Der Milliardenjäger
Lange hat sich Carlo Cottarelli dem Liebeswerben aus Rom widersetzt. Schließlich hat er dem Drängen von Premier Enrico Letta und Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni nachgegeben und seinen prestigeträchtigen Posten als Generaldirektor der Steuerabteilung beim Weltwährungsfonds in Washington aufgegeben.
Der aus Cremona stammende Ökonom übernimmt einen weniger zukunftsträchtigen Job: als Commissario per la spending review soll er die undurchsichtigen Mäander des Staatshaushalts durchforsten und mindestens 10 Milliarden aufspüren, die eingespart werden sollen. Cottarelli ist an ungemütliche Jobs gewöhnt. Er hat Unterstützungsprogramme für Großbritannien, Rußland, Kroatien und die Türkei betreut. Der an der London School of Economics promovierte Finanzexperte erhält ein Jahresgehalt von 300.000 Euro, für sein Team steht kein Geld zur Verfügung. Das muss er sich in den Ministerien zusammensuchen. Einige Universitätsprofessoren wollen ihn kostenlos beraten. Bereits nächste Woche will der 59-jährige im Parlament sein Arbeitsprogramm vorstellen. Mit konkreten Ergebnissen ist nicht vor April zu rechnen.
Cottarelli will besonders im Verteidigungshaushalt fündig werden, in den Ausgaben der Regionen für öffentliche Sicherheit, bei den staatlichen Fördergeldern und bei den Steuererleichterungen. Doch die wahren Probleme werden dann auftreten, wenn der Milliardenjäger das Ergebnis seiner Arbeit vorlegt. Dann werden in einem altbewährten Ritual all jene auf die Barrikaden steigen, die von den Einsparungen betroffen sind. Und es wird sich dasselbe Theater wiederholen wie bei der geplanten Abschaffung der Provinzen und bei der Schließung der kleinen Gerichte und Krankenhäuser. Und erst dann wird man sehen, ob die instabile Regierung Letta die Kraft aufbringt, den auf 800 Milliarden aufgequollenen Staatshaushalt zu reduzieren, der in 16 Jahren um stattliche 70 Prozent angewachsen ist. Wichtigste Voraussetzung: die Regierung muss im April noch im Amt sein.