“Wir müssen besser sein”
Ob es nun ein Mitglied der Opposition oder seiner eigenen Regierungsmehrheit war, ist Paul Rösch egal. Der Meraner Bürgermeister hat die jüngste Gemeinderatssitzung zum Anlass genommen, um allen Gemeinderäten ins Gewissen zu reden. Nach den verbalen Entgleisungen auf Facebook, die in der vergangenen Wochen für heftige Kritik an Sergio Armanini (Lega) und Loris Duso (Alleanza per Merano) gesorgt haben – Duso teilte auf Facebook einen Post, der den PD als “Verräter unserer Heimat” darstellte, was beim Koalitionspartner PD große Verärgerung hervorgerufen hat –, rief Rösch vor Beginn der Sitzung am gestrigen Mittwoch Abend eindringlich dazu auf, “die grundlegenden Regeln des Respekts und der Mitmenschlichkeit immer im Blick zu behalten”.
Röschs Appell im Wortlaut:
“Liebe Mitglieder des Gemeinderats,
bevor wir uns den Themen widmen, die heute auf der Tagesordnung stehen, möchte ich die Gelegenheit nutzen und zwei verbale Entgleisungen thematisieren, von denen ich in den letzten Tagen erfahren habe.
Eines vorneweg: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Mitglieder des Gemeinderats eine Vorbildfunktion haben. Das gilt insbesondere für die Art und Weise, wie die politische Auseinandersetzung geführt wird: ob dies in einem Klima des wechselseitigen Respekts geschieht und mit sachlichen Argumenten, oder ob Angriffe unter die Gürtellinie gehen und das Gegenüber nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird.
In den vergangenen Tagen haben zwei Mitglieder dieses Gremiums sich für die zweite Möglichkeit entschieden – und ich möchte dieser Tendenz entschieden entgegen treten. Es geht mir dabei um zwei Postings der Kollegen Sergio Armanini und Loris Duso auf ihren jeweiligen Facebook-Accounts. Ich nenne diese beiden Namen auch deshalb, um zu zeigen, dass es mir hier nicht darum geht, eine politische Position anzugreifen – schließlich gehört einer der beiden der Opposition und einer der politischen Mehrheit an. Es geht mir um den Stil und die Art und Weise, wie diese politische Position vertreten wird.
Wir müssen als Vorbilder agieren, wenn wir nicht wollen, dass die politische Auseinandersetzung vollends entgleist.
Ich möchte eine Lanze brechen für die politische Kultur, die wir meines Erachtens nach in den vergangenen Jahren hier in diesem Saal Schritt für Schritt entwickelt haben. Die manchmal durchaus energische, aber stets konstruktive und sachliche Auseinandersetzung zu verschiedensten Themen: So sollte Politik funktionieren. Ich bin beileibe nicht immer mit allen von euch einer Meinung – und manchen von euch wird es umgekehrt genauso ergehen. Doch dass wir uns sachlich darüber unterhalten können, dass wir gegenteilige Meinungen wenn nicht übernehmen, dann doch zumindest akzeptieren und verstehen können, ist eine wunderbare Errungenschaft unserer Zivilisation und der liberalen Demokratie.
Es gibt genügend Leute da draußen und vor allem in den sogenannten „sozialen Medien“, die diese Errungenschaft mit Füßen treten und die sich nicht an die grundlegenden Regeln des Respekts und der Mitmenschlichkeit halten; die glauben, ihre Widersacher entmenschlichen, beleidigen und entwürdigen zu müssen, um ihre Meinung durchzusetzen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen; dem müssen wir uns stellen.
Aber euch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sage ich: Wir müssen besser sein. Wir müssen als Vorbilder agieren, wenn wir nicht wollen, dass die politische Auseinandersetzung vollends entgleist, wie wir es auf dem nationalen und internationalen Parkett leider schon teilweise feststellen müssen.
Es geht mir um den Stil und die Art und Weise, wie diese politische Position vertreten wird.
Versteht diesen kurzen Exkurs als Bitte und als Aufforderung, gerade auch in den kommenden Monaten (Rösch bezieht sich auf den Wahlkampf für die im Frühjahr 2020 anstehenden Gemeinderatswahlen, Anm.d.Red.) die grundlegenden Regeln des Respekts und der Mitmenschlichkeit immer im Blick zu behalten. Wir alle sind Menschen und wir alle sollten unsere Mitmenschen und uns selbst auch so behandeln und uns nicht auf ein entwürdigendes Spektakel einlassen, das am Ende unserer politischen Kultur und uns selbst einen irreversiblen Schaden zufügt.”