehmen an einen Strohhalm klammern und Verfahren anstrengen, die eigentlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Ich kenne da beispielsweise einen konkreten Fall, bei dem es um die Lieferung einer hochspezialisierten Maschine ging. Der Lieferwettbewerb wurde beanstandet und tatsächlich erhielt der Rekurssteller dann den Zuschlag. Mit der Folge, dass die von ihm gelieferte Maschine nicht zeitgerecht geliefert wurde, nicht den Vorgaben entsprach und nach einem Monat schon nicht mehr funktionstüchtig war und generalsaniert werden musste. Mit all den unangenehmen Folgen für diejenigen, die damit arbeiten hätten sollen. Für den Lieferanten, war es letztlich ein Verlustgeschäft.

Tue, 11/05/2024 - 07:11 Permalink

Dass bei einer öffentlichen Ausschreibung der Zweitplatzierte Rekurs einlegt, ist normal. So jedenfalls unser Professor in der Vorlesung "Diritto amministrativo II". (Dies für die Halb- und Ganzlaien und Komplottisten).

Mon, 11/04/2024 - 17:53 Permalink

Haben die zu-vielen Rechts-Anwälte/-Verdreher im Landtag + die hoch dotierte Juristen-Schar in den Landesämtern, ihre Weihe zur Erfindung der halb-seidenen Gesetze +zu deren stümperhaften Prüfung + Auslegung, in den Abfall-Verwertungs-Höfen der Gemeinden gefunden?

Tue, 11/05/2024 - 06:16 Permalink