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Mit, in und von der Natur lernen

Wie kann man Kindern Naturverbundenheit und Umweltethik vermitteln? Und wie wirken sich diese auf die Entwicklung von Kindern aus?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Liliana Dozza
Foto: unibz

Diesen Fragen geht die zweite Auflage der Tagung „Bildung Erde Natur“ nach, die in der letzten Novemberwoche an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen in Brixen abgehalten worden ist.

 

Der Ausgangspunkt der Tagung war dabei ein einfacher: „Wir gehen davon aus, dass die Nähe zur Natur die Entwicklung und die Wissensaufnahme von Kindern beeinflusst“, erklärt Professorin Liliana Dozza, Organisatorin der international besetzten Tagung „Bildung Erde Natur“. Die Nähe zur Natur entwickle sich dabei vor allem durch den direkten Kontakt zu ihr, aus dem auch eine positive Umweltethik erwachse. „Aus diesem Grund ist es uns wichtig, die Erkenntnisse über die Umwelterziehung zusammenzutragen und dabei nicht nur auf die Schule, sondern auch auf Initiativen der Gemeinschaft zu schauen: auf Lehrbauernhöfe und Waldkindergärten zum Beispiel“, so Dozza.

 

Neue ökologische Intelligenz

Die Brixner Tagung sei so etwas wie ein Knoten in einem Netzwerk, das eine effiziente Umwelterziehung voranzubringen versuche. „Es geht uns darum, eine neue ökologische Intelligenz zu entwickeln“, sagt die Professorin, „und die ist nun einmal keine individuelle, sondern eine gemeinschaftliche“. Was aber versteht man unter ökologischer Intelligenz? „Es ist die Intelligenz, die Zusammenhänge zwischen menschlichem Verhalten und anderen Lebewesen sichtbar macht, auch wenn diese nicht auf den ersten Blick sichtbar sind“, sagte Dozza. Nur wenn man sich dieser Zusammenhänge bewusst werde, sei ein nachhaltiger Lebensstil durchzusetzen.

„Wir müssen in der Umwelterziehung die Basis dafür schaffen, dass sich Kinder die Möglichkeiten eines umweltbewussten Lebens überhaupt vorstellen können."

(Prof. Liliana Dozza)

Der Bildung komme dabei eine zentrale Bedeutung zu. „Wir müssen in der Umwelterziehung die Basis dafür schaffen, dass sich Kinder Möglichkeiten eines umweltbewussten Lebens überhaupt vorstellen können“, sagt Dozza. Und weil Lernen in verschiedensten Arten erfolge – zuhörend, teilnehmend, lesend, diskutierend und Erfahrungen machend – müssten all diese Dimensionen auch in die Erziehung einfließen. „Es geht nicht zuletzt darum, dass man den Kindern die Zeit gibt, überhaupt nachdenken zu können“, so die Professorin.

 

 

Theorie, Gefühle und eine neue Partnerschaft

Mit der Tagungsreihe „Bildung Erde Natur“ verfolge man deshalb eine ganze Reihe von Zielen. „Wir wollen über Theorie und Praxis der Umwelterziehung nachdenken, also über Bildungsinhalte wie Umwelt, Artenvielfalt und Nachhaltigkeit“, so Dozza. Zudem gehe es darum, mehr über die Gefühlswelten zu erfahren, die die Basis für Veränderungsprozesse bildeten. Und schließlich wolle man Projekte ausarbeiten, mit Hilfe derer Schule und Gesellschaft gemeinsam an der neuen ökologischen Intelligenz arbeiten könnten.

 

Schlamm als Kunsterzieher

Dass diese Projekte auch durchaus ungewöhnliche Formen annehmen können, zeigte gleich am Eröffnungstag der Tagung Naoki Mizushima, Professor an der Tokioter University of the Sacred Heart. Er nahm in seiner Arbeit die Rolle der Natur in der Erziehung, vor allem in der Kunsterziehung unter die Lupe und stellte in Brixen einen ganz besonderen Kunsterzieher vor: Schlamm. Dieser habe, so Mizushima, in der von der Reisernte geprägten japanischen Kultur eine herausragende Bedeutung, die sich auch auf das Bildungssystem übertrage So könnten sich Kinder in japanischen Kindergärten in Wasser und Schlamm austoben.

 

 

„Der Schlamm hat dabei unterschiedlichste Wirkungen auf die Kinder“, so der Professor aus Tokio. „Er fühlt sich nicht nur angenehm an, sondern ist auch beruhigend und gibt den Kindern die Möglichkeit, kreativ und künstlerisch tätig zu werden“. Das Repertoire reicht dabei von klassischen Sand- oder besser: Schlammburgen bis hin zu großflächigen Kunstwerken, die die Kinder mit dem Schlamm auf Holzwänden verwirklichen können. „Im und mit Schlamm können alle Sinne entwickelt werden“, war Mizushima überzeugt.

Welche Bedeutung das japanische Erziehungssystem dem Spielen im Schlamm gibt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Anleitungen dafür auch in Lehrbüchern gegeben werden. „Mit diesen Lehrbüchern arbeiten rund 70 Prozent aller Grundschüler in Japan“, unterstrich der Professor. Zudem werde in den Lehrbüchern auch die Verwendung anderer Naturmaterialien thematisiert: von Steinen über Blätter bis hin zu Blüten. „Dabei gibt es auch keine Altersgrenze“, betonte Mizushima, denn: „Auch ältere Schüler sind im Grunde wie Kinder und genießen es, mit Naturmaterialien zu arbeiten.“ Selbst seine Studenten erzählten ganze Geschichten mit Hilfe von Blättern oder Nadeln, die sie vom Waldboden auflesen.

 

Die Natur zerstört und heilt

In Mizushimas Arbeit kommt die Natur durchaus nicht nur in ihren idyllischen Ausprägungen vor. „In Japan müssen wir oft genug auch die zerstörerische Seite der Natur kennenlernen“, so der Tokioter Professor. Vor allem Erdbeben und Tsunamis hinterließen Spuren der Zerstörung und damit tiefe Narben in der japanischen Seele. Zugleich nutze man Kunst und Natur aber auch, um diese Narben zu heilen. So organisierten etwa Lehrer in einer von einem Tsunami völlig zerstörten Stadt eine Ausstellung mit Bildern, die Grundschüler geschaffen hatten. Das Thema: die Grundschule der Zukunft. Und mit den Blüten von Blumen, die nach dem Tsunami in Erinnerung an die Opfer gepflanzt worden waren, konnten Schüler Kunstwerke verwirklichen, mit denen das Erlebte verarbeitet werden sollte. „Die Natur zerstört zwar“, fasste Mizushima zusammen, „sie inspiriert in der Zerstörung aber auch immer zu Kreativität“.

 

von Christian Rainer

Academia, Magazine of unibz & EURAC