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„Musik braucht Erholung“

Matthias Mayr ist nicht nur eine bekannte Sprecherstimme im Radio. Er ist auch neuer künstlerischer Leiter des "Konzertverein Bozen". Und er spielt Cello.
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Foto: Privat

salto.bz: Am Anfang war das Cello. Seit wann gibt es in Ihrem Leben den Ton an?

Matthias Mayr: Das Cello ist seit meinem neunten Lebensjahr ständiger Begleiter, bzw. war immer wieder Grund, weshalb ich die Sachen mache, die ich mache. Über das Cello wurde ich nicht nur Profimusiker, ich kam auch zum Organisieren, zum Unterrichten, ins Orchester und letztendlich auch in die Rai.

Wie kommt man über das Cello zum Organisieren? Und nun zum Programmgestalter für den Konzertverein?

Es ergibt sich manchmal eine Situation aus der anderen. Ich studierte – nach meinem Studium in Italien – Musikwissenschaften und absolvierte das Aufbaustudium Cello in Mainz. Dort waren wir acht verschiedene, sagen wir mal Elite-Cellisten, aus verschiedenen Nationen. Unser Lehrer Julius Berger machte mit uns Konzerte und CD-Produktionen. Innerhalb dieser tollen Gruppe benötigte es jemanden, der Julius Berger in der Organisation unterstützte. Und diese Person war ich. Ich betreute die Konzerte, schaute, ob alles passte: Notenständer, Scheinwerfer, sowie bei Aufnahmen, da war ich derjenige, der im Austausch mit den Aufnahmetechnikern war. Über Julius Berger kam ich dann zu den Kammerfestspielen Lockenhaus, das damals Gideon Kremer leitete. Dieses Festival – ich war damals 24 Jahre alt und war der Leiter des künstlerischen Vertriebsbüros – hat dann meine darauffolgende Zeit im Musikbereich wesentlich beeinflusst. 

Spielte der Konzertverein Bozen in ihrer Jugend eine Rolle?

Absolut. Das war damals eine Regel, dass man sich bei den Konzerten am Abend in den letzten Reihen des Konzertsaales eingefunden hat. Das war viel mehr als heute – wo es nur um das Anhimmeln von Superstars geht –, man ging zu den Konzerten, da man sie unbedingt hören wollte. Die Konzerte des Konzertvereins haben mich inspiriert, man konnte sich was abschauen. Nicht nur ich, auch meine Mitstudenten, die mit mir damals das Konservatorium besucht haben.

Sie waren früher auch Mitglied des neuen "Trio di Bolzano", das mitunter eine musikalische Huldigung an das legendäre "Trio di Bolzano" war. Wie kam es dazu?

Das hatte ich mit zwei Kumpels gegründet. Wir wollten die Formation des Klaviertrios ausbauen und verfeinern. Wir gingen nach Florenz, waren an der Scuola Musica in Fiesole aktiv und studierten auch beim bekannten Trio di Trieste. Über diese Erfahrungen kam das Trio an diverse Orte und machte verschiedenste Wege. Wenn ich wirklich praktizierender Musiker geworden wäre, dann wäre das über dieses Trio gewesen. Wenn wir uns damals Nuovo Trio di Bolzano oder Giovane Trio di Bolzano nannten, dann war das in dem Sinne, die Tradition des legendären Trio di Bolzano fortzuführen.
 

Kammermusik ist schon ein großer Spaß.


Die Programmgestaltung für den Konzertverein ist – nach den vielen Tätigkeiten für andere Konzertreihen und Festivals – nun die Königsdisziplin.für Sie?

Das würde ich schon sagen. Der Konzertverein Bozen ist ja der große ehrwürdige Konzertverein, seit Jahrzehnten. Es ist der älteste und – so würde ich behaupten – der wichtigste Konzertverein im Land. 

Wie sieht die neue Handschrift für den altehrwürdigen Verein aus, den es ja immerhin schon seit dem Jahr 1855 gibt?

Der Konzertverein bringt die großen wichtigen Werke der Kammermusik-Literatur auf die Bühne. Es geht mir dabei nicht nur darum, die großen, bekannten und natürlich wichtigen Werke zu präsentieren, sondern auch auf Entdeckung zu gehen. Es muss auf der einen Seite eine inhaltliche Entdeckung sein und soll nicht nur Werke als "Wiederholungstat" auf die Bühne bringen, sondern auch was die Interpreten betrifft eine Entdeckung sein. So sind es in diesem Jahr auch zum Großteil Künstler und Künstlerinnen, die sehr bekannt sind, aber noch nie in Bozen waren. Wir wollen etwas bieten, was wir in unserem Archiv noch nicht vermerkt haben. 

Archiv?

Professor Giuliano Tonini legte ein Archiv an, wo man recherchieren kann, was – und von wem – bereits in für den Konzertverein gespielt wurde. Sucht man da beispielsweise nach dem Komponisten Friedrich Gernsheim, so sucht man vergeblich, da dieser hier noch nie gespielt wurde. Gernsheim ist – nicht nur in Italien – aus verschiedenen Gründen nicht so bekannt. Das nun für den 7. Jänner 2023 geladene Quartett Mariani bringt unter anderem von Gernsheims eine gesellige und packende Komposition. 

 

Josef Lanz übergibt nach mehr als 20 Jahren die künstlerische Leitung an Sie. Wird es neue Zusammenarbeiten geben?

Zwei Dinge sind sehr wichtig für mich: Zum einen, Synergien mit anderen Veranstaltern zu schaffen, etwa mit dem Südtiroler Kulturinstitut und den insgesamt fünf Konzerten in Bruneck, sowie mit der „musikalischen Jugend“ in Gröden von Egon Lardschneider. Gemeinsam bieten wir beispielsweise die Konzerte des Ensemble Desiderio an, einem in Südtirol verwurzelten Quartett, oder das bekannte Vokalensemble Rajoton aus Finnland, das im Waltherhaus auftreten wird. Wir wollen Synergien schaffen, nicht Termin-Kollisionen. Ich bin auch überzeugt, dass die qualitativ hochwertige Musiklandschaft auch Erholung braucht, denn es ist vollkommen unnütz tagtäglich hochwertige Konzerte anzubieten.
 

Ich persönlich gehe wöchentlich nur einmal ins Konzert


Und wie handhaben Sie die Organisation der verschiedenen Veranstaltungsorte?

Dazu ist zu sagen, dass ich es einen Skandal finde, wie die Verantwortlichen von Land Südtirol und Stadtgemeinde Bozen, mit dem Konservatorium umgehen und nicht imstande sind, die wichtigste Musikeinrichtung des Landes halbwegs in eine bauliche Situation zu bringen, sodass man sich nicht mehr dafür schämen muss. Jede Musikschule dieses Landes – von Meran, Brixen bis nach Welsberg und zurück nach Bruneck – hat eine bessere Einrichtung als das Konservatorium in Bozen. Es ist eine Katastrophe!

Kritik an der Heimstätte. Wie weitermachen?

Das Konservatorium ist ideal für Kammermusik. Aber es fehlen so viele Dinge, die man nicht ausgleichen kann, etwa mit "einer guten Akustik". Es ist unsere Heimstätte, ja, aber sie muss renoviert werden. Es ist aber auch so, dass der Konzertverein nicht nur in ein Gebäude gehört, sondern in mehrere Gebäude, so gibt es im Programm auch Konzerte in Schul-Aulen oder im Teatro Cristallo. Im nächsten Jahr will ich den Konzertverein dann dahingehend weiter entwickeln, um etwas vom Konservatorium wegzukommen.