Super G in die Zelle
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Am frühen Donnerstagmorgen schlägt man gleichzeitig in acht Regionen zu. Die Beamten der Finanzwache durchsuchen über zwei Dutzend Wohnungen und Firmensitze. Ausgestattet mit Haftbefehlen der römischen Untersuchungsrichterin Mara Mattioli werden acht Personen ins Gefängnis gebracht, 14 in den Hausarrest überstellt und zwei davon der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit enthoben. Gleichzeitig beschlagnahmt man Bargeld, luxuriöse Villen, Wohnungen, große Summen von Kryptowährung, Rolex-Uhren, Schmuck von Cartier oder Luxusautos wie Lamborghini oder Porsche.
Geleitet wird die Ermittlung von der leitenden Staatsanwältin an der Europäischen Staatsanwaltschaft in Venedig, Donata Patricia Costa. Diese Staatsanwaltschaft wird immer dann eingeschaltet, wenn es um größere transnationale Ermittlungen geht. Wie in diesem Fall.
Denn im Fokus dieser Aktion steht eine internationale Betrügerbande. Der Vorwurf: Die zwei Dutzende Beteiligten sollen über Scheinfirmen und gefälschten Verträgen sich rund 600 Millionen Euro an öffentlichen Fördergeldern erschwindelt haben. -
Die Fördergelder kommen dabei sowohl aus dem sogenannten Fassadenbonus (Superbonus) als auch aus der Finanzierung von Kleinunternehmen durch den europäischen Wiederaufbauplan PNNR.
Die Bande war dabei nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich, Rumänien und der Slowakei tätig. In der dortigen Hauptstadt Bratislava wurde gestern dann auch der Kopf der Bande verhaftet. Es handelt sich dabei um den Südtiroler Ex-Skirennläufer Alex Mair.
Für Mair ist es nicht die ersten Verhaftung. -
Einfädler im Strafgesetzbuch
Der heute 53jährige Gossensaßer Alex Mair war einmal die Hoffnung des italienischen Skisports. Mit 19 Jahren gewinnt er 1989 bei den Jugendweltmeisterschaften in Aleyska in den USA die Silbermedaille im Super G. Zwei Jahre später wird er im Super G Vize-Italienmeister. Vor ihm kommt nur Peter Runggaldier ins Ziel. Auf Platz 3 hinter Mair landet damals kein Geringerer als Kristian Ghedina
Der Sprung in die A-Nationalmannschaft und in den Weltcup-Zirkus mißlingt dann aber. Seine besten Platzierungen fährt Alex Mair bei der WM 1991 in Saalbach-Hinterglemm mit einem 14. Platz im Super G ein. Sein bestes Weltcup-Ergebnis ist ein 58. Platz bei der Abfahrt in Kitzbühel im Januar 1995. Ein Jahr später beendet der Südtiroler seine Skifahrerkarriere.
Das Leben von Alex Mair nach seiner Sportlerkarriere wird dann zu einer Slalomfahrt zwischen unternehmerischem Draufgängertum und krimineller Energie. Mehrmals fädelt der selbstständige Unternehmer dabei an den Torstangen des Strafgesetzbuches ein.
Alex Mair wird 2007 zum ersten Mal wegen mutmaßlichen Drogenhandels verhaftet. Zwei Jahre später folgte seine erneute Verhaftung. Mair, dessen Faible für Luxusautos – etwa Lamborghinis – bekannt ist, wird im November 2009 von der Bozner Polizei verhaftet. Der Vorwurf: Mair soll der Kopf einer internationalen Bande sein, die einen Betrug mit Luxusautos umsetzte. Am Ende kommt es in diesem Fall 2012 vor dem Landesgericht Bozen zu einem Schuldeingeständnis und zu einer Verurteilung wegen Betruges und Geldwäsche von 23 Monaten. -
„Das Leben von Alex Mair nach seiner Sportlerkarriere wird zu einer Slalomfahrt zwischen unternehmerischem Draufgängertum und krimineller Energie.“
Zehn Jahre später kommt Alex Mair erneut mit dem Gesetz in Konflikt. Im Herbst 2022 steht er sowohl in Vicenza als auch in Ferrara vor Gericht. Wieder wird dem Ex-Skiläufer ein groß angelegter Betrug mit Luxusautos vorgeworfen. Dabei geht es um gestohlene Autos, die in den Osten verkauft wurden. Die Ermittlungen betreffen nicht nur Italien, sondern auch Polen, Bulgarien, Rumänien und Deutschland.
In Ferrara wird Mair im November 2023 von allen Anklagepunkten freigesprochen. Das Verfahren in Vicenza ist noch offen. -
Der Millionen-Betrug
Diese Woche der nächste Paukenschlag. Alex Mair wird nach einem internationalen Haftbefehl in Bratislava festgenommen. Der Gossensaßer Unternehmer lebt seit langem in der Nähe von Verona. Dort in Bussolengo wird gleichzeitig auch seine Lebensgefährtin die Ukrainerin Zhanna Zozulya in Haft genommen. Zudem wandern am Donnerstag, Federico Bianchi (Taglio di Po/Rovigo), Franco Enrico Borghi (Brescia), Maurizio De Simone (Avellino), Thanas Mitri (Caprino Veronese/Verona) in den Knast. Ebenso verhaftet werden der in Pistoia lebenden deutsche Unternehmer Stefan Lehmann, und der auch in Rom tätige Innsbrucker Geschäftsmann Christian Waschnig.
Alex Mair ist dabei nicht der Einzige der Beschuldigten (für alle gilt die Unschuldsvermutung), der aus der Welt des Sports kommt. Stefan Lehmann war der Hauptaktionär der Pistoiese Calcio und Maurizio De Simone war als Bürge für den Fußballverein aufgetreten. Zudem wurde auch Omar Vecchione aus Avellino in den Hausarrest überstellt. Vecccioni war über sein Reinigungs-Unternehmen Omav ein weiterer Aktionär von Pistoiese Calcio. -
Zwei Südtiroler?
Wegen Mittäterschaft ebenso unter Hausarrest gestellt, wurden gestern Renato Ciulli (Capraia e Limite/Firenze), die Urkainerin Yevgeniya Ovdiyenko (Marano Lagunare/ (Udine;), Flavio Angelo Brighenti (Toscolano Maderno/Brescia), Mauro Candeloro (Roma), Roberto De Chiara (Castelnuovo del Garda/Verona), Stefano Della Pia (Mercogliano/Avellino), Angelo Faicchio (Soresina/Cremona), Francesco Furlan (Ronchi dei Legionari/Gorizia), Alessandro Romano (Lecce), Antonio Buttazzo (Cassano D’Adda) und Ruggero Coniglio (Bassano Del Grappa/Vicenza).
Mit Berufsverbot belegt wurden der Omar Vecchione (Avellino) und der Wirtschaftsberater aus Jesolo, Franco Mazzarotto. -
In den Hausarrest überstellt wurden aber auch zwei weitere Personen aus Südtirol. Der deutsche Unternehmer Stefan Wünsche, offiziell in der Gemeinde Brenner ansässig. Sowie der Bozner Unternehmer Giancarlo Bellinato. Bellinato ist unter anderem Mitbesitzer und Geschäftsführer „Mader-Handel-Service UG“ mit Sitz in Stuttgart, die laut Handelskammerauszug „Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Pellets, Briketts, Plastik und Autos“ betreibt.
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Kryptische Worte
Laut den Ermittlungen der Finanzwache hat die Bande allein mit fiktiven Rechnungen und Arbeiten zum Fassadenbonus und für PNNR-Projekte einen Steuerbonus von 530 Millionen Euro angehäuft. 224 Millionen davon wurden bereits über zwei Dutzend Unternehmen und Gesellschaften, die in die Machenschaften verwickelt sein sollen, abgesetzt.
Laut einem Bericht des „Il fatto quotidiano“ sollen die jetzt Verhaften seit längerem von den Ermittlungen der Finanzwache und der Europäischen Staatsanwaltschaft gewusst haben. So hörten die Ermittler ein Telefongespräch ab, in dem einer der Beschuldigten offen erklärte: „So che ci stanno seguendo e stiamo facendo finta di niente, ma secondo me un’indagine di Venezia…”.
Alex Mair & Co. haben daraufhin einen Informatikexperten engagiert, der die Beteiligten mit abhörsicheren technischen Geräten ausgestattet haben soll. Zudem haben sie selbst über Internet nur mehr kryptisch über ihre Geschäfte gesprochen.
Weil immer deutlicher wurde, dass einige ihre Spuren zu verwischen versuchen – etwa Alex Mair – hat die Finanzwache dann am Donnerstagmorgen zugeschlagen.
Bravo Team Salto. Super…
Bravo Team Salto. Super Recherche.
Wahrscheinlich hat er als…
Wahrscheinlich hat er als Skifahrer zu wenig verdient!
In reply to Wahrscheinlich hat er als… by chriara
Mair hatte sich im Sport die…
Mair hatte sich im Sport die falschen „Fiamme“ ausgesucht.