Economy | Energie

Versickerte Millionen

Die Alperia hat eine Beteiligung in Bulgarien. Ein Miteigentümer behauptet, dass 40 Millionen Euro über Scheinfirmen in private Taschen geflossen seien. Die Hintergründe.
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Foto: PVB Bulgaria
Zhelyu Ganchev ist sich seiner Sache sicher. „Ich werde alle Dokumente vorlegen und auf alle ihre Fragen antworten“, sagt der 54jährige bulgarische Unternehmer aus Sofia. Am 25. Oktober 2019 wurde Ganchev auf der Carabinierstation Macao in der Via Mentana 6 in Rom vorstellig um eine Strafanzeige zu erstatten. Insgesamt 5 Seiten umfasst die Anzeige, voll gespickt mit Namen von Personen, Unternehmen, Daten und Rechnungsnummern. 
In der Anzeige wird ein Geflecht aus Firmen in Bulgarien, in Italien, in der Schweiz und in Luxemburg dargestellt über die in den vergangenen zehn Jahren rund 40 Millionen Euro in private Taschen geflossen sein sollen. Ganchev nennt dabei auch Ross und Reiter. Es geht um bulgarische Manager mit Beziehungen zum Trentino und um Trentiner Geschäftsleute, die sich seit 15 Jahren in mehreren Kraftwerksprojekten in Bulgarien engagieren. „Ich verlange ausdrücklich eine strafrechtliche Verurteilung der Verantwortlichen der Straftaten, die ich in dieser Eingabe nachzeichne“, heißt es in der Anzeige.
Zhelyu Ganchev ist diese Woche in Südtirol. Am Donnerstag will er auf einer Pressekonferenz im Bozner Hotel Laurin die Beweise für seine schweren Anschuldigungen der Öffentlichkeit präsentieren.
Dass er das ausgerechnet in Bozen tut, liegt an einem Unternehmenssitz, der keine dreihundert Meter Luftlinie vom Hotel Laurin entfernt ist: Die Alperia AG.
Südtirols öffentlicher Energiekoloss ist nämlich mit knapp einem Viertel des Aktienpaketes Gesellschafter jenes bulgarischen Unternehmens, dem die Millionen entzogen worden sein sollen. Stimmen Ganchevs Vorwürfe, dann ist die Alperia in diesem Wirtschaftskrimi eines der Opfer. „Wir kennen die Anschuldigungen nicht im Detail, wir werden aber das Ganze prüfen“, heißt es aus dem Alperia-Sitz in Zwölfmalgreien.
Dabei ist die Geschichte für die amtierende Alperia-Führung im wahrsten Sinne des Wortes eine Altlast.
 

Abenteuer Bulgarien

 
Das bulgarische Abenteuer beginnt für Südtirols Energiebetriebe lange vor der Geburt der Alperia AG im Trentino. Im Zentrum steht das Familienunternehmen „Petrolvilla“ aus Lagarina. 1980 als Unternehmen für den Verkauf von Energieprodukten gegründet, entwickelt sich die Firma innerhalb von 25 Jahren zu einer international tätigen Gruppe, die in Italien, in Kroatien, in Rumänien und in Bulgarien vielfältig in der Energieproduktion aktiv ist. Die Petrolvilla – später zur „PVB Group SPA“ umbenannt – hat über ein Dutzend Tochterunternehmen, die in den einzelnen Ländern Solaranlagen, Windparks und Wasserkraftwerke errichten.  Allein im Trentino besitzt und baut die PVB Gruppe schon bald fünf mittlere Kraftwerke. 
Um die Jahrtausendwende will die PVB vor allem in Bulgarien groß in die Wasserkraft einsteigen. Das Unternehmen hat dabei von Anfang an nicht nur beste Kontakte zur dortigen Lokalpolitik, sondern auch breite politische Unterstützung im Trentino und in Südtirol. Vor allem im PD.
 
 
2003 schließt die Provinz Trient mit der Gemeinde und der Region Sofia ein Abkommen für eine wirtschaftliche, technologische und kulturelle Zusammenarbeit. Eines der Hauptprojekte dabei soll die „PVB Power Bulgaria SPA“ verwirklichen. Den Bau und die Führung von neun Wasserkraftwerken auf dem Iskar einem Donauzufluß rund eine Autostunde von der bulgarischen Hauptstadt entfernt. Es geht um ein Investitionsvolumen von über 250 Millionen Euro.
Angelegt ist das Projekt dabei als eine Art Privat Public Partnership. So steigen 2003 auch zwei öffentliche Energiebetriebe in die PVB Power Bulgaria ein. Die Trentiner Landesenergiegesellschaft „Dolomiti Energia“ und der Energiebetrieb der beiden Städte Bozen und Meran: Die Etschwerke AG.
Beide Unternehmen übernehmen anfänglich jeweils 25 Prozent an der PVB Power Bulgaria. Heute halten sie noch jeweils 23,13 Prozent an dem Unternehmen. Hauptaktionär ist von Anfang die „PVB Fuels SPA“ (42,08%) der Familie Bortolotti. Weitere 11,66 Prozent hält die Trentiner „Finest SPA“, die ebenfalls zum Unternehmensnetz der Familie Bortolotti gehört.
 

Die Manager

 
Die PVB Power Bulgaria baut am Iskar 5 Wasserkraftwerke. Die Kraftwerke werden von zwei Tochterunternehmen der PVB Power Bulgaria gebaut und geführt: der „VEZ Maritza“ und der „VEZ Svoghe“.
Zur Einweihung des Kraftwerks Tserovo im Juni 2012 reist der damalige Trentiner Landeshauptmann Lorenzo Dellai nach Bulgarien, wo er zusammen mit dem italienischen Botschafter und bulgarischen Regierungs- und Lokalpolitikern das Engagement der PVB Power als vorbildliches Projekt lobt.
Von Beginn an sind dabei zwei Männer führend in das Projekt involviert. Es sind jene zwei Personen, die jetzt auch eine Hauptrolle bei den schwerwiegenden Anschuldigungen spielen, die Zhelyu Ganchev erhebt. Es gilt für beiden die Unschuldsvermutung.
Der gebürtige Bulgare Plamen Dilkov studierte Anfang der 1990er Jahre an der Universität Trient Ingenieurswissenschaften. Der perfekt italienischsprachige Ingenieur wird zuerst Studienassistent und engagiert sich auch in der Trentiner Ingenieurskammer. 2007 kommt er als Geschäftführer in die PVB Group. Es ist der Zeitpunkt an dem das bulgarische Abenteuer für die PVB beginnt. Dilkow ist der Mann, der das gesamte Projekt leitet. Er ist von 2010 bis 2019 CEO der PVB Power Bulgaria und auch Geschäftsführer der beiden Tochterunternehmen VEZ Maritza und der VEZ Svoghe.  Dilkow, der beste Kontakte zu Russland hat, ist zudem seit 2012 auch einer der Vizepräsidenten der „Confindustria Bulgaria“ mit Beziehungen in die höchste Politik.
 
 
Der zweite Mann ist der Trentiner Berater Patrick Pauletto. Pauletto, der in Münster studiert hat, ist in verschiedenen Rollen für das Bulgarienprojekt tätig. Zum einen als Berater mit eigenen Unternehmen, zum anderen als Manager in der PVB Power Bulgaria oder als Verwaltungsdirektor der VEZ Svoghe. Auch Pauletto hat direkte Kontakte zur bulgarischen Politik. Er ist der Schwiegersohn des ehemaligen lokalen Gouverneurs des Bezirkes in dem man die Kraftwerke gebaut hat.
Zhelyu Ganchev behauptet jetzt, dass im Firmengeflecht der PVB Power Bulgaria seit 2010 rund 40 Millionen Euro versickert sind. Seine Anschuldigung: Millionen seien über Dienstleistungs- oder Beraterverträge als Provisonen an Firmen ins Trentino zurückgeflossen. Vor allem soll Geschäftsführer Plamen Dilkov über eigene Unternehmen am Kraftwerksbau ordentlich mitkassiert haben. Ebenso soll ein Unternehmen Dilkovs die gesamte Buchhaltung der PVB Power Bulgaria abgewickelt haben.
Ganchev nennt nicht nur genaue Zahlen und Rechnungsdaten. Er zeichnet die Zahlungsflüsse auch minutiös nach. Salto.bz hat vorab einige der Unterlagen einsehen können. Etwa einen Vertrag zwischen einer Societé Anonyme in Luxemburg und einem der beteiligten Unternehmer. Auf der Pressekonferenz im Laurin will der bulgarische Unternehmer die Beweise für seine schwerwiegenden Vorwürfe öffentlich vorlegen.
 

Verdächtig hohe Kosten


Dass der Geschäftsmann aus Sofia kein Verrückter ist, weiß man auch am Sitz der Alperia. Die Landesenergiegesellschaft hat mit der Fusion von Etschwerke AG und SEL AG auch die Beteiligung an der PVB Power Bulgaria geerbt.
Unter den Etschwerken wurde das bulgarische Abenteuer – weil intern umstritten – sehr diskret behandelt. Auch weil das Ganze alles andere als ein großes Geschäft war. So schrieb die PVB Power Bulgaria allein im Geschäftsjahr 2015 einen Verlust von 6,7 Millionen Euro. Mehrmals musst Geld nachgeschossen und die Beteiligung abgewertet werden. Zuletzt 2017 um rund eine halbe Million Euro. Laut Alperia-Bilanz ist die bulgarische Beteiligung heute 2,051 Millionen Euro wert. Nur mehr ein Bruchteil des Anschaffungswertes. Allein in den vergangenen drei Jahren hat sich der Wert mehr als halbiert.
 
 
Im fünfköpfigen Aufsichtsrat der PVB Power Bulgaria sitzen mit Wolfram Sparber und dem ehemaligen Direktor der Etschwerke Siegfried Tutzer gleich zwei Alperia-Vertreter. In den vergangenen drei Jahren hat man die Kosten des Unternehmens genau analysiert und beobachtet. Dabei kam heraus, dass die Kosten viel zu hoch waren. Man konnte Einsparungen von über 400.000 Euro durchsetzen.
Dass etwas in Bulgarien aber nicht ganz stimmt, ist am Alperia-Sitz schon länger klar. „Es kann doch nicht sein, dass der Bau eines Kraftwerks in Bulgarien, mehr als das Doppelte kostet als bei uns“, ärgert sich ein Alperia-Funktionär gegenüber salto.bz.
Es kann doch nicht sein, dass der Bau eines Kraftwerks in Bulgarien, mehr als das Doppelte kostet als bei uns.
Im Hochsommer hatte diese Situation dann auch personelle Konsequenzen. Anfang August trennte man sich von Geschäftsführer Plamen Dilkov und der gesamten Führungsmannschaft. Am 9. August wurden ein neuer CEO und ein neues Managementboard in der PVB Power Bulgaria eingesetzt.
Demnach dürften nicht alle Anschuldigungen Ganchevs aus der Luft gegriffen sein.
 

Der Verkauf


Zhelyu Ganchev hat in den vergangenen Wochen Schreiben an die Landeshauptleute von Südtirol und dem Trentino, an die Bürgermeister von Trient und Bozen sowie an mehrere Staatsanwaltschaften gerichtet. Jetzt kommt er nach Bozen um auf einer Pressekonferenz noch einmal die Fakten aufzuzeigen. 
Damit stellt sich die Frage, warum Zhelyu Ganchev das tut? Und welches Interesse hat der Bulgarische Geschäftsmann an der Aufdeckung dieses angeblichen Skandals?
Auch hier gibt es eine mögliche und einleuchtende Antwort.
2013/14 kommt der ursprüngliche Plan der PVB Power Bulgaria zum Erliegen. Man hat zwar fünf Kraftwerke gebaut und in Betrieb, doch die bulgarischen Umweltbehörden stoppen den Bau der weiteren vier geplanten Kraftwerke an der Iskar.
 
 
Vor allem aber stürzt der Hauptaktionär aus dem Trentino ab. Die "PVB Group SPA“, die ehemalige „Petrolvilla“ muss 2015 Konkurs anmelden. Man sitzt auf einem Schuldenberg von 184 Millionen Euro. In den Jahren danach werden Teil des ehemaligen Firmenimperiums von den Masseverwaltern verkauft. Eine Unternehmergruppe aus Bergamo übernimmt den Großteil der Beteiligungen. Ihre Absicht ist es auch die PVB Power Bulgaria zu verkaufen. Alperia und Dolomiti Energia schließen nach monatelangen Verhandlungen einen Pakt. Man verkauft nur gemeinsam. So hat man weit mehr Verhandlungsspielraum.
Im Juni 2019 sichert sich Zhelyu Ganchev per Vorvertrag die 42,08%-Beteiligung aus der Konkursmasse. Der Geschäftsmann will aber das gesamte Unternehmen. Er bietet 14 Millionen Euro. Gleichzeitig liegt aber das Kaufangebot einer französischen Unternehmensgruppe vor, die fast das Doppelte bietet. Inzwischen sind beide Angebote – nach Informationen von salto.bz – deutlich gesunken. Die Franzosen wollen 13 Millionen zahlen. Zhelyu Ganchev nur mehr 10 Millionen.
Manche sehen deshalb einen klaren Hintergrund in der Enthüllungskampagne des Unternehmers aus Sofia. Er will den Kaufpreis damit drücken.
Spätestens am Donnerstag wird sich klären, ob es Zhelyu Ganchev wirklich nur darum geht.
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G. P. Wed, 11/06/2019 - 09:36

Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster - oder vielleicht auch nicht? - und behaupte, dass das international fast schon gängige Praxis ist.

Wed, 11/06/2019 - 09:36 Permalink
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Hans Hanser Wed, 11/06/2019 - 13:46

In reply to by G. P.

Ich lehne mich auch aus dem Fenster - und mache Sie mitschuldig. Ist ja Ihre Landesgesellschaft, die mit Ihrem Steuergeld, das von Managern, die Ihrer Sammelpartei oder deren Verbündeten nahestehen, die jedenfalls von Leuten eingesetzt wurden, die von Ihnen gewählt wurden, Ihr Geld verpulvern und Ihnen so die Lebenshaltungskosten gemäß gängiger internationaler Praxis erhöhen.

Wed, 11/06/2019 - 13:46 Permalink
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Hans Hanser Wed, 11/06/2019 - 18:07

In reply to by G. P.

Werter G.P., ich schätze Ihre Kommentare sehr. Und deshalb war meiner bewusst provokativ gestaltet, gemäß dem Motto "...ich lehne mich aus dem Fenster...".
Selbstverständlich waren Sie nicht persönlich gemeint, sondern das IHRE war an den gemeinen Südtiroler gerichtet. Denn es kommt mir manchmal vor, dass der Südtiroler derartige Untriebe mit dem Attribut "gängige Praxis" abtut und dabei vergisst, dass er sich durch Wegschauen aus seiner Verantwortung stiehlt.

Wed, 11/06/2019 - 18:07 Permalink
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Albert Mairhofer Sat, 11/09/2019 - 20:20

Warum haben sich damals die Etschwerke im Ausland um Wasserkraftwerke umgesehen?
Weil die Südtiroler Landesregierung die autonome Zuständigkeit missbraucht hat und nur der eigenen Energiegesellschaft SEL Konzessionen mit den bekannten Mitteln zuschanzte.

Sat, 11/09/2019 - 20:20 Permalink