Alicia Edelweiss
Es stimmt schon, die „Dekadenz” in Brixen legt ihren musikalischen Schwerpunkt auf Jazz, aber sie bietet immer wieder auch Überraschendes aus dem weiten Feld des Freistils: Alicia Edelweiss ist ein Beispiel dafür.
Die Presse bemüht sich umsonst eine einigermaßen passende Umschreibung für die Musik der aus England stammenden und in Wien lebenden Musikerin zu finden, und auch wir strecken die Waffen diesbezüglich, denn mit ihrem aktuellen Album „When I'm Enlightened, Everything Will Be Better” deckt sie alles ab, was zwischen Folk, (Weimarer) Kabarett, Singer/Songwriter und Pop liegt.
Sie ist minimalistisch und vielfältig gleichermaßen, hat Witz („The Cockroaches And Me” oder „To-Do List of a Party Pooper“), ein Gespür für schöne Balladen („Leonie”) und sie führt in stilistisches Freiland („Dead Skin“). Und sie gewährt einen durchaus intimen und rührenden Blick auf sich selbst – sofern sie es denn ist – wenn man nach dem letzten Song des Albums und nach einigen Minuten der Stille, Zeuge eines Gesprächs zwischen Mutter und Tochter wird, bei dem sie mit überzeugend freundlicher Stimme für ihre Eigenständigkeit kämpft: „Just close the door and never come back.” Das sind einige wenige Sekunden, die sich aber ebenso einprägen wie einzelne Sprachbilder in ihren Texten.
Am Samstag, 13. November 2021 gastiert Alicia Edelweiss gemeinsam mit Lukas Lauermann am Cello und Matthias Frey an der Violine in Brixen, und spielt damit ihre Songs noch einmal in einem anderen Klangbild, bzw. in einem Klangbild, wie es in „Leonie” beispielsweise entsteht, das sie in der Studiofassung mit ihrer Stimme, mit dem von ihr gespielten Akkordeon und mit Streichern eingespielt hat.
Wir waren neugierig und haben Alicia mit einigen Fragen konfrontiert, die wir uns gestellt hatten, während wir uns mit ihrem Schaffen und ihren aktuellen Aktivitäten beschäftigt haben.
salto.music: Im Text zu deiner jüngsten Single „Dreck” (August 2021) schreibst du, dass das Publikum deine deutsch gesungenen Texte am liebsten hätte und du deswegen diesen Song veröffentlicht hast. Bleibst du bei der deutschen Sprache?
Alicia Edelweiss: Ich spiele live eigentlich nur dieses eine Lied auf Deutsch. Das ist vielleicht ein kleines Missverständnis, es war nicht so gemeint, dass das Publikum diesen Song allgemein am Liebsten hat. Mir ist aber schon aufgefallen in Gesprächen nach dem Konzert, dass das Lied immer sehr positiv aufgefallen ist, weil es so heraussticht, und für manche Leute war es auch das Lieblingslied. Nein, ich habe nicht gezielt vor, mehr auf Deutsch zu schreiben. Wenn's passiert passiert's, aber Englisch ist nach wie vor meine bevorzugte Sprache zu schreiben und zu singen. Das neue Album wird auf Englisch sein. Der Grund warum ich „Dreck“ jetzt schon herausgebracht habe ist auch, dass es zu meinem anderen neuen Material nicht passen würde und so ein bisschen für sich steht.
Mir ist aber schon aufgefallen in Gesprächen nach dem Konzert, dass das Lied immer sehr positiv aufgefallen ist.
salto.music: Und musikalisch? „Dreck” spielst du alleine, im Gegensatz zu den Songs des letzten Albums und der Tatsache, dass du zur Zeit mit Lukas Lauermann (Cello) und Matthias Frey (Violine) live unterwegs bist…
Alicia Edelweiss: Wir haben versucht es als Trio zu arrangieren, aber es hat einfach nicht funktioniert. Es war dann klar, „Dreck“ muss ganz simpel bleiben und ist eine Solo-Nummer. Aber es stimmt auch, dass ich in letzter Zeit sehr gerne alleine spiele.
salto.music: Wie bist du auf die beiden Musiker gestoßen? Was war ausschlaggebend, sie mit an Bord zu holen?
Alicia Edelweiss: Matthias kenne ich aus der Voodoo Jürgens Band, in der ich 3 ½ Jahre gespielt habe. Wir haben musikalisch sofort geklickt, ich liebe sein Solo-Projekt „Sweet Sweet Moon“ auch sehr. Und Lukas habe ich dann irgendwann gefragt ob er mitspielen mag, nachdem ich ein Solo-Konzert von ihm gesehen habe, was mich auch total umgehauen hat. Und dann war klar, dass wir für Live-Konzerte nicht unbedingt mehr MusikerInnen brauchen, wir waren komplett.
salto.music: Du bist seit Ende Juni live unterwegs und hast bereits weit über zwanzig Konzerte gespielt und warst dabei u.a. in der Ukraine, in Litauen und für eine kleine Tour in Italien. Kannst du uns von dieser europäischen Erfahrung erzählen?
Alicia Edelweiss: Es war verrückt, weil ich das letzte Mal im Jahr 2017 geflogen bin. Dieses Jahr war ich quer durch Europa unterwegs und bin auch viel geflogen, jetzt gerade war ich auch in Großbritannien für ein Festival. Es war sehr schön wieder mal rauszukommen aus dem deutschsprachigen Raum, ich habe es sehr genossen. Ich liebe es dann noch länger an Orten zu bleiben oder vorher anzukommen, um sie zu erkunden, sonst habe ich nämlich das Gefühl, dass ein großer Sinn des Tourens für mich verlorengeht. Deswegen mache ich eigentlich auch Musik, bzw. so habe ich auch begonnen Musik zu spielen, beim Reisen auf der Straße.
Ich liebe es dann noch länger an Orten zu bleiben oder vorher anzukommen, um sie zu erkunden, sonst habe ich nämlich das Gefühl, dass ein großer Sinn des Tourens für mich verlorengeht.
salto.music: Das Album „When I'm Enlightened, Everything Will Be Better” zeigt dich als leichtfüßigen und eher unbändigen Freigeist. Wie nimmst du die politische Situation in Österreich wahr … den Skandal um die Chat-Protokolle um Ex-Kanzler Kurz, der dem Begriff „Message-Control” ganz neue Dimensionen verleiht? Oder, um es etwas breiter zu fassen: Wie geht es dir mit der zunehmenden Gängelung der Öffentlichkeit durch die populistische Politik?
Alicia Edelweiss: Ich habe sehr wenig Vertrauen in die Regierung, egal welche Partei gerade an der Macht ist. Zur aktuellen Situation kann ich nur sagen, dass mich diese Dinge nicht wirklich überraschen und dass ich denke, dass die Leute die nach Kurz und Co. kommen, im Endeffekt wahrscheinlich nicht bessere Intentionen haben.
salto.music: Mit den vielen gemeinsamen Konzerten seid ihr als Band mit großer Wahrscheinlichkeit zusammengewachsen. Ist neues Material entstanden? Hat die Erfahrung mit Lukas Lauermann und Matthias Frey bereits einen erkennbaren Einfluss auf deine Musik?
Alicia Edelweiss: Ja, ganz bestimmt, aber ich möchte mich auch weiterentwickeln und mich nicht von einem Stil der funktioniert hat einschränken lassen, sondern neue Dinge ausprobieren. Das gemeinsame Arrangieren ging von Anbeginn sehr leicht von der Hand, und wir haben auch schon einiges an neuem Material zusammen bearbeitet, dieses Mal auch in Großbesetzung mit Kontrabass und Bratsche. Das neue Album wird aber noch ein wenig dauern. Ich muss neue Lieder auch öfters live spielen, damit ich verstehe wie das Arrangement am Besten funktioniert und was sich auch auf der Bühne dann gut anfühlt.
salto.music: Deine Musik wurde (und wird) von der Presse als Freak-Folk bezeichnet. Woher kommt das? Wir finden, dass der Begriff deine Musik etwas ins Negative rückt … lässt du dieses Etikett an dir kleben?
Alicia Edelweiss: Ich habe mich eine Zeit lang sehr in diesem Genre gesehen, ich habe diese Verbindung damit also mir selbst zu verdanken. Ich war sehr inspiriert von Freak-Folk-KünstlerInnen wie CocoRosie, Devendra Banhart, Joanna Newsom usw.
Wenn man nicht weiß, dass der Begriff von wo kommt und nicht aus der Luft gegriffen ist, könnte man vielleicht glauben, dass es etwas Abwertendes hat. Ich fühle mich zwar auch wirklich wie ein Freak, aber ich finde die Genre-Zuweisungen immer noch schwierig. Wenn ich mit meiner Band spiele finde ich z.B. „Chamber Pop“ viel angemessener, und vermehrt benutze ich auch den Begriff „Weird Folk“, den ich immer mehr mag, weil er sich dehnbarer anfühlt.
Aber nur der Begriff „Folk“, „Folk-Pop“ oder „Singer/Songwriter“ würde sich z.B. garnicht passend anfühlen, da ich das Gefühl habe, dass ich sehr viel mehr mache als „nur“ Folk.
Ich finde auch, dass die zwei Namen zusammen irgendwie etwas Fantastisches haben, wie ein Fabelwesen oder eine Zirkusartistin.
salto.music: Dein Name deutet mehr oder weniger deutlich auf deine beiden Heimatländer hin … Großbritannien und Österreich …, und Brixen, wo du am Samstag spielen wirst, wird mit dem Edelweiss etwas anzufangen wissen. Müsstest du nicht eher in Innsbruck anstatt in Wien deine Zelte aufschlagen oder siehst du das Edelweiss gar nicht im alpinen Kontext?
Alicia Edelweiss: Da steckt eine ganz persönliche Geschichte dahinter. Wenn man die nicht kennt, ist der Name für viele Menschen etwas verwirrend, oder viele denken da sind auch patriotische Gedanken dahinter. Mein Vorname war „Edelweiss“ wie ich geboren wurde, den habe ich dann mit fünf Jahren auf „Alicia“ geändert. Wie ich mir dann einen KünstlerInnennamen aussuchen musste, lag es für mich irgendwie auf der Hand diese beiden Namen zu verbinden. Ich finde auch, dass die zwei Namen zusammen irgendwie etwas Fantastisches haben, wie ein Fabelwesen oder eine Zirkusartistin. Ich sehe den Namen nicht speziell im alpinen Kontext, aber sicher, Österreich ist ein Teil von mir und ich mag die Berge, aber ich identifiziere mich nicht speziell mit dem Bergsteigen und den Alpen.
Links:
Karten reservieren für Alicia Edelweiss in der „Dekadenz” Brixen: https://www.dekadenz.it/de/karten-reservierung.html
Homepage: http://aliciaedelweiss.com
Bandcamp-Seite: https://aliciaedelweiss.bandcamp.com