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Nach Hause

Immer mehr Flüchtlinge, immer weniger erhalten Asyl. Was passiert mit denen, die abgelehnt werden? Georg Hofer und der Verein Denbayà setzen auf begleitete Rückführungen.

Noch ist das Projekt nicht gestartet, auch wenn der Vereinsname bereits feststeht: Denbayá, was soviel heißt wie „Familie“ auf Bambara, einer Sprache die in Westafrika gesprochen wird. Um Familie soll es nämlich gehen im Projekt des Fotografen Georg Hofer und der Architektin Vera Leitner. Das Herzstück der Initiative zielt auf die aktive und begleitete Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer; zu ihren Familien, oder wenn diese nicht mehr vorhanden sind, zu einer Gemeinschaft, in der die Rückkehrer leben können, „mit Würde leben können,“ sagt Hofer.

Die Bilder der toten Flüchtlinge werden in Westafrika zwar auch gesehen, doch können sie den Traum von Europa nicht zerstören.

Der Brixner arbeitet seit vielen Jahren ehrenamtlich mit Flüchtlingen, er betreute die „Vintler Buabm“ aus dem Fischerhaus in Vintl und hat den Weg ihrer Flucht nachgezeichnet. Er selbst fuhr in die Herkunftsländer Ghana, Burkina Faso und Niger, um die Gründe und Umstände des Weggehens zu erforschen. Er hat viele Geschichten gehört, hat die Familien und Dörfer in Westafrika kennengelernt, hat ihre Lebensumstände erlebt und weiß, warum immer noch viel zu viele Jungs von Europa träumen, obwohl Bilder des Flüchtlingsstroms und der Toten im Mittelmeer auch von den Nachrichtensendern in Burkina Faso oder Ghana übertragen werden. „Diese Fernsehbilder werden zwar gesehen, doch können sie den Traum nicht zerstören,“ erzählt Hofer. „Am beliebtesten sind nämlich die TV-Soap Operas, jene Sendungen die nach wie vor die üblichen Bilder reproduzieren und von reichen Weißen erzählen, die in Palästen wohnen, während alle anderen arm sind und so werden wollen wie der Reiche.“  Mit diesen Bildern im Kopf kommen viele der jungen Männer nach Europa, vielen von ihnen fehlte es auch an Bildung und Wissen, doch seien sie jung und voller Tatendrang, sich zu beweisen und willens, für ihre Familien die lange Flucht zu riskieren. Erst hier in Europa – wenn sie es denn geschafft haben – wird vielen bewusst, wie prekär und ungewiss ihre Lage ist, und dass der Traum von Arbeit und Existenzaufbau eben nur ein Traum war.

„Hier möchten wir ansetzen,“ erklärt Georg Hofer. „Wir wissen, dass immer mehr Asylanträge abgelehnt werden, eine Statistik der nationalen Asylantragskommission besagt, dass allein 2015 49 Prozent der Anträge abgelehnt wurden, 2014 waren es 39 Prozent.“ Es wird also immer mehr Asylansuchenden der legale Aufenthaltsstatus verwehrt, somit auch die Möglichkeit legales Geld zu verdienen. „Es kann sich jeder ausmalen, was mit diesen Menschen passiert,“ meint Hofer, „denn zurück nach Hause geht keiner von ihnen, dafür ist die Schande zu groß, oft haben die Familien ihr ganzes Geld zusammengelegt, um die Flucht zu ermöglichen.“ Jobs auf Stundenlohnbasis, das Abtauchen in die Obdachlosigkeit, im schlimmsten Fall Kleinkriminalität, es gibt viele Möglichkeiten, um in Europa zu existieren.

Nur so erfahren die jungen Leute in den ländlichen Gebieten von Afrika, was es heißt, zu fliehen und nicht anzukommen, in Libyen zu stranden, in einem Lager in Lampedusa, in den Glashäusern Spaniens, vor den Zäunen Ungarns oder Mazedoniens. Das müssen wir ihnen begreiflich machen.

Hofer und Leitner wollen mit ihrem Verein Denbayá einen anderen Weg aufzeigen: „Wir möchten diesen Personen zu einer Rückkehr in ihr Heimatland verhelfen, und sie dabei so begleiten, dass eine kleine Existenz aufgebaut werden kann, mit der eine oder zwei Familien zurecht kommen.“ Das soll ganz konkret geschehen mit dem Ausfindigmachen einer geeigneten Tätigkeit vor Ort, das Betreiben eines Kiosk, eines kleinen Restaurants oder handy-Ladens, ein kleines Start-up-Unternehmen; weiters das Einholen von Lizenzen, das Abschließen von Mietverträgen, die Eröffnung eines Bankkontos: all dies würde vom Verein Denbayá begleitet und kontrolliert. „Ja, kontrolliert, denn ich weiß, wie schnell in afrikanischen Familiensystemen Pläne wie diese unterminiert werden können.“ Wenn ein Verwandter beispielsweise Geld benötigt, so Hofer, sei jeder in der Familie verpflichtet, diesem auszuhelfen. So könnte auch das Startkapital eines kleinen Unternehmens im Nu futsch sein. „Hier bin ich gerne bereit, als weißer Kontrolleur im Hintergrund aufzutreten, auf den sich der junge Start-Upper beziehen kann, wenn ich dadurch das Geld auf dem Bankkonto vor fremdem Zugriff retten kann.“ Letztendlich gehe es darum, dass die Existenzgründung vor Ort gelingt, und die wolle man als Verein auch zwei bis drei Jahre lang begleiten.

Gleichzeitig soll Aufklärung betrieben werden, der Rückkehrer sollte in ein Netzwerk eingespannt sein, das für die Verbreitung von Fakten und Informationen sorgt. „Nur so erfahren die jungen Leute in den ländlichen Gebieten von Afrika, was es heißt, zu fliehen und nicht anzukommen, in Libyen zu stranden, in einem Lager in Lampedusa, in den Glashäusern Spaniens, vor den Zäunen Ungarns oder Mazedoniens. Das müssen wir ihnen begreiflich machen.“

Das Projekt Denbayà soll erst einmal mit zwei Personen starten; Georg Hofer sagt, er habe bereits zwei junge Männer kennengelernt, die liebend gerne nach Hause zurück wollten. „Beide leben seit vielen Jahren hier in Südtirol, sie arbeiten in Billigjobs und haben ihre Familien in Afrika. Bei beiden ist an Familienzusammenführung nicht zu denken und sie haben nur mehr Heimweh.“ Diese beiden Männer wollen Hofer und Leitner bei ihrer Rückreise begleiten und so das Projekt starten; vielleicht ein Experiment, vielleicht aber auch ein Weg in die richtige Richtung, jener nämlich, die konkrete und situationsbezogene Hilfe verspricht. "Wir wissen, dass unser Projekt ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, doch könnte es mehr werden, auch ein Anstoß für andere, in diese Richtung zu arbeiten, sodass Partnerschaften und Netzwerke zwischen Europa und den Migrationsländern entstehen."