Politics | Intransparenz

Vinschger Privacy

Im Landtag werden die Datenschutzbestimmungen dazu benutzt, einen möglichen Interessenkonflikt beim Südtiroler Energiekonzern Alperia zu verschleiern.
Geheim
Foto: Pixabay
Wenn man etwas verstecken will, passt die Formel immer.
Der Text der Antwort ist auf Grund der Bestimmungen über die Privacy nicht einsehbar“, heißt es auf der Homepage des Südtiroler Landtages. Eigentlich sollte dort die Antwort von Landesrat Richard Theiner auf eine Landtagsanfrage stehen.
Doch damit nicht genug. Will man sich auf der Landtagsseite die entsprechende Landtagsanfrage anschauen, steht auch hier lapidar: „Der Text der Anfrage ist auf Grund der Bestimmungen über die Privacy nicht einsehbar.
Wer meint, es handle sich hier um ein Staatsgeheimnis, der irrt gewaltig. In der Anfrage geht es um einen möglichen Interessenkonflikt beim Südtiroler Energiekonzern Alperia. Dass der Betreffende ein bekannter Landsmann des Vinschger SVP-Politikers Richard Theiner ist, der die Auskunft erteilen muss, ist einer der berühmten Zufälle im politischen Leben.
Dabei macht die Vorgangsweise der Landtagsverwaltung exemplarisch deutlich, wie man durch eine fadenscheinige Auslegung der Datenschutzbestimmungen die Transparenzbestimmungen und das parlamentarische Initiativ- und Kontrollrecht der Abgeordneten ad absurdum führt. Und wie der Südtiroler Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden.
 

Stiller Wechsel

 
Der Hintergrund der Anfrage ist ein sehr stiller Wechsel im Vorstand der Alperia AG. Mit 30. Juni 2017 ging der langjährige Generaldirektor der Brixner Stadtwerke, Wolfgang Plank in Rente. Einen Tag später trat sein Nachfolger Karl Michaeler sein Amt an. Michaeler sitzt zu diesem Zeitpunkt seit eineinhalb Jahren auch im sechsköpfigen Vorstand des Südtiroler Energiekolosses Alperia.
Weil das Amt in den Brixner Stadtwerken und dem Verwaltungsratssitz in der Alperia nicht vereinbar sind, tritt Karl Michaeler kurz später als Vorstand zurück. Mitte Oktober 2017 wird sein Verwaltungsratssitz nachbesetzt. Für Michaeler rückt der Vinschger Ingenieur Siegfried Pohl in den Alperia-Vorstand nach.
Auffallend ist, dass der Wechsel völlig unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich geht. Weder die Alperia noch das Land haben es für nötig gehalten, den personellen Wechsel in der Presse oder auch nur auf der eigenen Homepage zu kommunizieren. Still und leise wurde im Organigramm des Alperia-Vorstandes ein Name ausgetauscht.
Der 68-jährige Ingenieur Siegfried Pohl ist keiner, der groß in der Öffentlichkeit drängt. Als Bauingenieur und Planer wird Pohl sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Auftraggebern seit vielen Jahren geschätzt. Im Kosmos der Südtiroler Obst- und landwirtschaftlichen Genossenschaften sind die Leistungen des Ingenieurs aus Latsch seit langem äußerst gefragt.
Siegfried Pohl ist aber auch unternehmerisch sehr erfolgreich. Zusammen mit seinem Bruder Peter Paul Pohl hält er mehrere Unternehmen. Dabei wurde auch bekannt, dass Siegfried Pohl und seine Frau über Briefkastenfirmen und Treuhänder im portugiesischen Madeira Anteile im Millionenwert an dem Mailänder Immobilienfonds Whitestone hielten. Die Ermittlung endet letztlich für alle Beteiligten in einer Archivierung, weil keine strafbare Handlung vorlag. Geblieben ist nur eine hohe Steuernachzahlung.
 

Ein Interessenskonflikt?

 
Der 5-Sterne-Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger hat nach dieser Vorgeschichte die Pohl-Ernennung zum Alperia-Vorstand genauer unter die Lupe genommen.
In seiner Landtagsanfrage schreibt Köllensperger:
 
„Nel consiglio di gestione di Alperia Spa siede anche l'ingegner Siegfried Pohl, socio con il fratello Peter Paul dell'omonima società immobiliare, peraltro coinvolta in diverse inchieste giudiziarie. La società energetica si è dotata di un apposito codice etico che regolamenta anche i possibili conflitti di interesse che possono sorgere tra attività professionali privati e mansioni svolte all'interno di Alperia.“
 
Köllensperger wollte dann wissen, ob und welche Aufträge Siegfried Pohl als Ingenieur und Planer von der Alperia und ihren Tochterunternehmen erhalten habe. Ebenso fragte der oppositionelle Landtagsabgeordnete, ob es geschäftliche Beziehungen zwischen Alperia und Unternehmen gebe, an denen Siegfried Pohl beteiligt ist.
Die Grundfrage dabei: Ist es nicht ein Interessenkonflikt, wenn der Vorstand eines öffentlichen Unternehmens gleichzeitig als Dienstleister für dieses Unternehmen sowie als Geschäftspartner tätig ist?
 

Die Antwort

 
Richard Theiner hat jetzt die Fragen Köllenspergers beantwortet.
Der Energielandesrat schreibt dabei:
 
„Questa risposta si riferisce al periodo dall’01.01.2016 al 31.12.2017. In questo periodo, all Ingenieurbüro Pohl+Partner” (già “Ingenieurbüro Dr. Ing. Siegfried Pohl”) è stato affidato nel 2016 da parte della società Teleriscaldamento Silandro Srl, di cui il Gruppo Alperia detiene il 49%, un incarico per un corrispettivo di Euro 31.259,19 per la coordinazione della sicurezza nella fase di pianificazione e realizzazione, nonché la stesura dei piani riguardanti l’ingegneria civile e gli aspetti statici per la realizzazione del serbatoio di accumulo.
Ad integrazione della richiesta si specifica che per effetto della fusione SEL-AEW, Alperia Spa è subentrata in un contratto di locazione ad uso ufficio (uffici situati nel edificio “Enzian” a Bolzano Sud) con un valore annuo di Euro 305.000 (al netto di IVA), stipulato tra SEL SPA e la società PSZ di Focus Srl & Co. Sas, indirettamente partecipata anche dal Signor Siegfried Pohl.“
 
Dass es in dieser Konstellation zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, das sieht der zuständige Landesrat nicht. Theiners Argumentation: Siegfried Pohl habe bei der Annahme des Alperia-Vorstandssitzes eine Eigenerklärung abgegeben, in der er angebe, in keinem Interessenkonflikt mit dem Unternehmen zu stehen.
 
Zudem würde das Zivilgesetzbuch vorschreiben, dass ein Vorstandsmitglied, sollte es um eigene direkte oder indirekte Interessen gehen, sowohl den Vorstand wie auch den Überwachungsrat des Unternehmens umgehend informieren müsse.
Lässt sich über diese inhaltliche Bewertung auch streiten, so sind die Begleitumstände dieser Landtagsanfrage und ihre Beantwortung ein handfester Skandal.
 

Der Maulkorb

 
Denn die Südtiroler Öffentlichkeit darf anscheinend nichts von der Anfrage und noch weniger von Theiners Antwort wissen. Anfrage und Antwort unterliegen nach Auffassung des Landtages dem Schutz der Privacy von Siegfried Pohl.
So werden Anfrage und Antwort nicht nur auf dem Homepage des Landtages bewusst nicht veröffentlicht, sondern man geht noch viel weiter.
Laut Gesetz muss die Landesregierung die Anfragen beantworten und auch den Mitgliedern des Landtags zustellen. So erhielten die 35 Landtagsabgeordneten vor einigen Tagen auch die Antwort zu Siegfried Pohl.
Versehen mit einem „Hinweis“. Dort steht zu lesen:
 
„Die beiliegende Anfrage bzw. Antwort Nr. 3183/17 darf nachdem sie personenbezogene/senisible Daten ...(es folgt der Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen und den Kodex über den Schutz der persönlichen Daten)...enthält, nur an die Damen und Herren Landtagsabgeordneten verteilt werden. Diese sind laut den geltenden Bestimmungen verpflichtet, den Schutz der in der obgenannten Anfrage bzw. Antwort auf eine Anfrage enthaltenen personenbezogenen bzw. sensiblen Daten, von denen sie aufgrund der Übermittlung der beiliegenden Anfrage/Antwort im Sinne des Artikels 118 Absatz 2 der Geschäftsordnung Kenntnis erhalten, zu gewährleisten.“
 
Im Klartext: Den Landtagsabgeordneten wird in Sachen Siegfried Pohl ein Maulkorb umgehängt.
 

Pohls sensible Daten

 
Es gibt Fälle, in denen die zitierten gesetzlichen Bestimmungen natürlich Anwendung finden und durchaus auch sinnvoll sind. Wenn es zum Beispiel um sensible Krankendaten geht, um Sozialhilfeempfänger oder um andere per Gesetz geschützte Angaben.
Dass man in diesem Fall diese Bestimmungen ausschließlich aus (partei)politischer Rücksichtnahme anwendet, wird deutlich, wenn man sich die Daten genauer anschaut, die in der Antwort Theiners vorkommen.
 
Es gibt nur zwei Angaben. Einmal die Tatsache, dass Siegfried Pohl 2016 einen Auftrag der Fernheizwerk Schlanders GmbH über 31.259,19 Euro erhalten hat
Das Unternehmen ist eine öffentliche Gesellschaft, die zu 51 Prozent der Gemeinde Schlanders und zu 49 Prozent der Alperia AG gehört. Im Sinn der Transparenzgesetze muss die Fernheizwerk Schlanders GmbH diese Auftragsvergabe und den Betrag an Siegfried Pohl öffentlich machen. Demnach kann diese Information kein sensible, dem Datenschutz unterworfene Angabe sein.
Die zweite Angabe in der Theiner-Antwort betrifft die Anmietung der Büroräumlichkeiten durch die Alperia AG im „Enzian“-Turm in Bozen Süd. Dass die Immobilie der „PSZ di Focus Srl & Co. OHG“ gehört, steht im Grundbuch. Dass Siegfried Pohl direkt oder indirekt über verschiedene Tochterunternehmen Teilhaber dieser Unternehmens ist, geht aus dem öffentlichen Handelsregister an der Bozner Handelskammer hervor.
Im Klartext: Es gibt keinerlei sensible, personenbezogene und schützenswerte Daten, weder in der Anfrage noch in der Antwort.
Landesrat Richard Theiner, Landtagspräsident Roberto Bizzo und der zuständige Generalsekretär des Landtages Florian Zelger verkaufen mit dieser Auslegung nicht nur 35 Landtagsabgeordnete für blöd, sondern auch die Südtiroler Öffentlichkeit.
Am Ende wird man sich damit rechtfertigen, dass es ein Missverständnis war. Oder der bedauerlicher Fehler eines Bediensteten.