Der Feind in der Familie
700 Frauen wandten sich 2014 an die Kontaktstellen gegen Gewalt und die Frauenhäuser in Südtirol. Das ist aber nur eine von 20 Frauen, die Opfer von Gewalt werden, schätzt man beim Landesstatistikinstitut ASTAT. Rechnet man die Zahlen hoch, käme man auf rund 14.000 weibliche Gewaltopfer in Südtirol.
Und schon bei diesen wenigen erfassten Fällen ergreift die Frau nur in jedem zehnten Fall selbst die Initiative, sich an ein Frauenhaus zu wenden. In weiteren rund zehn Prozent der Fälle sind es Bekannte oder die Familie, die zu Hilfe kommen, hauptsächlich stammt die Unterstützung von anderen Südtiroler Sozialeinrichtungen. In jedem vierten Fall weisen die Justizbehörden oder die Ordnungskräfte die Frauen den Frauenhäusern zu.
Die Gewalt (bzw. jene Formen von Gewalt, welche die Frau dazu bringen, sich an eine Einrichtung zu wenden) geschieht fast immer innerhalb der Familie. In mehr als der Hälfte der Fälle ist der Täter der Ehemann oder Lebensgefährte der Frau. In einem weiteren Fünftel der Fälle ist es der frühere Partner, während der Verlobte deutlich seltener handgreiflich wird. Auch die übrigen Familienmitglieder stellen häufig eine Bedrohung dar (11,5% der Gewalt geschieht durch Väter, Söhne, Brüder und manchmal sogar durch Gruppen von Familienangehörigen). Selten ist ein Freund, Bekannter oder der Arbeitgeber der Täter, in Einzelfällen ein Unbekannter oder eine Gruppe von Unbekannten.
Bei den Formen der Gewalt treten verschiedene Kombinationen von Gewalt auf, so das ASTAT, aber der psychologische Aspekt überwiegt. „Sexuelle Gewalt spielt hingegen eine geringere Rolle gegenüber den anderen drei Arten von Gewalt, nämlich psychischer, physischer und ökonomischer.“
In drei von vier Fällen (74,0%) haben die Frauen, die sich an eine Einrichtung gewandt haben, bereits Kinder. Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade die Anwesenheit von Kindern (sprich eines zweiten Opfers) die Frauen dazu veranlasst, Hilfe zu suchen, folgert man beim ASTAT.
Die fünf südtiroler Frauenhäuser verfügen über 40 Wohnungen oder Zimmer für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, aber auch für ihre Kinder. Insgesamt stehen rund 100 Betten zur Verfügung. Abgesehen von den Minderjährigen waren am 31. Dezember 2014 30 Frauen anwesend. Im Laufe des ganzen Jahres haben 124 Frauen Hilfe gesucht.
es ist eine unzulässige (weil
es ist eine unzulässige (weil diskriminierende) Verkürzung bei häuslicher Gewalt (besonders wenn alle vier Dimensionen betrachtet werden) ausschliesslich ein Geschlecht als Opfer und das andere als Täter zu benennen. Wer sich Statistiken (in Südtirol, Österreich und Deutschland) ansieht und die Chronikseiten in Zeitungen aufmerksam liest weiß, dass die Realität differenzierter ist. Wahr ist, dass andauernde schwere körperliche Gewalt überwiegend von Männern an Frauen ausgeübt wird. Noch sehr wenig erforscht bzw. erfasst ist, die Anwendung von Verfügungsgewalt d.h. jemand den Kontakt, den Zugang, die Beziehung zu verweigern. Klar ist, dass ALLE Opfer von Gewalt ein Anrecht auf Verständnis, Schutz und Unterstützung haben.