Sozialgenossenschaft 2.0

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 381/1991 vergangen, der offiziellen Geburtsstunde der Sozialgenossenschaften. Heute zählt man in Südtirol aktuell um die 220 Sozialgenossenschaften, die insgesamt mehr als 2.500 Personen beschäftigen. Bei jeder oder jedem Fünften handelt es sich um eine benachteiligte Person, also Menschen, die im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojektes in den Sozialgenossenschaften beschäftigt sind. „Sozialgenossenschaften sind heute unverzichtbare Leistungsträger im Sozial- und Gesundheitsbereich und von der Arbeitseingliederung benachteiligter Personen gar nicht mehr wegzudenken“, hieß es am Mittwoch Abend auf einer Tagung zum Thema „Sozialgenossenschaften 2.0“ des Genossenschaftsverbandes Legacoopbund in der Handelskammer Bozen.
Trotz aller Erfolge und Innovationen muss die Rolle des Erfolgsmodells aber neu überdacht werden, wurde dort hervorgehoben. Der Druck auf die Sozialgenossenschaften steigt, die Bürokratie nimmt zu, der Konkurrenzdruck bei öffentlichen Ausschreibungen wird immer größer und öffentliche Beiträge nehmen generell ab. Was also können und sollen Sozialgenossenschaften in Zukunft noch leisten und inwiefern können sie eine Antwort auf demographische Veränderungen und gewandelte soziale Bedürfnisse geben? Antworten auf solche Fragen soll auch eine von Legacoopbund bei der Genossenschaft SOPHIA in Auftrag gegeben Studie liefern , deren Ergebnisse am Mittwoch vorgestellt wurden. Co-Autoren Oscar Kieswetter und Armin Bernhard gingen dabei nicht nur auf die Geschichte der Sozialgenossenschaften an, die bereits weit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 381/1991 zurückreicht, sondern wiesen auch Wege in die Zukunft. er auf die neuen sozialen Herausforderungen eingegangen ist: „Das Altern der Gesellschaft, die Integration von verschiedenen Personengruppen oder die Arbeitsplatzbegleitung von Personen mit hohem Unterstützungsbedarf zwingen die Genossenschaften dazu, neue Wege zu beschreiten und ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern“, erklärte Bernhard. Neue Bündnisse und Netzwerke mit dem Profit und Non-Profit-Sektor und eine flexible Unterstützung von Seiten der öffentlichen und privaten Partner würden dabei eine wesentliche Rolle spielen.
Klar wurde, dass auch das Konzept der benachteiligten Personengruppen überdacht werden muss. Auch neue Gruppen wie zum Beispiel Obdachlose, Personen mit Migrationshintergrund, Langzeitarbeitslose oder arbeitslose Jugendliche könnten in Arbeitsintegrationsprojekte der Genossenschaften einbezogen werden. „Es handelt sich hierbei oftmals um benachteiligte Personen auf Zeit. Den Sozialgenossenschaften sollte darum die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Personengruppen auf Zeit zu begleiten und entsprechende gesonderte Förderungen zu erhalten, ohne die Kategorien der benachteiligten Personengruppen laut Gesetz 381/91 neu zu regeln“, so die Meinung der Diskussionsteilnehmer.
Laut dem Vorsitzenden von Legacoopbund Heini Grandi muss der Mehrwert, den Sozialgenossenschaften durch ihr Wirken erzeugen, stärker hervorgehoben werden. Grandi forderte zu diesem Zweck eine öffentlich finanzierte Studie, mit der die soziale Wirksamkeit der Tätigkeit von Sozialgenossenschaften auf die Öffentlichkeit, auf die Lebensqualität von benachteiligten Personen und auf deren Umfeld aufzeigt wird.