Economy | Bozen
Rücktritt aus Protest
Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser
Dass der Mann schreiben kann, ist keine Neuigkeit.
40 Jahre lang hat Pietro Marangoni für den „Alto Adige“ gearbeitet, er hat für „Epoca“ und „Panorama“ geschrieben und über ein Jahrzehnt lang den Wirtschaftsteil der italienischen Bozner Tageszeitung geleitet.
Auch der Brief, den der heute 71jährige Berufsjournalist am 15. Mai an den Bozner Bürgermeisters Renzo Caramaschi und den zuständigen Stadtrat und Vizebürgermeister Christoph Baur schickte, ist ein Musterbeispiel an sprachlicher und inhaltlicher Klarheit.
„Con la presente sono a rassegnare in maniera irrevocabile, e con effetto immediato, le mie dimissioni da componente del CdA della Fondazione Castelli di Bolzano. Si tratta di una decisione assai sofferta maturata da tempo, ma sempre rinviata, nella speranza di poter in qualche maniera contribuire alla soluzione di una situazione che a, mio personale giudizio, è diventata ora soggettivamente imbarazzante da sostenere.
Nel ringraziare nuovamente per la fiducia accordatami nel dicembre 2016 con la nomina ai vertici di questo prestigioso organismo culturale, mi vedo costretto — dopo neppure un anno e mezzo di forte impegno assunto con spirito di servizio verso la collettività — a dover rinunciare al mio ruolo a seguito dalla totale caduta del rapporto fiduciario con il presidente della Fondazione stessa.
Per motivi etici legati alla formazione culturale e morale del sottoscritto, e che oggi risultano assolutamente incompatibili con quelli del Presidente in oggetto, mi vedo costretto a dover lasciare ad altri il compito conferitomi.
Per motivi etici legati alla formazione culturale e morale del sottoscritto, e che oggi risultano assolutamente incompatibili con quelli del Presidente in oggetto, mi vedo costretto a dover lasciare ad altri il compito conferitomi in quanto impossibilitato a poter contribuire alla valorizzazione dell'attività culturale e sociale della Fondazione stessa che amministra, per oltre il 60% del suo bilancio, danaro pubblico.
Con stima, augurando un buon lavoro nell'interesse della collettività
Dott. Pietro Marangoni“
Das Schreiben hat im Rathaus wie eine Bombe eingeschlagen. Denn in den 16 Zeilen fasst Pietro Marangoni sehr nobel die untragbare Situation in der Stiftung „Bozner Schlösser“ zusammen, die seit Jahren von der Bozner SVP geduldet und gedeckt wird.
Der Schlossherr
Der Grund für die Zurückhaltung liegt bei jenem Mann und dessen Verhalten, die der Grund für Marangonis Rücktritt sind: Univ.-H. Prof. Doz. DDr. Helmut Rizzolli.
Helmuth Rizzolli, einflussreicher Laubenkaufmann, Hut- und Patschenmacher, Trachtenfachmann, habilitierter Professor in Mittelalter- und Neuzeitarchäologie mit besonderer Berücksichtigung des Münz- und Geldwesens und Präsident des Heimatschutzvereins Bozen.
Jahrzehntelang war der heute 78jährige Rizzolli aber vor allem eine SVP-Politgröße in der Landeshauptstadt. Er war ab 1995 zehn Jahre lang Präsident der Urbanistikkommission, sowie fünf Jahre lang Stadtrat für Wirtschaft. In dieser Zeit legte er persönlich die Hand auf die beiden Prunkschlösser der Stadt Bozen: Runkelstein und Schloss Maretsch. Seit 20 Jahren sind die Schlösser das Spielzeug von Helmuth Rizzolli.
2007 gründete die Stadt Bozen die „Stiftung Bozner Schlösser“, die Runkelstein und Maretsch verwalten und führen soll. Die Stiftung wurde nicht etwa beim Kulturassessorat, sondern beim Handel- und Wirtschaftsassessorat angesiedelt. Als Anreiz für sein Ausscheiden aus der aktiven Mandatspolitik durfte Rizzolli „seine Schlösser“ behalten, in dem er seit 11 Jahren der Schlösser-Stiftung als Präsident vorsteht.
Wie er das tut, hat erst Anfang des Jahres die Wochenzeitung FF treffen nachzeichnet. Unter dem Titel „Die Ich AG“ schrieb die FF damals: „Schloss Maretsch und Runkelstein: Die Mitarbeiter sind entnervt, die Publikationen nahezu unverkäuflich und die Führung durch Stiftungspräsident Helmut Rizzolli undurchsichtig. Warum schauen alle weg?“
Im Gespräch mit salto.bz beschreibt Pietro Marangoni Rizzollis Machart weniger nobel: „Rizzolli führt die Stiftung als wäre sie eines seiner Geschäfte“.
Das Statut
Ein harter Vorwurf, der sich aber durch Fakten, Zahlen und Tatsachen belegen lässt.
Zwischen 2013 und 2017 hat die „Stiftung Bozner Schlösser“ 259 Aufträge im Wert von 1.466.944,80 Euro vergeben. Ohne Ausschreibung. Es waren allesamt Direktvergaben, die der Präsident Hellmuth Rizzolli selbst getätigt hat.
Abgesichert ist diese Alleinherrschaft durch das Statut der Stiftung. Denn dort werden in Artikel 8 dem Stiftungspräsidenten alle Vollmachten auch als Geschäftsführer erteilt. Rizzolli erhält dafür eine Jahresentschädigung, die bei 33.000 Euro liegt.
Dass im dreiköpfigen Verwaltungsrat der Stiftung, die anderen beiden Verwaltungsräte mehr oder weniger Statistenfunktion haben, ist seit langem klar. So trat zum Beispiel schon vor Jahren Milena Cossetto aus Protest gegen Rizzollis Verwaltungskultur als Verwaltungsrätin der Stiftung zurück.
Mit dem Rücktritt von Pietro Marangoni wiederholt sich jetzt die Geschichte. Dabei hatte die neue Stadtregierung unter Renzo Caramaschi, der als Stadtkämmerer Helmuth Rizzollis Machenschaften bestens kennengelernt hat, von Anfang an versucht, den Verwaltungsrat als Gegengewicht und Kontrollinstrument aufzuwerten. Mit der Ernennung der Anwältin Monica Bonomini und von Pietro Marangoni im Dezember 2016 glaubte man das geschafft zu haben.
Doch bereits bei der ersten Sitzung des Verwaltungsrates wurde klar, dass der Schlossherr an eine Richtungsänderung gar nicht denkt. Rizzolli legte den beiden Verwaltungsräten ein bereits beschlossenes Ausstellungsprogramm für Schloss Runkelstein bis 2019 vor. „Wir wurden damit vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt Marangoni.
Die Bücher
Dabei sind es die Ausstellungen auf Schloss Runkelstein und vor allem die Bücher dazu, die Pietro Marangoni bis heute zur Weißglut bringen. Marangoni hat mehrere Bücher geschrieben und Dutzende Kunstausstellungen organisiert. Er kennt sich in diesem Bereich aus.
Seit über einem Jahrzehnt organisiert Helmuth Rizzolli jährlich eine große Ausstellung auf Schloss Runkelstein. Dazu erscheint jedesmal im Athesia-Verlag ein Buch, das von Rizzolli herausgegeben wird. Allein in den vergangenen fünf Jahren kamen so in der eigenen Reihe „Runkelsteiner Schriften zur Kultur Geschichte“ sechs Bücher heraus. Allesamt dicke Wälzer, aufwändig und teuer produziert. Kaum zu verkaufen.
„Wenn die Ausstellung rund 100.000 Euro kostet“, sagt Pietro Marangoni, „dann fließen rund 40 Prozent dieser Kosten in diese Publikationen“. Zwischen 2013 und 2017 gingen - laut offizieller Aufstellung der Stiftung - dafür knapp 200.000 Euro in Richtung Athesia.
Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Engagement verschwimmen hier vollkommen. Denn Hellmuth Rizzoli nutzt seit Jahrzehnten öffentliche Geldmittel, um seine privates Renommee aufzublasen.
Pietro Marangoni hat lange versucht dagegen zu steuern. Und er hat rechtzeitig Alarm geschlagen. Im Frühjahr 2017 kam es zu einer Aussprache der Verwaltungsräte mit Bürgermeister Renzo Caramaschi und Vizebürgermeister Christoph Baur. Bewusst ohne Helmuth Rizzolli. Dabei wurden alle Probleme auf den Tisch gelegt.
Doch getan hat sich nichts. Nach verschiedenen Vorfällen hat die Gemeinde zwar eine interne Revision der Finanzen der Stiftung durchgeführt, doch das Grundproblem mit dem Statut und der absolutistischen Vorgangsweise von Schlossherrn Hellmuth Rizzolli geht man nicht an.
Vor allem der zuständige Stadtrat Christoph Baur hält weiterhin mehr als nur eine schützende Hand über seinen Vorgänger.
Das zeigt sich auch jetzt: Der Vizebürgermeister hat es bisher nicht für Wert befunden, die Bozner Gemeinderäte über den Rücktritt von Pietro Marangoni offiziell zu informieren.
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Und was steht heute im AA?
Und was steht heute im AA?
Vorschlag: die nächste
Vorschlag: die nächste Festschrift der “Stiftung Bozner Schlösser” : “die aktuelle Bedeutung und Nutzung der Verliese in den Schlössern Runkelstein und Maretsch” - Vorwort Stadrat Christoph Baur – Athesia-Verlag - begrenzte Auflage
Klingt unerträglich. Nur weil
Klingt unerträglich. Nur weil jemand jahrelang als Politiker scheinbar wertgeschätzte Arbeit geleistet hat, soll ihn das im Alter nicht Narrenfreiheit ermöglichen; erst recht nicht mit öffentlichen Geldern und Kulturgütern. Niemand ist geholfen, am Wenigsten ihm Selbst.