Meranerin spricht vor UNO in New York
Die Meraner Verfassungsrechtlerin Eva Pföstl unterstützt auch in diesem Jahr mit einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (4th Comittee) in New York die Bemühungen der Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs Kim Bolduc für eine friedliche, tragfähige und einvernehmliche politische Lösung der Westsahara-Frage. Beim Westsahara-Konflikt handelt es sich um eine in erster Linie politische Problematik, mit der bereits der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befasst ist.
Eva Pföstl
Der West-Sahara-Konflikt ist ein Konflikt zwischen Marokko und der Unabhängigkeitsbewegung Polisario um das Territorium der Westsahara. Ein rund 266.000 Quadratkilometer grosses Territorium an der Atlantikküste Nordwestafrikas. Marokko betrachtet Westsahara als Teil seines Staatsgebietes, während die Polisario die Unabhängigkeit des gesamten Territoriums der Westsahara anstrebt. Seit dem Waffenstillstand von 1991 kontrolliert Polisario einen Streifen im Osten und Süden der Westsahara von der Grenze zu Algerien bis zur Atlantikküste. Nach jahrzehntelangen Streitigkeiten um Durchführung eines Referendums zur Klärung des völkerrechtlichen Status der Region, hat die UNO in den letzten Jahren auf einer politischen Lösung beharrt.
Am 11. April 2007 hat Marokko eine breite Autonomie im Rahmen des marokkanischen Königreiches vorgeschlagen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in Resolution 1754 vom 27. April 2007 Marokkos „ernste und glaubwürdige Bemühungen“ begrüßt. Der Autonomievorschlag wurde bisher von Polisario jedoch strikt abgelehnt.
Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist somit umstritten und eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Zudem weichen die internationalen Interessen stark voneinander ab. Frankreich betrachtet sich als traditioneller Fürsprecher Marokkos, spricht sich für eine Autonomieregelung unter marokkanischer Souveränität aus und unterstützt den 2007 in Manhasset in Gang gesetzten Verhandlungsprozess zwischen den Konfliktparteien. Spanien agiert als ehemalige Kolonialmacht vorsichtig, verweist aber auf die Resolutionen der Vereinten Nationen. Das US-Außenministerium und die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini erklärten eine Unabhängigkeit der Westsahara für unrealistisch und sprachen sich für eine Autonomieregelung aus.
In der jüngsten Resolution des Sicherheitsrates 2218 (2015) vom 28. April 2015 zu Westsahara werden erneut anerkennend die “ernsthaften Bemühungen” der marokkanischen Regierung hervorgehoben, welche mit dem Autonomievorschlag eine politische Lösung des regionalen Konflikts erzielen möchte. Ausserdem wiederholt der Sicherheitsrat “seinen Aufruf zu Verhandlungen auf der Grundlage des Realismus und der Kompromissbereitschaft”. Ferner werden die Parteien aufgefordert, „weiter den politischen Willen zu zeigen und in einer dem Dialog förderlichen Atmosphäre zu arbeiten, um in eine intensivere und stärker sachbezogene Verhandlungsphase einzutreten“.
Die Resolution des Sicherheitsrates, die auch die regionale Dimension des Konflikts erwähnt, fordert die Nachbarländer dazu auf, darunter Algerien, “stärker mit den Vereinten Nationen zu kooperieren” und ”entschlossener engagiert zu sein, um den derzeitigen Stillstand zu überwinden und um Fortschritte zu erzielen, auf dem Weg zu einer politischen Lösung.”
Eva Pföstl, die im letzten Jahr in New York die Vorteile einer Autonomielösung für Westsahara am Beispiel Südtirols aufgezeigt hatte, analysiert in ihrer diesjährigen Rede, die Rolle Algeriens im WestSahara Konflikt. Algerien betrachtet den Westsahara-Konflikt als Dekolonisierungsproblem. Seit 1975 unterstützt Algier finanziell und militärlogistisch die Polisario-Front und gestattet dieser eine Quasi-Autonomie im Gebiet der Flüchtlingslager nahe der südwest-algerischen Oase Tindouf. Aus den von der Polisario verwalteten Lagern um Tindouf werden Verletzungen von Grund- und Freiheitsrechten (u. a. Demonstrations- und Versammlungsfreiheit) berichtet und die humanitären Bedingungen sind seit mehr als drei Jahrzehnten äußerst schlecht. Die Flüchtlinge sind vollständig von Hilfsgeldern abhängig. Die algerischen Behörden werden bei Menschenrechtsfragen in den Flüchtlingslagern nicht tätig. In den Flüchtlingslagern gibt es keinen Ombudsmann für Menschenrechte. Die Situation ist, neben der vollständigen Abhängigkeit von externer Unterstützung, durch die langjährige Dauer des Konflikts sowie durch eine vor Ort empfundene Perspektivlosigkeit geprägt. Ein durch den UNHCR angeregter Zensus in diesen Flüchtlingslagern, welcher dazu beitragen würde, die internationale Hilfe effizienter und zielgerichteter zu gestalten, konnte bislang nicht durchgeführt werden. Der UNCHR geht von einer Zahl von ungefähr 90 000 Flüchtlingen aus.
Eva Pföstl unterstreicht in ihrer Rede, dass Algeriens Unterstützung für Polisario ohne Zweifel durch das Ziel der algerischen Führung, im Maghreb eine dominierende Rolle einzunehmen motiviert ist.
Eine dauerhafte nachhaltige politische Lösung der Westsahara-Frage ist unabdingbar. Dabei stehen tatsächliche Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte für die betroffene Bevölkerung im Mittelpunkt. Ausserdem stellt die ungelöste Situation in der Westsahara ein Hemmschuh für die Entwicklung der gesamten Region dar.