Environment | Weinanbau

Dem Wein Zeit lassen

Nichts hinzufügen und nichts entfernen, außerdem - warten können. Das ist das Credo des Winzers Urban Plattner vom Hof "In Der Eben".
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Foto: Bioland Südtirol

Er ist nicht ganz einfach zu finden, der Ebnerhof oberhalb Kardaun; eine schmale Brücke führt am Nordaustritt der Stadt Bozen über den Eisack und in etlichen Kehren den steilen Hang hinauf, wo sich in einer Hangsenke der stattliche Weinhof „In Der Eben“ präsentiert. So heißt der Hof nun wieder, unter dem alten Namen gab es die Hofstatt bereits im 14. Jahrhundert, erzählt der junge Weinbauer Urban Plattner.

Erst seit wenigen Jahren bewirtschaftet der 31-Jährige das Weingut mit seinen 3,5 Hektar, die zur Hälfte ums Haus liegen, der Rest ist nicht unweit zwischen den Laubmischflächen verteilt. Hier baut er Sauvignon und Gewürztraminer, Roten Malvasier, Merlot und Vernatsch an, wobei ihn vor allem die alten autochthonen Sorten Vernatsch und Malvasier interessieren.

Urban Plattner ist ein Verfechter der sogenannten Naturweine, Weine die ohne aufwändiges Vinifikationsverfahren und Kellertechnik, dafür mit sorgfältiger biodynamischer Boden- und Pflanzenpflege und dem langsamen Reifen im Fass bzw. in der Flasche einhergehen. „Nichts hinzugefügt – nichts entfernt“ ist einer der Slogans, mit denen Naturweine als aktueller Trend vermarktet werden. „Natürlich ist es ein Trend, und es gibt auch jene Kritiker, die mir bzw. uns jungen Winzern vorwerfen, hier einer Modeerscheinung zu folgen,“ weiß Urban Plattner, “doch bin ich selbst auf ganz eigenem Weg zu dieser Art, Wein zu machen, gekommen.“

Bereits vom Vater, Johannes Plattner, hat der Sohn die Grundausstattung für den biologischen Weinbau geerbt, gehört doch dieser zu den Begründern des Bioland Verbandes in Südtirol vor 25 Jahren. „Ich habe nie etwas anderes erfahren als den schonenden Umgang mit Boden und Pflanzen, aber natürlich hätte ich auch konventionell weitermachen können.“ Auf der Fachschule für Wein- und Obstbau Laimburg sowie der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg bei Heilbronn lernte der angehende Landwirt sämtliche Anbauformen kennen. „Mich hat seit jeher der Gedanke fasziniert, was passiert, wenn man den Wein möglichst in Ruhe lässt, von Anfang an. Ich habe keine fixe Idee, wie ein Wein schmecken soll und arbeite diesbezüglich auf kein Ziel und auch keine Schublade hin. Ich glaube, der Wein wird von alleine gut, wenn man einige Dinge beachtet.“

Natürlich arbeiten, mit biodynamischen Präparaten, Einsaaten und Kompost, im Keller mit spontaner Gärung sowie einer langen Lagerung in Holz 

Und mit diesen „Dingen“ steht und fällt seine Methode bzw. Herangehensweise. Dazu gehört, der Weinrebe die bestmöglichen Bedingungen zu verschaffen. Die Böden rund um den Hof In Der Eben bestehen aus Porphyr und Vulkanstein, es sind trockene Böden die viel Gerbstoff in den Pflanzen hervorbringen und den Wein hart und kantig machen. „Sicher sind unsere Trauben auch konzentrierter, mit mehr Schale im Verhältnis zum Saft, schon allein durch den biologischen Anbau. Doch mir gefällt diese Eigenschaft und ich versuche durch Hornkiesel, diesen Einschlag zu fördern.“ Hornkiesel besteht aus Bergkristall und wird in der Biodynamik als Lichtpräparat für die Pflanzen verwendet. Plattner dynamisiert das Pulver eine Stunde lang in lauwarmem Wasser und sprüht es dann feindüsig in einer hohen Wolke über die Reben. „Vor allem wenn das Licht fehlt, zwei bis dreimal vor der Blüte, aber auch währenddessen.“ Das macht er jetzt bereits im vierten Jahr, genauso verfährt er mit Hornmist (500), einem Präparat aus Kuhmist und Kuhhorn, das er großtropfig mit der Buckelspritze im Weinberg verteilt. „Es ist eine schöne Arbeit, wenn ich dabei langsam durch die Reben gehe und den Hornmist  wie das Weihwasser verteile,“ schmunzelt der junge Winzer.

Doch wie wirken die Präparate, gibt es relevante Unterschiede zu früher? Urban Plattner ist vorsichtig und pragmatisch im Abschätzen, für ihn gebe es diese Unterschiede schon, vor allem in der Bodenqualität. „Mein Eindruck ist, dass der Boden lockerer und schöner geworden ist, vor allem in der Tiefe lebendig, er hält auch das Wasser besser,“ sagt er und hält mir einen Erdbatzen vor die Nase, mit feinen hellen Haarwurzeln. Die wissenschaftlichen Studien zu den biodynamischen Präparaten gebe es seit 80 Jahren, diese seien hochsignifikant und bestätigten die vielen unterschiedlichen individuellen Erfahrungen der Weinbauern. Diese hat Urban Plattner vor allem in seiner Zeit als freier Mitarbeiter bei den „preparatori d’uva“ kennengelernt, wo er mit den Agronomen aus dem Friaul den sanften Rebschnitt praktizierte. Vor allem innovative biodynamische Winzer rufen die Rebschneider und Experten auf ihre Weingüter und so lernte Urban viele interessante Sichtweisen kennen.

Das beste Produkt, den genau dieser Weinjahrgang in genau jener Lage erreichen kann

In seinem Versuchsweinberg am Hang zwischen Bozen und dem Ritten, einem guten halben Hektar, verzichtet Urban Plattner auch auf Kupfer, seit 5 Jahren gibt er stattdessen Tonerde an die Reben. „Die grabe ich jetzt nicht mit der Schaufel selbst um, sondern es handelt sich ebenfalls um ein Präparat, gereinigt und mit Kräutern versetzt.“ So sei er auch über die regenreichen Jahre 2016 und 2014 gekommen, zwar habe die Peronospera auch ihn nicht verschont, doch ohne größere Schäden. Er kenne andere Winzer, die Milch versprühen, rohe frische Kuhmilch, zwischen 7 und 10 Liter pro Hektar, die Mineralien und mikrobiologische  Zusammensetzung täten ihre Wirkung. „Dass ich versuche, auf Kupfer zu verzichten, hat jedoch nichts damit zu tun, dass ich gegen dieses Spurenelement bin, im Gegenteil, jede Pflanze, jeder Mensch braucht es.“ Weil das Kupferspritzen immer wieder Angriffsfläche für den Bioanbau bietet, möchte er hier weitertüfteln.

Urban Plattner ist ein Nachdenker, einer der gerne seinen eigenen Weg geht, nicht weil er den Erfahrungen anderer nicht traut, sondern weil er es spannend findet, herauszufinden, wo er hinkommen kann mit seinem Wein, seinen Reben, seinem Boden. Und natürlich im Keller: Dort verwendet er zwar noch etwas Schwefel, doch ansonsten lässt er dem Wein vor allem Zeit. Sein Vernatsch ruht von 2 bis 5 Jahren im Holzfass, ohne Hefezusatz, ohne Säurekorrektur, ohne Filtration. „Die vielen üblichen Behandlungen zielen darauf ab, den Wein schnell trinkreif zu machen, ich hingegen kann warten.“ Wie reagieren seine Kunden darauf? Einige, so Plattner, hätten diesen  Schritt des Weinproduzierens nicht mitgemacht, er sei dabei sich seinen neuen Markt aufzubauen. Das sei in Südtirol schwierig, außerhalb der Region, wo die Weindogmen durchlässiger sind, einfacher.

Manche sagen, Urban Plattner sei ein Sturschädel, ein fundamentaler, das weiß er auch. „Aber viel lieber möchte ich etwas zeigen, ja, ich möchte mit meiner Arbeit auch anderen hilfreich sein, dass man eben als Biowinzer nicht nur dieses statt jenem Präparat anwendet, sondern grundsätzlich darauf schaut, die Gesundheit von Pflanzen und Boden zu verbessern, sodass weitere Mittel in der Verarbeitung nicht mehr notwendig sind.“ Und dass der Wein trotzdem gut schmeckt? „Das sowieso!“

Trend Naturwein in Südtirol
Vino naturale, vino nudo oder vino autentico sagt man im Italienischen zum Naturwein und auch in Italiens Weinregionen gibt es eine breite Auffassung davon, was darunter zu verstehen ist. Als Antwort auf eine industrielle Weinwelt wollen wohl alle Naturweinwinzer ihre Haltung verstanden wissen, nämlich, einen Wein herzustellen der mit minimalsten technologischen Interventionen, mit meist bio(dynamischen) Grundsätzen und auf der Basis eines ganzheitlichen Weltbildes zustandekommt. Die Südtiroler Gruppe Freistil – Urban Plattner, Thomas Niedermayr, Christian Kerschbaumer, Martin Gojer – sagt etwa: „Wein ist für uns ein handwerkliches, charakterstarkes und lebendiges Lebensmittel. Wein, der nicht nur physisches Material ergreift, sondern auch seelisches ergreifen kann.“
Eine eigene Naturwein-Szene gibt es in Südtirol nicht, dafür eine Reihe von Winzern, die große Erfahrung mit biologisch-organischem bzw. biodynamischem Anbau haben und ihren eigenen Weg beschreiten: Andreas Dichristin vom Tröpfltalhof in Kaltern, Dominic Würth, Heinrich Mayr vom Nusserhof in Bozen, Christoph Unterhofer vom Weingut Reyter, Othmar Sanin mit seiner Weinbau-Manufaktur und Patrick Uccelli vom Ansitz Dornach.