Politics | Energie

Südtiroler Gleichstrom

SEL und Etschwerke sollen in einem gemeinsamen Unternehmen zusammengelegt werden. Die Details der Operation.

Die Due Diligence und die strategischen Papiere des Advisors McKinsey werden gehütet wie eine Staatsgeheimnis. In den über 100 Seiten dicken Analysen steckt die Seele der gesamten Operation. Aber allein die Zusammenfassung, die derzeit den Gemeindeverwaltern von Bozen und Meran vorgetragen, wird kann sich sehen lassen.
Seit dem Frühsommer verhandeln die SEL AG und die Etschwerke AG über die Bildung eines gemeinsamen Energiebetriebes. Was immer wieder als Fusion dargestellt wird, ist in Wirklichkeit die Zusammenlegung der beiden operativen Arme der beiden Energiebetreiber in eine neue Gesellschaft. Die Newco soll die Betriebe und die Kraftwerke der beiden Unternehmen in Zukunft führen. 

Die Beteiligungen

Die große Unbekannte war bisher das Beteiligungsverhältnis. Nach einer genauen Bewertung der beiden Unternehmen hat man sich hier jetzt auf die Anteile geeinigt. Die beiden Etschwerke-Gesellschafter Bozen und Meran sollen mit 41,5 Prozent an dem neuen Unternehmen beteiligt sein. Das Land bzw. die SEL AG werden 55 Prozent halten und die Finanzierungsgesellschaft der Gemeinden Selfin Gmbh soll indirekt 3,5 Prozent halten.
Unsere Beteiligung ist umgerechnet sogar 42,5 Prozent“, frohlockt ein Bozner Gemeindeverwalter, „denn Bozen und Meran bekommen noch zusätzlich Geld“. Gemeint ist damit ein Passus, der die einmalige Ausschüttung von 16 Millionen Euro für die Gemeindekassen in Bozen und Meran vorsieht. Diese Geld soll noch heuer fließen und damit gerade rechtzeitig für die klammen Gemeindehaushalte kommen, die im Dezember genehmigt werden müssen. Eine Geldspritze, die vor allem den Bürgermeistern und den Regierungsparteien wenige Monate vor den Gemeinderatswahlen wie gerufen kommt.

Die Kennzahlen

Die neue Gesellschaft wäre mehr als nur ein Südtiroler Stromkoloss. Mit rund 1.000 Mitarbeitern, einem prognostizierten jährlichen EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abwertungen und Abschreibungen) von rund 250 Millionen Euro und einem Jahresgewinn nach Steuern von rund 100 Millionen Euro spielt man damit in den Top Ten der italienischen Energiebetriebe mit. Im Bereich erneuerbare Energien wäre der Südtiroler Energieproduzent und -versorger italienweit sogar unter den ersten drei.
Die Analysten von McKinsey haben errechnet, dass allein durch Synergieeffekte jährlich Einsparungen um die 20 Millionen Euro erzielt werden können. Zudem geht man von einer deutlichen Umsatzsteigerung aus, die höher ist als nur die Summe der derzeitigen Umsätze beider Unternehmen. Die Erklärung dafür liegt in der dominierenden Position, die der Betrieb auf dem Südtiroler Markt dann einnimmt.

Die Governance

Auch in der Governance der neuen Gesellschaft will man einen neuen Weg bestreiten. Die Anzahl der Verwalter soll dabei deutlich verringert werden. Geplant ist, dass der Energiebetrieb nach dem deutschen dualistischen Modell geführt werden soll. Das heißt es gibt einen kleinen Vorstand, der aus Managern und Technikern besteht und der das Unternehmen operativ führt. Darüber gibt es einen vierköpfigen Aufsichtsrat, der die strategischen Entscheidungen fällt. Diese Gremien sollen paritätisch besetzt werden. Das heißt, dass der Einfluss der beiden Städte Bozen und Meran weit größer als ihre Anteile ist.

Die Diskussion

Die Landespolitik allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher und Energielandesrat Richard Theiner stehen voll hinter der Operation Energiebetrieb. Mit einem Gesetzspassus im Omnibusgesetz vorvergangene Woche wurden nicht nur die Weichen für die Zusammenlegung von SEL und Etschwerken gestellt, sondern auch die Lösung des gordischen Knotens Konzessionen versucht. Mit der Zusammenlegung sollen die erschwindelten SE Hydropower-Konzessionen saniert und die Streitigkeiten beigelegt werden. Der Verwaltungsrat der SEL AG hat für die Zusammenlegung bereits grünes Licht gegeben.
In der Etschwerke-Führung zögert man noch. Auch dort hat der Verwaltungsrat positiv auf den vorgeschlagenen Plan reagiert. Doch man hatte letztlich nicht den Mut, die Zusammenlegung abzusegnen. So haben Etschwerke-Präsident Mauro Marchi & Co die heiße Kartoffel an die beiden Gemeinden weitergereicht.
Ende November, Anfang Dezember sollen jetzt die Gemeinderäte entscheiden. Obwohl die Stimmung auch in Bozen und Meran für die Zusammenlegung mehrheitlich positiv ist, versucht man derzeit in den Gemeindestuben noch einmal hoch zu pokern, „Wir wollen eine klare Zusicherung, dass es mindestens zu jener jährlichen Dividendenausschüttung kommt, die wir mit den Etschwerken haben“, sagt ein Bozner Gemeindeverwalter.
Andere sehe das ganze weitaus realistischer. Etwas Bozens Bürgermeister Luigi Spagnolli. „Was passiert mit den Etschwerken wenn wir 2024 das letzte Kraftwerk verlieren?“, fragt sich der Bozner PD-Politiker.
Eine gute Frage.

Der Zeitplan

Die politischen Entscheidungen sollen noch in diesem Jahr fallen. Sowohl die Landesregierung wie auch die Gemeinderäte von Bozen und Meran werden sich in den nächsten Wochen mit dem neuen Energiebetrieb zu befassen haben. Fallen die Entscheidungen positiv aus, soll die neue Gesellschaft im Frühjahr 2015 an den Start gehen.