Society | Israel

Friedensdörfer und Kriegsstaaten

Verena Massl wird in einem Friedensdorf in Israel arbeiten. Im Interview berichtet sie von dem Projekt und dem besonderen Blickwinkel, den man als Südtiroler hat.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Durch das internationale Kooperationsprojekt TachyWE der Bozner Fakultät für Bildungswissenschaften war es Verena Massl möglich, vom 28. Dezember 2015 bis zum 10. Jänner 2016 an einem Austauschprogramm in Israel teilzunehmen. In Bozen absolviert sie gerade den Master IRIS (Innovation in Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit) und wird nun im Vorfeld ihrer Masterarbeit ein sechsmonatiges Praktikum in einem Friedensdorf in Israel antreten.
 

Worin wird deine Tätigkeit im Friedensdorf bestehen? Und was ist so ein Friedensdorf überhaupt?
Mein Praktikum findet im Kommunikationsbüro des Dorfes statt, wobei ich in die Aktivitäten der Grundschule im Dorf eingebunden sein werde, Berichte für internationale Partnerorganisationen verfassen und in der Friedensschule mitarbeiten werde. Dort werden Seminare für Gäste aus aller Welt abgehalten, die sich für dieses besondere Modell der Konfliktlösung interessieren. Es geht beim Friedensdorf um ein Projekt, bei dem das friedliche Zusammenleben von arabischen und jüdischen Israelis in der Praxis umgesetzt wird und neue Modelle der Kooperation, z.b. zweisprachige Schulsysteme erprobt werden. Ab Herbst 2016 startet dort auch ein Masterstudiengang in Conflict Resolution in Zusammenarbeit mit der University of Massachusetts Boston und ich bin gespannt, welche Aufgaben sonst noch auf mich zukommen werden.

Deine Masterarbeit schreibst du über internationale Friedensarbeit. Welche Projekte hast du dafür in Israel bereits besucht?
Ich habe verschiedene Institutionen besucht, die sich für Friedensarbeit, für die Rechte der in Israel ansässigen Beduinen und für die Gleichstellung der Frauen in diesen Gemeinschaften einsetzen, sowie Bildungs-Projekte als Basis für Friedensarbeit. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet in meinen Augen das Dorf Oasis of peace (Wahat al-Salam – Neve Shalom), wo 250 jüdische und arabische Israelis seit 40 Jahren bewusst gemeinsam leben. Sie haben ein anerkanntes Kindergarten- und Grundschulmodell verwirklicht, in welchem Arabisch und Hebräisch gleichberechtigt gelehrt werden. Nicht zuletzt aufgrund dieser ersten bilingualen Grundschule in Israel finde ich mich als Südtirolerin stark in dieser Thematik wieder.
All dies mag vielleicht wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken, jedoch kann diese Förderung des gegenseitigen Respekts vom Kindesalter an zumindest für einen Teil der Bevölkerung dort den Grundstein für ein gemeinsames, friedliches Zusammenleben legen. Außerdem verbreitet sich dieses Modell nun langsam auch auf andere Kindergärten und Schulen im Land, was ich aufgrund der momentan sehr angespannten Lage im Land schon sehr beachtlich finde.

Waren deine Südtiroler Herkunft und der zweisprachige Hintergrund hilfreich, um die Situation in Israel aus einem anderen Blickwinkel zu sehen? Wird man dadurch vielleicht sogar optimistischer?
Ich denke schon, dass man als Südtirolerin mit einem bestimmten Blickwinkel auf den Konflikt dort schaut und bestimmte Vorstellung von Minderheitenrechten bzw. der Gleichstellung verschiedener Sprachen hat. Andererseits hüte ich mich davor, die Situation damals in Südtirol mit dem Konflikt in Israel-Palästina zu vergleichen, da die Situation dort noch um Einiges komplexer ist und nicht nur auf den sprachlichen oder den Minderheitenaspekt reduziert werden kann.
Optimistisch bin ich, was Lösungen des Konflikts angeht, nicht besonders. Mein Optimismus beschränkt sich auf gut funktionierende Projekte und Ansätze zur gemeinsamen Erziehung, wie z.B. das Dorf, in dem ich das Praktikum machen werde. Es gibt auch gemischte Kulturzentren oder Treffpunkte, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Ich bin optimistisch für diese Projekte und die Menschen, die sich in diesen Communities bewegen. Für die Gesamtsituation dort braucht es politische Entscheidungsträger, die sich bedingungslos für den Frieden einsetzen und das scheint gerade auf beiden Seiten nicht der Fall zu sein.

Was ist dein persönlicher Standpunkt? Hast du nach den Wochen, die du vor Ort verbracht hast, Ideen, wie man – auch übers Friedensdorf hinaus – konkret auf ein besseres Zusammenleben zwischen jüdischen und arabischen Israelis hinarbeiten kann?
Mein persönlicher Standpunkt ist sehr gemischt. Ich sehe es so, dass nicht immer alles „schwarz-weiß“ ist, im Sinne dass eine Seite – egal von welcher wir gerade sprechen –  nur gut oder nur schlecht ist. Ich habe z.B. gute Aktionen und Ansätze von Organisationen und Gruppen auf beiden Seiten erlebt. Bisher war ich jedoch lediglich eineinhalb Monate dort und habe mich noch nicht so intensiv mit der Geschichte des Konflikts und Ansätzen der Konfliktlösung beschäftigt. In den kommenden sechs Monaten werde ich mir ein genaueres Bild vor Ort machen können. Ich glaube aber an den positiven Einfluss, der durch Gemeinschaftsbildung und Erziehung zum Frieden erzielt werden kann.

Was hat dich ursprünglich dazu bewegt, den IRIS-Master zu absolvieren?
Im Rahmen meines Psychologie-Bachelors habe ich drei Jahre lang in Köln studiert und war auf der Suche nach einem Master, der mir ein etwas breiteres Spektrum an Wissen und auch etwas andere Methoden aufzeigt, als die klassischen, die in der Psychologie gelehrt wurden. In dem Masterprogramm lernen wir viel über Community Management, Organisationen, die einen partizipativen Ansatz verfolgen und sich für die Rechte von bestimmten Gruppen einsetzen, die ansonsten kaum Unterstützung erhalten. Ich persönlich fand die verschiedenen Module sehr spannend und habe auch von Kommilitonen, die das Programm bereits abgeschlossen haben, sehr positives Feedback erhalten. Vor allem auch die Verbindung zwischen Theorie und Praxis wird sehr wertgeschätzt.
 

Verena hat außerdem vor, vor allem mit der zweiten Generation des Dorfes im Alter von 23 bis 30 Jahren zu arbeiten, um zu sehen, wo der Weg der Friedensarbeit hinführen wird. Viele der Kinder, die selbst im Dorf aufgewachsen sind, setzen sich heute als junge Erwachsene selbst für Friedensarbeit und Menschenrechte ein, einige arbeiten eng mit der Friedenschule zusammen oder unterrichten in der zweisprachigen Schule im Dorf. An solchen Dingen lässt sich erkennen, wie nachhaltig die Friedensarbeit ist.