Culture | Salto Afternoon

Der Duft von Waldluft

Wer heute keine Karte mehr für die Eröffnung beim BFFB ergattern kann, setzt sich am besten in den Film "Café Waldluft". Warum? Ein Gespräch mit Matthias Koßmehl.
Café Waldluft Esstisch
Foto: Café Waldluft

Salto.bz: Sie haben an der Universität Bozen studiert? Nun kommen Sie mit einem Film zurück. Wie kam es dazu?
Matthias Koßmehl: Genau, ich habe vier Jahre hier gelebt und an der Uni Bozen Design und Künste studiert. Eine schöne Zeit, an die ich immer wieder sehr gerne zurückdenke.
2012 habe ich meinen Abschluss gemacht. Damals auch schon mit einem Film, denn das Studium ist tatsächlich sehr breit gefächert und bietet viele Möglichkeiten. Der Film heißt Welcome to Bavaria und war eine 10-minütige Satire auf die europäische Flüchtlingspolitik mit Maximilian Brückner in der Hauptrolle. Der Film hatte damals als Kurzfilm großen Erfolg, gewann mehrere Preise und lief weltweit auf Filmfestivals. Und ich selbst kam mehr und mehr zu dem Schluss, dass man mit dem was man macht vielleicht doch, was verändern kann. Film ist dazu vielleicht das beste Medium, was je erfunden wurde.

Als junger Mensch und als Filmemacher ganz im speziellen hat man den unbeugsamen Willen die Dinge so, wie sie sind, nicht hinzunehmen. Das mag vielleicht ein bisschen naiv sein, kann aber unheimlich viel bewegen.

So war für mich klar, dass ich weiter Filme machen möchte, die meine Haltung widerspiegeln und die zumindest den Anspruch haben etwas zu bewegen. Dass ich mit meinem Debüt jetzt nach Bozen zurückkommen darf, freut mich natürlich besonders.

Wie kam die Idee zu "Café Waldluft"?
Nach dem Kurzfilm wollte ich mich weiter mit dem Thema Flucht und Migration auseinandersetzen. 2013 und 2014 begann die Bayerische Regierung Flüchtlinge in ausgemusterten Hotels und Wirtshäusern auf dem Land unterzubringen. In einer Regionalzeitung lass ich von einem Ort, in dem Flüchtlinge im hiesigen Wirtshaus untergebracht wurden. Der ganze Ort stand Kopf und der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur witterte den Untergang eben dieser. Das hörte sich im ersten Moment komisch an und das war es natürlich auch.

Doch längst hatten auch rechtspopulistische Meinungsmacher verstanden die Flüchtlingskrise für sich zu nutzen. Die deutsche Identität und Heimat stehe jetzt auf dem Spiel und müsse geschützt werden. Natürlich völliger Quatsch.

Aber wenn Mauern erst einmal in den Köpfen der Menschen entstehen, sind sie danach sehr schwer wieder einzureißen. Ich wollte einen Film über diese von so vielen Seiten überbeanspruchte Heimat machen und zeigen, dass das Konzept von Heimat doch etwas viel universelleres ist.

Was ist Heimat?
Die Heimat, wenn man sie für sich so überhaupt benennen kann, ist etwas, was seit jeher ständiger Veränderung unterworfen ist und sich immer wieder neu definiert. Nicht zuletzt, durch Menschen, wie jeden von uns, unabhängig welcher Herkunft oder Staatsangehörigkeit man ist.

Ab wann haben sie dann die „passende Waldluft“ für Ihren Film riechen können?
Bei meiner Recherche habe ich mir viele dieser Orte, Gaststätten und Hotels, die für die Unterbringung der Flüchtlinge genutzt wurden angeschaut. Für mich war es spannend zu beobachten, wie die Dorfgemeinschaften mit den Fremden umgingen. Mit dem Café Waldluft bin ich dann aber auf etwas Einzigartiges gestoßen. Auf einem kleinen Hügel hoch über Berchtesgaden stand das etwas in die Jahre gekommene Ausflugshotel. Die Wirtin Flora Kurz (69), auf den ersten Blick eine typisch bayerische Wirtin, beherbergte dort 35 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Afrika. Währenddessen traf sich in der Wirtsstube der älteste Stammtisch des Ortes und Touristen aus Australien oder Japan kamen zum Schnitzel Essen vorbei. Es entstand ein verrückter Mikrokosmos, in dem plötzlich alles möglich war. Die Wirtin, die von allen liebevoll „Mama Flora“ genannt wurde, schaffte mit ihrer pragmatischen und herzlichen Art, das im Kleinen etwas Großes funktionierte.

Ob Moslem, Katholik, Protestant, Afghane oder Bayer war am Ende völlig „wurscht“. Für viele ist dort eine neue Heimat entstanden. Ich musste den Film einfach machen.

Café Waldluft begegnet einer brisanten Thematik auf humorvolle Weise. Vermissen sie das manchmal in der Wirklichkeit?
Leider haben wir den guten Humor fast schon verlernt und ich vermisse besonders Filme, die brisante Themen mit Humor angehen. Denn gerade da liegt doch die große Chance von Kino. Menschen wollen im Kino dem Alltag entfliehen und gute Geschichten erzählt bekommen. Humor und ernste oder brisante Themen schließen sich da doch nicht aus. Aber leider gibt es oft entweder lustig und ohne Inhalt oder eben das ernste Flüchtlingsdrama.

Der einzigen und wahren Wirklichkeit täte ein bisschen Humor und Gelassenheit sicher auch ganz gut. Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.

Welche Erinnerungen haben Sie an Bozen? Waren sie schon mal beim Filmfestival, den früheren Filmtagen?
Ich habe sehr schöne Erinnerungen. Und ich war, wie ich noch in Bozen gewohnt habe, natürlich fast jedes Jahr bei den Filmtagen. In Bozen gibt es mit dem Capitol Kino und dem Filmclub ja auch während dem Jahr durchweg interessante Filme zu sehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das, was Martin Kaufmann die letzten Jahrzehnte dort aufgebaut hat, ist wirklich etwas Besonderes und ich hoffe, dass es die Filmtage und den Filmclub noch lange weiter geben wird.
Mit meinem Kurzfilm „Welcome to Bavaria“ war ich kurz nach meinem Studium tatsächlich auch schon mal auf den Filmtagen eingeladen. Das war für mich eine tolle Erfahrung, weil der kleine Film, in dem man so viel Arbeit gesteckt hatte dort mit eines der erste Male vor großem Publikum gezeigt wurde. Das hat mich damals sehr motiviert.

Woran arbeiten Sie gerade?
Ich habe gerade meinen Abschlussfilm an der Filmhochschule fertiggestellt. Die letzten zwei Jahre habe ich nämlich noch einen Master in szenischer Regie an der Hamburg Media School gemacht. Der Film heißt Different Bayern und ist eine bayerische Komödie.

Um was dreht sich der Film?
Austin Abassi - Profifußballer aus Ghana - wird nach Europa verkauft. Er denkt, er wechselt zum großen FC Bayern. Doch über schmierige Machenschaften lokaler Vereinsbosse landet er in der bayrischen Provinz, in der es außer Kühen nur einen fünftklassigen Fußballverein gibt.

Der Stolz eines ganzen Dorfes - vom Abstieg bedroht.

Hier kann Austin eigentlich nichts halten. Doch schon bald muss er feststellen, dass Gretzing und Ghana mehr gemein haben, als er glauben wollte.