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Society | Lohnsklaverei

Von Blut-Orangen und Blut-Tomaten

Sein Arbeitgeber lässt den "illegalen" Ernte-Sklaven Satnam Singh nach einem Arbeitsunfall an einer Erntemaschine hilflos verbluten.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Jetzt frisch: vom Tisch.
Foto: https://ilfattoalimentare.it/caporalato-pomodoro.html
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    Am 17. Juni 2024 verblutet Satnam Singh in der Nähe von Latina  hilflos, nachdem ihm bei der Arbeit an einer Erntemaschine der rechte Arm abgetrennt wurde. Sein Arbeitgeber weigerte sich, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Er legte den Verletzten vor seiner Unterkunft ab und floh, um alle Spuren des Unfalls zu beseitigen. Satnam Singh verfügte über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung, also auch über keinen Arbeitsvertrag. Er war einer der ungezählten Lohnsklaven, die ohne jeden Schutz dem System des "caporalato" ausgeliefert sind, einem weithin stillschweigend akzeptierten Wesensmerkmal unserer Lebensmittelproduktion. Nur zu gern sind wir Routiniers des Verdrängens bereit, auch Schocknachrichten wie diese bald wieder in den grauen Brei des alltäglich Unverdauten einzurühren und unverändert weiterzumachen, vorübergehend ein wenig verdrossener als gewöhnlich vielleicht, aber unverändert weiterzumachen, was bliebe einem auch sonst zu tun? 

    Zu einem kleinen Fingerzeig zumindest will ich mich aufraffen. Am 19. Juni habe ich das untenstehende Mail an ASPIAG-DESPAR-Südtirol geschickt. Diesen Adressaten habe ich gewählt, weil ich tatsächlich oft Kunde von SPAR-Geschäften bin und weil große Player wie eben SPAR durch den von ihnen ausgeübten Preisdruck maßgebliche Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in der Produktion haben und folglich auch aktiv zu dieser Verantwortung stehen sollen.
    Meine Gefühle beim Kauf von Tomaten sind mittlerweile nicht mehr "sehr gemischt", wie noch im Mail formuliert. Ich werde diesen Kauf aussetzen, bis ich eine aussagekräftige und zufriedenstellende Antwort von SPAR erhalten habe. Vielleicht möchte sich der eine oder die andere SALTOist*in ja auch zu einem ähnlichen Schritt entschließen und wir könnten uns irgendwann als quantité pas plus négligeable  bemerkbar machen... 

    Guten Tag, die Tragödie um Satnam Singh, den Ernte-Arbeiter, den sein Arbeitgeber nach einem Arbeitsunfall ohne jede Hilfsmaßnahme verbluten hat lassen, steht emblematisch für unerträgliche Zustände im Bereich der Lebensmittelproduktion und -ernte, im Vertrieb und im Handel. Sie sind ein mächtiger Player in diesem Sektor, ich bin Ihr Kunde und kaufe (außer in den wenigen Monaten der Selbstversorgung) auch - und zwar stets mit sehr gemischten Gefühlen - Tomaten bei Ihnen.
    Werden Sie Ihrer Verantwortung und Einflussmöglichkeit für vertretbare Arbeitsbedingungen in Produktion - Ernte - Vertrieb und Handel gerecht, die Sie durch Ihre machtvolle Position zu übernehmen haben?
    Können Sie das zum jetzigen Zeitpunkt verbindlich zusichern bzw. welche konkreten Schritte planen Sie, um diese Zusicherung innerhalb akzeptabler Fristen verbindlich geben zu können?
    Vielen Dank für Ihre Antwort und freundlichen Gruß Thomas Strobl