Politics | Energie

100 Prozent Caia

Die Fusion von Etschwerken und SEL ist nicht nur vom Sanctus der Bozner und Meraner Gemeinderäte abhängig. Antworten auf so manches Rätsel der Operation Neubewertung.

Alle Dinge sind miteinander verbunden. Das sagen nicht nur weise Häuptlinge, sondern auch der politische Verantwortliche für Südtirols Energiesektor. „Wir haben eine Vereinbarung mit Enel, die nur unter der Bedingung greift, dass wir den Rechtsstreit mit den Etschwerken lösen“, erklärt Landesrat Richard Theiner. „Und in der Vereinbarung zwischen SEL und Etschwerken lautet eine der aufschiebenden Bedingungen, dass wir den Konflikt mit den Eisackwerken bereinigen müssen.“  Es sind Deals, in denen es um viele Nullen geht, die von der Landesregierung in diesen Monaten über die Bühne gebracht werden sollen. Rund 400 Millionen Euro kostet die vollständige Heimholung von zehn Enel-Konzessionen. 1,5 Milliarden Euro Umsatz soll die neue Holding von SEL und Etschwerken erwirtschaften. 460 Millionen Euro Schadenersatz forderten Hellmuth Frasnelli und Karl Pichler für die entgangene Konzession St. Anton.

Die Einigung mit der Eisackwerk GmbH hat also nicht nur diese finanzielle Bedrohung aus dem Weg geräumt, sondern war eine Voraussetzung für die Fusion von SEL und Etschwerken. Ohne die wiederum der Enel-Deal nicht wirksam wird. Und nun geht es Schlag auf Schlag weiter mit dem Entknoten. Noch innerhalb dieser Woche soll in den Gemeinderäten von Bozen und Meran die größte politische Hürde der Fusion genommen werden; die Zustimmung der Landesregierung am kommenden Dienstag kann dagegen als formeller Akt gesehen werden. Doch selbst mit dem politischen Sanctus für die Fusion kann sich Energielandesrat Richard Theiner noch nicht als großer Friedenshäuptling feiern lassen. Immerhin enthält der Rahmenvertrag, mit dem man sich in diesen Stunden in den beiden Gemeinderäten herumschlägt, noch eine weitere aufschiebende Bedingung: die Neubewertung der Ende 2005 eingereichten Umweltpläne für die zwölf Großkraftwerke.  

Nicht ohne eine Neubewertung

Also jene Prozedur, die Stromstreit-Schlichter Giuseppe Caia als goldenen Weg vorgegeben hat, um die kriminellen Machenschaften von Michl Laimer und Maximilian Rainer bei der Konzessionsvergabe zu bereinigen ohne der SEL allzu viel Schaden zuzufügen. Alle zurück an den Start, heißt  das Motto. Sprich, zur Abgabe der Ansuchen Ende 2005, vor dem Austausch der Umweltpläne durch Laimer und Rainer im April 2006. Das bereits im April 2013 von der alten Landesregierung beschlossene Procedere war jedoch von Beginn an mit vielen Fragezeichen versehen. Allen voran der Frage nach den Originalunterlagen der SEL. Schließlich wurden die von der SEL eingereichten Originaldokumente nach dem Austausch vernichtet. „Können wir uns tatsächlich auf einfache Word-Dokumente stützen“, fragt man sich noch heute in den Landesämtern, die nun noch einmal ihr Gutachten über die Umweltpläne aller damals eingereichten Projekte erstellen sollen. Noch dazu wenn die – nun aufgetauchten – SEL-Originalunterlagen für die Konzessionen in Laas und Lappach fehlen, wie salto.bz im vergangenen Dezember schrieb? Doch die kreative Lösung Caias hat in den Ämtern auch rechtliche Zweifel aufgeworfen. Wer übernimmt die rechtliche Verantwortung, wenn das Procedere des Professors sich am Ende doch nicht als rechtlich haltbar herausstellen sollte? Auch deshalb sollen diverse Beamte versucht haben, dem Landesrat das Unterfangen auszureden. Ganz gestorben schien die Hoffnung darauf auch in dieser Woche nicht: „Wir warten immer noch auf Anweisungen, was zu tun ist“, hieß es am Mittwoch in einem der betroffenen Landesämter. „Uns ist das alles ein ziemliches Rätsel.“

Zweites Caia-Gutachten

Soll eine der größten Operationen in Südtirols Wirtschaftsgeschichte also von einem Rätsel abhängen? Keineswegs, widerspricht Energielandesrat Theiner. Die Neubewertung wird gemacht – und ist auch schon im Laufen, sagt er. Und zwar voll und ganz unter der Regie Giuseppe Caias. Denn der Bologneser Rechtsprofessor hat laut Theiner nun noch ein zweites Gutachten erstellt, das erst im Jänner von der Landesregierung verabschiedet worden sei – und unter anderem Schritt für Schritt vorgebe, wie die Neubewertung zu erfolgen habe. Auch das Herausnehmen der Konzession von St. Anton aus der neuerlichen Überprüfung der Umweltpläne, die am Mittwoch scharf vom Grünen Riccardo dello Sbarba kritisiert worden war, sei demnach zu „100 Prozent Caia“, wie Theiner unterstreicht. Immerhin sei die Konzession, die nun der Eisackwerke GmbH zugesprochen wird, ein Sonderfall, zu dem ein Strafurteil vom Landesgericht vorliegt.

Für alle anderen Bewertungen sieht das Gutachten dagegen zwei parallele Schienen vor: Einerseits die vergleichende Begutachtung der Originalpläne von SEL und aller damals mitbietenden Konkurrenten durch den Umweltbeirat, das Amt für Stromversorgung, die Etsch-Einzugsbehörde sowie die Gemeinden. Bereits in einer der nächsten Sitzungen der Landesregierung soll laut Richard Theiner aber auch jenes externe Expertenkollegium berufen werden, das laut Caias Empfehlung  die Neubewertung der Projekte noch einmal auf ihre Kongruenz überprüfen soll. „Das werden Experten sein, die nicht ich aussuche, und die alle von auswärts kommen, damit jegliche Verbindungen ausgeschlossen werden“, verspricht der Landesrat maximale Objektivität. Wann das gesamte Manöver abgeschlossen sein soll, liegt laut dem Landesrat genauso in den Verantwortung der zuständigen Ämter wie die Beurteilung, inwiefern die rekonstruierten SEL-Ansuchen tatsächlich als Originale angesehen werden können. „Ich kenne die Dokumente nicht und will sie nicht kennen“, sagt der Landesrat, „denn ich werden auf dieses Procedere in keinster Weise Einfluss nehmen.“ Immerhin hätte das ganze derzeitige Schlamassel vermieden werden können, wenn dies auch sein Vorgänger Michl Laimer getan hätte.

„Das ist nicht die Aufgabe vom Rispoli...“

Das heißt aber auch, dass Beamten – allen voran Abteilungsdirektor Flavio Ruffini – die Verantwortung für die immer noch heikle Frage aufgehalst wird, ob die rekonstruierten SEL-Pläne tatsächlich den damals eingereichten Originalen entsprechen. Dabei können sie auf die Unterstützung der Gerichtsbarkeit zählen, wiederholte der Landesrat auch in der Vergangenheit immer wieder. Eine Aussage, die Oberstaatsanwalt Guido Rispoli zumindest teilweise bestätigt. Ja, wir haben dem Land die Originaldokumente, die wir zusammen mit den Carabinieri rekonstruiert haben, zur Verfügung gestellt, bestätigt er. Und: Auch wenn es sich dabei natürlich nicht mehr um Originale mit Stempel, sondern tatsächlich um von den SEL-Computern rekonstruierte Word-Dokumente handle, hält es Rispoli für richtig, diese zur Bewertung heranzuziehen. „Meiner Meinung wäre es falsch zu sagen, die SEL darf an der Neubewertung nicht teilenehmen, weil der Stempel fehlt“, sagt er. Allerdings nicht als Oberstaatsanwalt, sondern als Jurist, wie Guido Rispoli unterstreicht. Denn die dem Land zur Verfügung gestellten Originale seien zwar im Strafprozess gegen Michl Laimer und Maximilian Rainer ein entscheidendes Element gewesen, um den Beweis für den Austausch der Projekte und damit der betrügerischen Tätigkeit zu erlangen. „Die juridische Bewertung, inwiefern diese Originale für die Prozedur des Landes verwendbar sind, ist jedoch nicht die Aufgabe vom Rispoli, sondern des Landes“, stellt der Oberstaatsanwalt klar.