Politics | Benko

Was nun, Frau Pasquali?

Die Gemeindepolitik hat sie vor zwei Monaten verlassen. Umso deutlicher sagt Chiara Pasquali in den Sozialen Medien, was sie denkt. Eine Bilanz.

Frau Pasquali, ihr Rücktritt liegt bereits zwei Monate zurück. Doch wenn man ihre Facebook-Seite verfolgt, hat man den Eindruck, Sie mischen noch voll mit bei der Gemeindepolitik.
Maria Chiara Pasquali: Mir liegt meine Stadt eben am Herzen. Und ich denke auch ohne institutionelle Funktion kann ich sagen, was ich mir denke. Vor allem weil ich in erster Reihe dabei war und mich stört, wenn Unwahrheiten verbreitet werden. 

Nach all den Diskussionen, Kompromissen und vor allem der Arbeit, die in den Wiedergewinnungsplan für das Busbahnhofsareal gesteckt wurde, bleibt davon im Moment ein großer Scherbenhaufen. Verbittert Sie das?
Verbittern...sagen wir, es tut mir leid. Wir haben in Bozen  Pionierarbeit geleistet, indem wir dieses Gesetz mit all seinen Schwachpunkten erstmals umgesetzt haben. Und auch wenn der Weg nicht einfach war, bin ich nach wie vor überzeugt, dass das Ergebnis gelungen ist. Vor allem, weil wir mit dem Wiedergewinnungsplan das Tor zum Bahnhofsareal geöffnet haben.

Die Projektgegner haben immer das Gegenteil behauptet: Benko würde die Erschließung des Bahnhofsareals verhindern oder zumindest beeinträchtigen.
Das Gegenteil ist oder war der Fall. Denn nach dem, was nun passiert ist, sind die Chancen künftige Investoren für das Bahnhofsareal zu finden, tatsächlich gesunken. Doch wir haben das Busbahnhofsareal so konzipiert, als wäre es das erste Baulos des Bahnhofsareals. Auch indem wir einen Teil des Einkaufszentrums dort vorgesehen haben. Damit sollte gewissermaßen ein Startschuss für das weit wichtigere und größere Projekt gegeben werden, das ohnehin nur in mehreren Schritten zu realisieren ist. Aber das ist nie wirklich angekommen in der Öffentlichkeit. Genauso wenig wie die Tatsache, dass wir die Gestaltung des Areals nicht allein den Projektwerbern überlassen haben. Wir haben mit diesem Plan konkrete Weichen für die Weiterentwicklung der Stadt gestellt. Auch unter der Einbeziehung der Sozialpartner...

Aber unter zu geringer Einbeziehung des Gemeinderats...
Ja, die mangelnde Einbeziehung des Gemeinderats ist sicher einer der Schwachpunkte des Gesetzes. Wenn hier von Beginn an ein partizipativer Prozess möglich gewesen wäre, hätte die Sache anders ausgesehen. Dennoch hat es Partizipation gegeben. Wir haben zahlreiche Punkte der Sozialpartner berücksichtigt, die Handelsfläche wurde schließlich auch noch an die Vorstellungen angepasst, die gekommen sind.

Dennoch war eine sachliche öffentliche Diskussion des Projekts von Beginn an schwierig. Statt dessen dominierten von Beginn an Lagerdenken, Polemiken, teils auch Fehlinformationen.... Wer trägt die Schuld an dieser Dynamik?
Die Dynamik ist sicherlich stark von den privaten Unternehmern bestimmt worden. Sowohl vom Projektwerber selbst, der eine starke Kampagne für seine Interessen gefahren hat und damit das Geschehen beeinflusst und verzerrt hat. Und es gab die Konkurrenten und andere Gegner des Projekts, die dagegen geschossen haben. Dazu gesellten sich dann auch noch die Grillini und ein Teil der Ökosozialen, mit vielfach unwahren Behauptungen von einer entfesselten Zubetonierung, dem Verlust des Bahnhofsparks und so weiter.

Die Figur eines internationalen Investors mit undurchsichtigem Firmengeflecht und gerichtlicher Verurteilung hat der Sache wohl auch nicht geholfen?
Natürlich nicht. Dennoch frage ich mich, warum Benko dann überall arbeiten kann, nur in Bozen nicht. Also, wenn es tatsächlich ein Problem in der Hinsicht gibt, hätte er natürlich ausgeschlossen werden müssen. Doch mir lag nichts dergleichen vor.

Was hat Ihre Partei falsch gemacht?
Meine Partei ist eigentlich immer hinter dem Projekt gestanden. Genauso wie hinter dem umstrittenen Artikel 55 quinquies. Als der damals im Landtag diskutiert wurde, habe ich selbst einige Verbesserungsvorschläge eingebracht. Und es ist zu sagen, dass bei weitem nicht alle vom PD übernommen wurden. Doch auch auf dem gesamten Weg hin zur programmatischen Vereinbarung gab es von Seiten meiner Parteikollegen immer Zustimmung. Umso überraschender waren dann die Nein bei der Abstimmung.

Die Gemeinderäte hatten schließlich Stimmfreiheit...
Ja, doch wenn die Zweifel am Projekt tatsächlich so groß waren, hätte man sie besser schon bei der Abstimmung im Stadtrat vorgebracht, wo schließlich auch die Grünen und Rifondazione mit Nein gestimmt haben. Dann hätte man der Dienststellenkonferenz mehr als ein Jahr Arbeit erspart.

Ohne eine konkrete Regierungszusicherung der Grünen, war das Nein von Baratta, Randi und den anderen nur eine Pistole, die auf den Bürgermeister gerichtet wird, haben Sie in einem Interview gesagt. Hat Luigi Spagnolli selbst nicht auch zu diesem Fiasko beigetragen?
Für Spagnolli war diese ganze Geschichte von Beginn an eine Herkulesaufgabe. Was ich mir von ihm trotz aller Schwierigkeiten gewünscht hätte, wäre vor allem mehr Mut am Ende der letzten Legislatur gewesen. Damals hatten wir alles fertig, um in den Gemeinderat zu gehen. Und doch hat man dann alles aufgeschoben, vor allem auf Druck der SVP.

Warum?
Dort war man bekanntlich intern gespalten und wollte sich nicht den Gemeindewahlkampf verderben. Für mich trägt die Volkspartei mit ihrer Entscheidungsschwäche in dieser Frage eine sehr starke Verantwortung für das, was nun passiert ist. Doch dort hatten eben jene Kaufleute einen großen Einfluss, die fürchten, dass ein Einkaufszentrum zur Senkung der Mieten in der Stadt beiträgt. Da vermieten sie lieber an internationale Ketten statt das zu riskieren.

Bereits am Donnerstag sollte der Verwaltungsrat der Erlebnishaus Gmbh seine nächsten Schritte in Sachen Busbahnhofsareal beschließen, auch vom Kaufleuteverband kommt der Aufruf an die lokale Unternehmerschaft, aktiv zu werden. Wie wahrscheinlich ist es, dass das Areal am Ende doch von lokalen Unternehmern aufgewertet wird?
Für mich wäre es der unglaublichste Ausgang der Geschichte, wenn am Ende schließlich jenes Projekt zum Zug kommt, das in der Dienststellenkonferenz am Beginn durchgefallen ist. Also, wenn es Regeln gibt, muss man sich auch daran halten. Und sonst muss das ganze Prozedere wieder von vorne beginnen, mit neuem Gesetz, neuen Kriterien....Doch das allein dauert fünf Jahre, also dann würde gar nichts mehr passieren.

Und wie wahrscheinlich ist es, dass das Benko-Projekt noch einmal dem Gemeinderat vorgelegt wird?
Ich bin keine juristische Expertin. Das prüfen derzeit berufenere Menschen in der Gemeinde. Aber das Problem ist sicher, dass der Artikel kein negatives Votum am Ende der ganzen Prozedur vorgesehen hat (lacht). Wobei wir ja noch nicht einmal am Ende sind: Denn auf die Abstimmung im Gemeinderat folgt ohnehin eine öffentliche Ausschreibung. Daran könnte auch die Erlebnishaus GmbH oder jeder andere teilnehmen und einfach mehr bieten als Benko.

Sollte es zu Neuwahlen in Bozen kommen, wird Chiara Pasquali wieder mit von der Partie sein?
Ich hoffe wirklich sehr, dass es keine Neuwahlen gibt, sondern dass man eine Lösung findet. Und zwar eine, bei der nicht alles in Frage gestellt wird, was bisher erarbeitet wurde. Denn das wäre eine enorme Verschwendung für die Stadt und ein absolut kontraproduktives Signal für künftige Investoren, die wir dringend für das Bahnhofsareal brauchen.

Und was macht die ehemalige Stadträtin statt dessen?
Ich mache das, was ich schon immer gemacht habe: Ich arbeite als Architektin mit meinem Mann in unserem Studio.